Als Andrea Häller ein Star war

Als Andrea Häller ein Star war

Wer erinnert sich nicht gerne zurück an diesen legendären Moment? Wir schreiben das Jahr 2007. Die NLA ist in vollem Gange, der HCD führt die Tabelle vor dem SC Bern an. Bei Davos überzeugt vor allem Topskorer Michel Riesen, der bis zum Ende der Saison 37 Treffer erzielen wird. Hauptsächlich aus seinem „Powerplay-Office“ am langen Pfosten. An der Spitze der Skorerliste stehen zwei weitere bekannte Namen, die in guter Erinnerung bleiben: Simon Gamache gewinnt am Ende die Krone, dicht gefolgt von Alexandre Daigle.

Einer, der bereits während der Saison seinen Rücktritt kommunizierte, ist Andrea Häller. Der 34-jährige Verteidiger ist bereits seit längerem Ersatzspieler und wird nur noch in 14 Spielen aufgeboten, null in den Playoffs. Andrea Häller weiss, dass er seinen Rücktritt geben „muss“, da die Nachfrage nach seinem Spielertyp einfach nicht mehr existiert.

Ende Januar 2007 organisiert die NLA das erste All-Star Spiel in der Allmendhalle. Um das Ganze aufzufrischen entscheidet sich die Liga, neue Teleonie-Technologien zu nutzen und die Fans miteinzubeziehen, wenn die grossen Schweizer Stars gegeinander antreten. Via SMS können alle Schweizer ihre Stimme für ihre NLA Lieblinge abgeben.

Die grossen Namen sind schnell bestimmt: Simon Gamache, Alexandre Daigle, Reto von Arx. Michel Riesen, Kimmo Rintanen, Christan Dubé. Oleg Petrov, Hnat Dominichelli. Und Andrea Häller.

Häller?

Häller an einem All-Star Spiel?

In Davos Kult, aber selbst eingefleischte Fans gestehen, dass der bärtige Turm eigentlich irrelevant geworden ist. Die Wähler hatten anscheinend das Gefühl, dass Andrea Häller am All-Star Spiel vertreten sein sollte. Die Meisten wählten den behäbigen Bündner mit den eisernen Fäusten wohl aus Ironie und entschieden sich, das SMS Voting mit einem kleinen Spass aufzumischen. Wie lustig es wohl ist, wenn Häller gegen die Superstars Rintanen und Petrov antreten muss. Das All-Star Spiel zum Gespött machen. (Und dabei Häller zum Gespött machen.)

Davos, 26.12.2004, Jarkko Ruutu gegen Andrea Haeller. © Marcel Giger/EQ Images
Davos, 26.12.2004, Jarkko Ruutu gegen Andrea Haeller. © Marcel Giger/EQ Images

Einige wenige Fans wählten ihn vielleicht, weil sie den Bündner sympathisch finden. Ihr gutes Recht. Die Auffassung des Begriffes ist insofern subjektiv. Die Worte, die zu Häller fallen, sind schlussendlich einstimmig. Untalentiert, langsam, aber loyal, aufopferungsvoll, zuverlässig. Ein Spieler gemacht für die Fans. Ein paar Stimmen der HCD Fans:

… räumt der grundsolide Häller als Verteidiger in der eigenen Zone auf. Häller war und ist ein Teamplayer, der punkto Einsatz und Wille stets ein Vorbild ist. Genau diese Attribute waren es, die dazu führten, dass Andi bei den Fans längst «Kultstatus» geniesst. Er ist «einer von uns».

…Es ist schade, dass der Abgang so ist, der Zeitpunkt ist richtig, aber er hätte einen besseren Abschied verdient. Er war der Abräumer und war seinem Stammclub immer treu…

…Was hast du uns Freude bereitet mit deinen, ach so seltenen, Toren. Du, das Urgestein von Davos. Nicht aus der Ruhe zu bringen und doch so knallhart im Austeilen und vor allem im Einstecken. Deine holprige Schlittschuhtechnik haben wir dir verziehen, weil du uns immer treu geblieben bist…

Wahre Worte.

Ende 2007 tritt Andrea Häller nach 18 Saisons beim HCD zurück. Der stämmige Ur-Püntner mit dem Sinn fürs Grobe spielt insgesamt 529 Partien in der NLA, 527 davon für den HCD. Loyalität ist wohl das richtige Wort, um Hällers Karriere zu beschreiben.

