Das Tauziehen in Österreich hat eben erst begonnen

Das Tauziehen in Österreich hat eben erst begonnen

Die wöchentliche Analyse zu einem internationalen Brennpunkt von Franco Membrini.

 

Nach der Auszählung der Briefwählerstimmen am Montag war es klar: Der Grüne Alexander van der Bellen gewann die Wahl zum österreichischen Staatsoberhaupt gegen FPÖ-Mann Norbert Hofer. Das politische Tauziehen zwischen den Lagern hat aber erst begonnen.

Kaum ein Wahlkampf um ein fast ausschliesslich zeremonielles Amt hat in Europa bisher so hohe Wellen geschlagen wie die letzte Bundespräsidentenwahl in Österreich. Unter den Eindrücken der Flüchtlingskrise erlebte die FPÖ einen fast kometenhaften Aufstieg und bescherte den etablierten Regierungsparteien SPÖ und ÖVP eine peinliche Schlappe, als deren Kandidaten im ersten Wahlgang rausflogen. Spätestens als Norbert Hofer, der waffentragende, stets elegante Ingenieur den zweiten Wahlgang erreichte, ging ein Aufschrei des Schreckens durch die Hauptstädte Europas. Da war doch tatsächlich dieser euroskeptische Rechtskonservative, der echte Chancen hatte, Staatsoberhaupt eines EU-Landes zu werden. Das Gefühl der Bedrohung durch die FPÖ fand seinen finalen Ausdruck in der Einmischung von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Der Luxemburger warnte vor den katastrophalen Folgen, die ein FPÖ-Bundespräsident für Europa haben könne. In dem Interview mit der französischen Zeitung Le Monde meinte Juncker weiter, er möge die FPÖ nicht und legte nach: «Die Österreicher hören das nicht gern, aber das ist mir egal».

Nun hat Alexander van der Bellen die Wahl mit knappen 50,3 Prozent gewonnen (in absoluten Zahlen hatte Bellen gerade einmal 31’000 Stimmen Vorsprung). Dem von den Grünen unterstützten Kandidaten gelang damit eine glanzvolle Aufholjagd, war er doch im ersten Wahlgang noch mit 21 zu 35 Prozent Hofer unterlegen. In Brüssel, Paris und Berlin sorgte der 72-Jährige mit seinem Sieg für Glücksmomente der Erleichterung. Die Befürchtungen, dass ein FPÖ-Präsident den Weg für einen europaskeptischen Kanzler ebnen könnte, verflüchtigten sich.

Der Kampf um das wichtigere Kanzleramt hat aber erst begonnen. Bereits jetzt schielt die FPÖ zuversichtlich auf die Wahlen 2018, bei denen sie eine komfortable Ausgangsposition haben dürfte. In Umfragen ist sie heute stärkste Partei Österreichs, weit vor den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP und vor den Grünen sowieso. Dem erst kürzlich vereidigten SPÖ-Kanzler Kern wird die FPÖ in seiner Legislatur wohl einiges Kopfzerbrechen bereiten. Und obwohl es 2016 nicht zu einem Bundespräsidenten Hofer kam, ist ein Bundeskanzler Strache 2018 auf keinen Fall auszuschliessen.

 

(Bild: Wikipedia)

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Franco Membrini

Kolumnist
Hat an der University of Edinburgh seinen «Master of Science in History» absolviert. Zuvor studierte der Churer Geschichte, Betriebsökonomie und Staatsrecht an den Universitäten Bern und Bologna.