James-Bond-Manöver der Engadiner Kraftwerke

James-Bond-Manöver der Engadiner Kraftwerke

Die Stauanlage Punt dal Gall der Engadiner Kraftwerke, die das Wasser zum Kraftwerk Ova Spin oberhalb von Zernez leitet, muss saniert werden. Aus ökologischen Gründen mit einem Manöver, das an einen James-Bond-Film erinnert.

Zahlreiche Komponenten der Staumauer müssen aus Sicherheitsgründen für 25 Millionen Franken saniert werden. Der Stausee kann dabei nicht wie üblich entleert werden. «Eigentlich war dies ursprünglich geplant. Weil sich bei einer Entleerung bei uns aber die Ablagerungen bewegen, würde Schlamm auch in die Spöl fliessen. Da diese durch den Nationalpark fliesst, wäre eine Bewilligung dafür nicht möglich gewesen», so Michael Roth, Direktor der Engadiner Kraftwerke, «man hätte bei einer Entleerung einen ökologischen Schaden riskiert. Deshalb sind wir zum Schluss gekommen, einen anderen Weg zu gehen.»Stausee

Einen anderen Weg, das heisst, die französische Profi-Tauchergruppe Hydrokarst zu engagieren, die eine Dienstleistung der speziellen Art anbietet. Der Plan tönt einfach. Runtertauchen an die sanierungsbedürftigen Stellen und da eine Art Kapsel – sogenannte Abschlussdeckel – montieren. Dann nämlich kann man von der anderen, trockenen Seite der Staumauer in den etwa 6×5 Meter grossen Raum eintreten und die entsprechenden Sanierungen im Trockenen vornehmen.

Einen Monat in der Druckkammer

So genial und simpel sich das anhört, ist es aber nicht. «Wir sind schon etwas angespannt, ob es klappt», gibt Roth zu. Schliesslich finden die Installationsarbeiten in 110 Meter Tiefe statt. Und dahin kann man wegen der grossen Druckunterschiede nicht einfach runtertauchen, mehrere Stunden arbeiten und wieder raufkommen. Ein Tauchgang in dieser Tiefe erfordert eine Dekompressionszeit von jeweils fünf Tagen, in denen man in einer Druckkammer ausharren muss. Hydro

Aus diesem Grund leben die vier Taucher bis zu einem Monat am Stück in zwei Druckkammern in der Grösse einer Zisterne. «Gegessen wird auf dem Bett», sagt Roth. Die Druckkammern stehen unter einem konstanten Druck von über 10 bar, was einer Wassertiefe von über 100 Metern entspricht. Mit einer Tauchglocke erreichen die beiden eingesetzten Zweierteams jeweils im Schichtbetrieb die 110 Meter tief unter der Wasseroberfläche liegende Arbeitsstelle. Nach der Schicht werden sie von der Tauchglocke wieder in die Druckkammern gebracht und vom zweiten Team abgelöst. Erst nach Abschluss der Taucharbeiten, die im Juni und September stattfinden und nach einer Dekompressionszeit von jeweils fünf Tagen, können die Taucher die Druckkammer wieder verlassen. Saturation

«Logistisch ist das eine gewaltige Übung. Es braucht 100 Sattelschlepper Material, allein 10 fürs Gas», so Roth, «bei einer Untersättigung wird ein Sauerstoff-Helium-Gemisch benötigt, das etwa eine Million kostet.» 30 Mitarbeitende aus spezialisierten Unternehmen arbeiten bis September an der gefährlichen Installation. Ein Tag Tauchen kostet insgesamt rund 100’000 Franken.

«Sie nennen sich Astronauten»

Bleibt eigentlich nur noch die Frage, was das für Personen sind, die sich auf eine solche Arbeit spezialisiert haben? «Sie nennen sich Astronauten», verrät Roth, «so wie sie leben, ist es wie in einer Raumstation. Es sind herausragende Alleskönner, nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. Sie müssen handwerklich geschickt sein, praktisch ohne Sicht arbeiten können. Und sie sind auf sich allein gestellt.» Wird einer krank oder verletzt sich, müssen die Taucher mehr als «nur» die medizinische Grundversorgung draufhaben. «Wunden nähen, Infusionen stecken», nennt Roth Beispiele, «denn wenn ein Arzt reingehen muss, dann braucht er 5 Tage, bis er wieder raus kann.»

Und Erfahrung müssen die realen Bonds mitbringen: In der Schweiz wurde diese neue Methode von Hydrokarst schon einmal angewandt, beim etwas kleineren Projekt am Hongrin des Kraftwerks Chillon vor drei Jahren. «Dass sie Erfahrung mit Sättigaungstauch-Projekten in der Höhe mitbringen, ist sicher ein Vorteil», meint Roth.

Mitte Juni geht das gewagte 25-Millionen-Franken-Abenteuer los.

 

(Bild: EKW/Hydrokarst)

author

Mathias Braendli

Redaktor Region/Sport
Marketeer, Ex-Journalist und Football-Blogger. Sound: Adam Green, Ryder the Eagle, Bob Dylan, Helloween. TV: Better Call Saul, Game of Thrones, Sport. Buch: Fall & Rise von Mitchell Zuckoff.