‹Enfant terrible› der EU will keine Verteilung der Flüchtlinge

‹Enfant terrible› der EU will keine Verteilung der Flüchtlinge

Der ungarische Regierungschef Viktor Orban lehnt die geplante Verteilung von Flüchtlingen in der EU ab. Nun soll das ungarische Volk darüber entscheiden.

Die EU-Kommission plant einen Verteilschlüssel für Flüchtlinge, um der momentanen Krise Herr zu werden. Vor allem die osteuropäischen Mitglieder stellen sich allerdings gegen das Vorhaben. Ungarn ist nun das erste Land, dass seine Einwände demokratisch zu legitimieren wünscht. Orban informierte am Mittwoch über die Durchführung eines Referendums, um den Plan der EU-Kommission wenigstens in Ungarn zu kippen.

Dem ungarischen Volk soll folgende Frage vorgelegt werden: «Wollen Sie, dass die Europäische Union auch ohne Zustimmung des Parlaments die verbindliche Ansiedlung von nicht ungarischen Staatsbürgern in Ungarn vorschreiben kann?» Das Vorhaben muss zwar noch von der ungarischen Wahlkommission bestätigt werden, da dieses aber  ausschliesslich aus Mitgliedern der Regierungspartei Fidesz besteht, dürfte es sich hierbei um eine Formsache handeln.

Bereits im September hatten die EU-Innenminister die Umverteilung von 120’000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland beschlossen. Für die ungarische Regierung, und darüber hinaus auch für weite Teile der ungarischen Bevölkerung, ist dieser Entscheid nicht hinnehmbar. Die zu Anfang als radikal wahrgenommenen Methoden von Fidesz, wie die Errichtung des ersten Stacheldrahtzauns zu Beginn der Flüchtlingskrise, werden in Ungarn von der Bevölkerungsmehrheit gutgeheissen. Mittlerweile ist die Empörung über den Bau des Zauns auch in Westeuropa abgeflacht, nachdem zahlreiche weitere Staaten, unter anderen auch Österreich, dem ungarischen Beispiel gefolgt sind.

Ohne einen geregelten Verteilschlüssel für Flüchtlinge werden in kurzer Zeit die südlichen Empfängerländer hoffnungslos überfordert sein, was nicht nur für diese Staaten, sondern auch für die Flüchtlinge verheerende Folgen mit sich brächte.

Nichtsdestotrotz ist das Anliegen Orbans legitim: Brüssel sollte gegen den Willen eines Staates nicht die Möglichkeit haben, Migranten dort anzusiedeln. Das Problem offenbart die grösste Schwäche der EU: die meilenweite Entfernung von basisdemokratischer Legitimation. In der Bürokratenzentrale in Brüssel wird zwar an Lösungen gearbeitet, doch nützen diese gegen den Willen der EU-Bürger herzlich wenig.

Die politische Entscheidung über die Umsetzung von Vorhaben wie einem geregelten Verteilschlüssel sollte nicht zuletzt bei der Bevölkerung liegen, die schliesslich die Konsequenzen zu tragen hat. In diesem Sinne ist Orbans Plan eines Referendums als legitim zu bezeichnen, trägt seinerseits natürlich aber nicht zur Lösung der Flüchtlingsproblematik bei.

 

(Bild: Marko Mrkonjic/EQ Images)

author

Franco Membrini

Kolumnist
Hat an der University of Edinburgh seinen «Master of Science in History» absolviert. Zuvor studierte der Churer Geschichte, Betriebsökonomie und Staatsrecht an den Universitäten Bern und Bologna.

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