Und harte Arbeit. Häller war offensichtlich nie bekannt für viele Skorerpunkte. In 529 NLA-Meisterschaft-Spielen und 123 Playoffpartien konnte er gerade mal 8 Tore erzielen. Nichts desto trotz war Häller absolut zurecht ein Hockey-Profi. Und er hat Rückendeckung von grossen Namen: Er lief mit Joe Thornton und Rick Nash auf, mit Reto von Arx und Andres Ambühl. Aber auch mit den Soguel Brüder, mit Richi Bucher und Fausto Mazzoleni. Alles Ikonen im Schweizer Eishockey, und Häller war dabei.

Seine Karriere war 2007 zu Ende, aber er hatte eine illustre NLA Karriere.

Basel, 04.01.2004, Der Davoser Andrea Haeller gegen den Basler Laurent Mueller. © Richard Grell/EQ Images
Basel, 04.01.2004, Der Davoser Andrea Haeller gegen den Basler Laurent Mueller. © Richard Grell/EQ Images

Und nun beginnt das Drama. Die Liga will nicht, dass Häller antritt. Der stille Schreiner versteht und geniert sich eigentlich sowieso für die ganze Publicity. Trotzdem sagt er zurecht: „Die Motivation für die vielen Stimmen ist egal, so eine Chance bekomme ich nur einmal im Leben. Man muss sich das vorstellen, mit Petrov und Gamache und Rintanen in einem Block zu stehen.“ Das Davoser Urgestein lässt sich von den Stimmen nicht runterziehen.

Dies EHC Basel Fans lachen sich den Buckel krumm über die Situation, die HCD Fans verteidigen Häller. Mehrheitlich wird das Ganze nicht ernst genommen, da es sich nur um ein All-Star Spiel handelt.

Der Präsident des SEHV Fredy Egli schreitet ein. Das Ganze wird immer lächerlicher, die Liga will Häller nun verbieten, teilzunehmen. Er aber bleibt bei seinem Entscheid. Nun reagiert der HCD und schickt ihren Fanliebling zum HC Sierre in die NLB. So kann er nicht mehr am All-Star Spiel teilnehmen. Ein Fiasko jagt das Nächste, der Blick schlachtet die Story bis zum bitteren Ende aus. Häller prägt täglich die Titelseite des Sports, für den Ersatzspieler eine unangenehme Situation.

Die Fans reagieren empört, und viele NLA Spieler aus anderen Teams stehen hinter Andrea Häller. Ein legendäres Interview damals mit Domenico Pittis:“Eine All-Star Einladung ist eine grosse Ehre, und Andy hat sich diese verdient. Egal wen du fragst, alle Spieler in der ganzen Liga haben grossen Respekt vor seiner Leistung und gönnen ihm die All-Star Nomination von Herzen.“

Der Druck wächst weiter und der Verband gibt nach. Fredy Egli ändert seine Haltung komplett: „Wir freuen uns darauf, dass Andrea Häller am All-Star Spiel auflaufen wird.“

Ein PR Fiasko sondergleichen für die Liga und für den HCD. Und eine peinliche, hässliche Geschichte, die Andrea Häller durchleben muss.

Davos, 07.12.2004, Andrea Haeller. © Marcel Giger/EQ Images
Davos, 07.12.2004, Andrea Haeller. © Marcel Giger/EQ Images

Womit wir am Ende dieser fiktiven Anekdote sind und eine Brücke zur realen Gegenwart schlagen: John Scott spielte dieses Wochenende am NHL All-Star Game. Der stämmige Ersatzspieler hat in seiner Karriere bisher fünf Tore erzielt und wird wohl Ende Saison seinen Rücktritt geben müssen. An diesem Wochenende stand der Ersatzspieler für einmal im Mittelpunkt, glänzte, und Fans auf der ganzen Welt inkl. sämtliche NHL Superstars zelebrierten seinen Namen. Mittlerweile jeder Zyniker mag es Scott gönnen, und die NHL steht denkbar schlecht da.

Fazit: Ein Profi ist ein Profi. Er sollte vom Arbeitgeber (Liga wie Verein) auch so behandelt werden.

(Bilder: Marcel Giger, Waldemar Da Rin, Richard Grell, Francoise Ducrey/EQ Image)

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Richi Brändli

Redaktor Eishockey
Ehemaliger Kolumnist bei GRHockey, Plausch-Spieler und Fan von regionalem bis internationalem Eishockey.