Coach Haas: «Das hätte in einem Riesen-Chaos enden können»

Coach Haas: «Das hätte in einem Riesen-Chaos enden können»

Robin Haas
22.01.2016

RobinPortraetRobin Haas ist langjähriger Spieler und Coach auf der nationalen und internationalen Football-Bühne, Swiss-Bowl-MVP 2003 und profunder Kenner der Szene. Der gebürtige Churer, zurzeit bei den Basel Gladiators tätig, schreibt eine regelmässige Kolumne auf GR Heute.

 

 

In meinem letzten Bericht schrieb ich über die Offseason und wie man sich als Team auf die neue Saison vorbereitet. Diesmal möchte ich mich erläutern, was in der administrativen Organisation im Schweizerischen Verband in den Wochen ablief. Ich war mehrere Jahre lang Sportchef oder – wie man im Football sagt – General Manager bei den Calanda Broncos. In meiner jetzigen Station in Basel bei den Gladiators ist dieser Posten von Dwaine Wood besetzt – ich bin Juniorenobmann. Nach der Saison gibt es bis zur grossen Delegiertenversammlung, die jeweils im November stattfindet, mehrere Sitzung mit dem Verband. Zuerst gibt es die Präsidentenkonferenz, bei der sich alle Präsidenten der Vereine treffen und aussprechen. Entschieden wird da nichts, da dies nur an der DV gemacht werden darf. Aber es wird vorbereitet: Meist wird dann auch das gewählt, was die Präsidenten schon untereinander besprochen haben.

Als nächstes findet dann Ende Oktober die Junioren-Sitzung statt, zu der sich die Headcoaches der U16-Junioren treffen und sich absprechen. Was dann vorgeschlagen wird, muss der  Nachwuchsbeauftragte des Verbandes an die GL weiterleiten, um dann offiziell an der DV von den Präsidenten abgesegnet werden zu können.

Der Schweizerische Verband hat eine Geschäftsleitung mit einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten, einem Kassier, einem TK-Chef, einem Rechtskonsulent, einem Schiedsrichterbeauftragten, einem Flag-Football-Beauftragten, einem Junioren-Verantwortlichen und einer Sekretärin.

Der grösste Teil der Geschäftsleitung ist weg

Letztes Jahr war einiges anders als in den Jahren zuvor, da der grösste Teil der Geschäftsleitung zurücktrat und die Vereine neue Leute wählen mussten. Allen voran ist der langjährige Präsident Dieter Witschi zurückgetreten. Bis zwei Wochen vor der Delegiertenversammlung hat sich nur ein Kandidat für das Amt gemeldet. Alle dachten, dass dies eine schnelle Sache wird. Es kam anders: Kurzfristig hat ein zweiter Kandidat seine Ambitionen angemeldet, Präsident des Schweizerischen Football-Verbandes zu werden. Beiden belieferten im Vorfeld die Vereine mit ihrem Lebenslauf und Zielen. Trotzdem ging es um einiges länger als angenommen. Für mich war das die achte DV und ich dachte, ich weiss nach so vielen Jahren, wie alles abläuft.

Doch weit getäuscht.

Um 10 Uhr morgens fing die Sitzung in Biel in einem schmucken Hotel-Saal an. Zuerst wurden alle Teams und Stimmberechtigten gezählt, und es konnte losgehen. Nach einigen kleineren Abstimmungen wurde den Kandidaten dann Zeit gegeben, ihre Visionen für die Zukunft des Schweizer Footballs darzustellen. Meiner Meinung nach haben beide sehr guter Vorträge gehalten, beide wollen nur das Beste für unseren Sport. Für die nachfolgende Diskussion mussten die Kandidaten den Saal verlassen. Die Abstimmung erfolgte schliesslich anonym. Für mich war das Neuland, da ich in den vorherigen Jahren immer denselben Präsident hatte. Ich entschloss, mich nicht einzumischen und unserem General Manager die alleinige Entscheidung über Basels Stimme zu überlassen. Um es nicht all zu lang zu machen: Neuer Präsident wurde der amerikanische Business-Mann Glenn Chase. Die weiteren Besetzungen im Vorstand waren unbestritten, da sich jeweils nur eine Person zur Wahl stellte.

Delegierte lehnen Budget ab

Wie schon gesagt, diesmal war alles anders. Zum ersten Mal in all den Jahren wurde das Budget nicht angenommen, da es einige Unklarheiten gab. Somit waren die zwei Stunden, in denen wir übers Budget debattierten, für nichts und wir gingen – ohne Budget verabschiedet zu haben – zum Mittagessen. Danach wurden noch die Anträge der Vereine diskutiert und darüber abgestimmt. Die Ligaeinteilung war die grosse Sorge, da ein Verein nicht einverstanden war, dass in der NLB nur noch 4 Teams sind, weil eine andere Mannschaft mangels Junioren-Team zwangsabsteigen musste.

Nun hatte man das Problem, dass viele Teams – unter anderem auch das neue Churer Team Lumberjacks – in der NLC spielen wollen. Der TK-Chef kündigte an, er werde mit den Teams Lösungen finden. Die Sitzung endete kurz nach 17 Uhr, ohne dass ein Budget, Liga-Klarheit ein Spielplan vorlag. Einig war man sich nur, dass alles per E-Mail organisiert werden soll.

Jetzt, im Januar, nachdem man Mühe hatte, den neuen TK-Chef überhaupt nur schon zu erreichen und immer noch kein Budget und kein definitiver Spielplan vorhanden ist, haben einige Teams eine ausserordentliche Delegiertenversammlung einberufen. Zu allem Übel ist der neue TK-Chef dann auch noch kurzfristig zurückgetreten. Kurz und bündig gesagt sah das Ganze nach einem Scherbenhaufen aus.

