Der Montagskommentar auf GRHeute.

Der islamistisch motivierte Terror in der französischen Hauptstadt vom 13. November mit 130 Todesopfern und über 350 Verletzten wirft verschiedene Fragen auf. Mitunter die wichtigsten betreffen die Kontrolle der Flüchtlingsströme, die zukünftige Rolle der Geheimdienste und den Krieg in Syrien.

Mindestens ein Attentäter von Paris ist mit einem gefälschten syrischen Pass über die Balkanroute nach Europa eingereist. Der Mann, der sich als Flüchtling tarnte, bestätigte die Befürchtung, dass die grösstenteils unkontrollierte Migration nach Europa von terroristischen Organisationen wie dem IS ausgenutzt werden kann.

Einzelne Wölfe unter vielen Schafen

Der IS wäre auf diese Vorgehensweise eigentlich nicht angewiesen. Frühere Terroranschläge wie Charlie Hebdo oder der Angriff auf einen jüdischen Supermarkt zeigten, dass genügend Dschihadisten in Europa selber rekrutiert werden können. Jene Terroristen waren französische Staatsbürger, wuchsen in Frankreich auf und radikalisierten sich dort. Eine weitere Möglichkeit des IS, Dschihadisten nach Europa zu schleusen, sind auch die zahlreichen westlichen Kämpfer, die sich momentan in Syrien aufhalten. Diese können häufig unbehelligt nach Europa zurückkehren.

Weshalb fiel die Wahl also auf die Flüchtlingsroute? Für den IS sind die syrischen Flüchtlinge ausnahmslos Verräter, da sie das Land verlassen statt für die Errichtung eines weltweiten Kalifats kämpfen. Indem der IS nun Terroristen auf der Flüchtlingsroute nach Europa schickt, werden diese Menschen im Westen diskreditiert. Auch wenn dies die Absicht des IS sein sollte, muss die reale Gefahr von Dschihadisten unter den Flüchtlingen akzeptiert werden. Die Menschenmassen an den EU-Aussengrenzen müssen besser erfasst und kontrolliert werden.

Geheimdienste als Lebensretter

Kurz nach den Attentaten wurden insbesondere in der Schweiz Stimmen laut, die im Zusammenhang mit dem neuen Nachrichtendienstgesetz die Unfähigkeit des französischen Geheimdienstes (den wesentlich ausgebauteren Kompetenzen zum Trotz) anprangerten. Offenbar nützten diese Kompetenzen bei der Verhinderung von Attentaten wenig, hiess es. In der Tat scheint aber das Gegenteil der Fall zu sein.

Am 29. Oktober vereitelte der französische Geheimdienst einen Anschlag auf einen Marinestützpunkt in Toulon. Am Tag der Anschläge in Paris wurde in Istanbul von türkischen Sicherheitskräften ebenfalls ein IS-Terrorakt verhindert. Diese Beispiele zeigen, dass erhöhte Überwachungskompetenzen keinesfalls nur menschliche Ängste bedienen, sondern tatsächlich Leben retten können. Auch die Schweiz ist vor terroristischen Angriffe nicht gefeit, und sollte dem Nachrichtendienst des Bundes längst überfällige Kompetenzen gewähren.

Syrien als Keimzelle des Terrors

Um der Bedrohung durch den Islamischen Staat aber wahrhaftig Herr zu werden, muss er vor Ort bekämpft werden. Unmittelbar nach den Anschlägen in Paris ordnete der französische Präsident Hollande umfassende Bombardierungen auf IS-Stellungen an. Auch die «Hauptstadt» des Kalifats, Ar-Raqqa, wo die Attentate gemäss irakischen Geheimdienstinformationen geplant worden sein sollen, wurde von der französischen Luftwaffe angegriffen.

Da der IS aber auch nach monatelangen Luftangriffen immer noch in der Lage ist, westliche Länder direkt anzugreifen, liegt der Schluss nahe, dass die Terrormiliz nur durch die Bekämpfung aus der Luft nicht zu besiegen ist.

 

(Bild: Gwendoline Le Goff/EQ Images)

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Franco Membrini

Kolumnist
Hat an der University of Edinburgh seinen «Master of Science in History» absolviert. Zuvor studierte der Churer Geschichte, Betriebsökonomie und Staatsrecht an den Universitäten Bern und Bologna.