Gut gemacht, Frau Martullo!

Gut gemacht, Frau Martullo!

Stellen wir uns einmal vor, wir wären eine Tochter aus reichem Haus. Der Vater ist ein Patron durch und durch, und wie es Zufälle im Leben so wollen, wird er Bundesrat. Wir, die Tochter aus reichem Haus, hätten zufällig die Skills, die es braucht, um die Firma zu übernehmen, die der Vater wegen seines Bundesratsmandates verkaufen muss. Natürlich nehmen wir die Herausforderung an – schliesslich würde das ein Sohn aus reichem oder anderem Haus auch machen.

Stellen wir uns vor, wir sind eine Tochter aus reichem Haus und heiraten einen Mann, der zufälligerweise die Skills hat, die es für den Nachfolger der elterlichen Firma braucht. Uns selbst, die Tochter aus reichem Haus, hat der Betrieb nicht sonderlich interessiert; wir haben studiert und die Firma dem Mann überlassen. Was vollkommen okay ist – jedem Tierchen sein Pläsierchen.

Stellen wir uns vor, wir, die Tochter aus reichem Haus, treten nicht nur in der Firma in die Fussstapfen des Vaters, sondern auch in der Politik. Der Vater ist ein Polteri, gewiss, und nicht alle finden gut, was der Vater und seine Partei machen. Es braucht viel, um dem Vater politisch etwas entgegen zu setzen, und lange Jahre fanden sich keine Strategien dagegen. Dem Vater ein Gegengewicht hinzustellen, gelingt bis heute nicht oder nur punktuell. Was aber nicht das Problem des Vaters oder seiner Tochter sein kann.

Stellen wir uns vor, wir, die Unternehmerin, werden im Nationalratssaal detailliert nach unseren Steuerzahlungen gefragt. Wir geben mehr oder weniger bereitwillig Auskunft. Die Fragenden sind immer von der Gegenseite. Das mag Zufall sein oder nicht – es sagt auf jeden Fall viel mehr über die anderen aus als über uns, die Unternehmerin. Wir werden erst am Schluss leicht schnippisch, als wir feststellen, dass die Gegnerin ihrerseits zwar Fragen stellt, aber selbst wahrscheinlich niemals über ihre eigenen finanziellen Ausgaben berichten würde.

Der Mann, der jetzt Bundesrat ist, und, wie man salopp sagen könnte, sich in die Firma seiner Frau geschlafen hat, musste nie solche Fragen über sich ergehen lassen. Vielleicht, weil sein Vater oder auch der Schwiegervater sich nicht als Projektionsflächen eignen, um die eigenen Unzulänglichkeiten in Form eines fehlenden politischen Gegengewichts zu verdecken.

Der Föhn und der Neid sind die ältesten Bündner, sagt man. Der Föhn muss ganz viel Neid nach Bundesbern geweht haben. Anders kann man sich diese Debatte im Nationalrat über die Unternehmensbesteuerung nicht erklären.

 

(Bild: EQ Images/Monika Flückiger)

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Rachel Van der Elst

Redaktionsleiterin/Region
Rachel Van der Elst mag Buchstaben: analog, virtuell oder überall, wo Menschen sind. In einem früheren Leben arbeitete sie unter anderm bei der AP, beim Blick, bei 20Minuten, beim Tages-Anzeiger und bei der Südostschweiz. In ihrer Handtasche immer dabei: Jasskarten.