Zum Glück gibt’s einige sehr gute Funktionäre

Die Teams haben in der Folge viel miteinander gesprochen, und so konnte der Schaden in Grenzen gehalten werden. Bis Mitte Februar sollte das neue, überarbeitete Budget angenommen werden und der Spielplan bestätigt sein. Zum Glück haben wir in der Schweiz einige sehr gute Team-Funktionäre, die schon lange dabei sind und untereinander viel kommunizieren, ansonsten hätte die Saison in einem Riesen-Chaos enden können. Für den neuen Präsidenten ist dieser Start natürlich alles andere als optimal.

Aus meiner persönlichen Sicht sind einige Dinge eigentlich logisch (jedoch sehen dies einige natürlich anders). Ich finde, jeder Verein muss einfach nach fünf Jahren ein Junioren-Programm bereit haben. Wer das nicht schafft, muss härter bestraft werden. Junioren sind die Zukunft und fünf Jahre sind genug Zeit, um eine U19-Mannschaft hinzubekommen. Ich nehme hier mal die Lugano Lakers, die in der NLC spielen. Lugano hat eine U19- und eine U16-Mannschaft und das in der NLC. Ein NLB-Team aus der Innerschweiz hingegen, das schon sieben Jahren dabei ist, hat es aber nicht auf die Reihe gebracht, eine U19 aufzubauen. Dies ist für mich unbegreiflich. Nicht weil ich ein Junioren-Coach und -Obmann bin, aber weil es wirklich logisch ist, dass Junioren die Zukunft sind. Man schaue sich das Nationalteam der Schweiz an. Nur einige wenige haben nicht Junioren gespielt – das war vor zehn Jahren noch anders. Auch finde ich, dass die NLC-Teams dem Verband zu wenig Mitgliederbeitrag zahlen müssen, denn der Aufwand ist für den Verband nicht kleiner als bei NLB- oder NLA-Teams.

Eine Regel sagt auch, dass man Schiedsrichter stellen muss. Auch hier gibt es leider nur wenige Teams, die ihre Pflicht erfüllen und lieber einfach eine Busse zahlen. Der Verband muss dann auswärtige Schiedsrichter «einkaufen». Dabei ist der Fall doch klar: Junioren und Schiedsrichter muss jeder Verein haben, Schiedsrichter ab sofort, Junioren nach 5 Jahren. Gelingt das nicht, würde ich dieses Team aus der Meisterschaft ausschliessen, was jedoch meine Meinung ist und so sicher auch nicht umgesetzt wird.

Auch bin ich der Meinung, dass die Delegiertenversammlung per Video gefilmt werden muss, denn es gab in der Vergangenheit sehr viel Unregelmässigkeiten, was besprochen wurde und was nachher im Protokoll stand. Wir sind im 21. Jarhundert! Wo liegt das Problem, wenn man die Sitzung per Video aufnimmt?

9-Mann-Football ist nicht dasselbe!

Ein nächster Punkt, den ich kritisiere, ist folgender: Wer in der Schweiz von der NLB in die NLA aufsteigt, nimmt das U19-Team auch gleich in die NLA-Nachwuchs-Meisterschaft mit. Allerdings sind die U19-Aufsteiger in den letzten fünf Jahren nicht fähig gewesen, eine ganze Saison ohne Forfait-Niederlage durchzuführen. Als Gegner muss man immer damit rechnen, dass in jedem Moment der Anruf kommt, sie könnten nicht mit ihren Junioren antreten. Dies ist uns letztes und vorletztes Jahr passiert und irgendwie ist es nicht gerecht, da wir dann eine Woche Pause hatten und ausruhen konnten, während die anderen Teams spielten.

Der Verband hat dafür die Regel, dass ein Team wenigstens 9-Mann-Football spielen muss, falls das Team dies verlangt. Das verstehe ich nun wirklich nicht. Erstens ist 9-Mann-Football ein ganz anderes Spiel und hat eigene Regeln. Auch die Playbooks einer U19-Mannschaft funktonieren für 9-Mann-Football nicht. Wenn man als geschädigtes Team dies aber nicht will, dann muss schliesslich sogar der Verein eine Busse zahlen, der gar nicht Forfait erklärt hat. 

Teure Busse für ein Forfait

Macht es Sinn, Busse für über 1000 Franken pro Spieltag zu mieten, um an ein Spiel zu fahren, für das es keine Wertung gibt und in dem nur 9-Mann-Football gespielt wird? Die Calanda Broncos können ein Lied davon singen. Sie mussten dies mal machen, ein Schlüsselspieler verletzte sich schwer und fiel den Rest der Saison aus. Nochmals: Meiner Meinung nach sind einige Regeln sehr fragwürdig, jedoch stehen sie so in den Statuten und müssen wohl oder übel eingehalten werden.

Es bleibt zu hoffen, dass bis Mitte Februar alles bereit ist, damit wir eine tolle Saison mit gutem Football in allen Ligen haben werden. Damit das Budget stimmt und alles geregelt ist. Die ausserordentliche Delegiertenversammlung wird einiges entscheiden, und ich bin mir sicher, dass der neue Verbandsvorstand mithilfe der Teams alles geregelt bekommt.

 

(Bild: Pixabay)

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Robin Haas

Kolumnist American Football
Langjähriger Spieler und Coach auf der nationalen und internationalen Football-Bühne und profunder Kenner der Szene.