Die Schlappe des Jahrtausends oder so

Die Schlappe des Jahrtausends oder so

Der HCD verliert am Samstag 1:8 gegen den HC Lausanne. Es ist die höchste Niederlage der Landwassertaler seit 1998.

«Was soll ich sagen? Ein Haufen ist schief gelaufen. Zu erst einmal haben wir einen schlechten Abend eingezogen. Dann haben wir hinten leichte Tore erhalten und vorne keine gemacht», resümiert Arno Del Curto die Partie relativ trocken im Interview mit dem Radio Südostschweiz.

Es gibt solche Abende. Sie sind selten, und bei erfolgreichen Teams wie dem HCD noch seltener. Aber jedes Team hat irgendwann mal diese Konstellation. Diese Abende, wo der Goalie schlecht aussieht, während gleichzeitig vorne die Scheibe nicht rein will, und alles Pech der Welt im ungünstigsten Moment zusammenkommt.

Der Head Coach des HCD macht keinen Hehl um die Schwinte und gibt klare Antworten: «Wir haben alles versucht, und bis zur Spielhälfte wirklich Gas gegeben, die Scheibe wollte einfach nicht rein. Schlussendlich fehlte die Demut, auch nach der Umstellung auf fünf Flügelpaare.»

(Eine interessante Taktik von ADC, die schon einige Male aufging. Das Umstellen auf fünf Flügelpaare mit rotierenden Centern beschleunigt das HCD-Spiel, denn die Flügelzangen können konstant aufs Tempo drücken. Man kann sich nur zu gut erinnern, als diese Taktik im Final 2011 gegen Kloten die Serie bestimmte und Davos den 29. Titel brachte.)

Auch gegen Lausanne brachte die Umstellung die (kurzfristig) gewünschte Wirkung: Davos drückte aufs Tempo und kam zu guten Chancen. Aber eben: Die Scheibe wollte einfach nicht rein. Nichts klappte.

Der HCD-Twitter-Account brachte es auf den Punkt:

Abhacken. Richtig gelesen. Dieser freudsche Versprecher könnte nicht treffender sein. Ein solches Spiel gehört nicht abgehakt. Ein solches Spiel gehört abgehackt, zerstückelt, im Drechsler zerkleinert, kremiert und in zwei Meter Tiefe begraben.

Es ist die höchste Niederlage des HCD in diesem Jahrtausend. Das liest sich derart skandalös und weckt die Kritiker. Das letzte Mal, als der HCD mit mehr als sechs Toren Unterschied verlor, hatte die Diskussion um den Millenium Bug und das Y2K Problem noch nicht begonnen. Es wurde noch mit D-Mark bezahlt und die EU stimmte erst ab, den Euro einzuführen. Einzig die amerikanischen Präsidenten-Geschichten sind die gleichen – auch damals war Clinton wegen seinen Affären in den Medien…

Ok, genug der platten Vergleiche. Kurz: Es ist sehr lange her.

Damals, Ende 1998, verlor der HCD zu Hause gegen den HC Lugano mit 1:9. Damals war Davos unter dem Namen ‚die jungen Wilden’ bekannt. Die Spieler, die damals gegen die erfahrenen Tessiner untergingen: Mark Streit, Marc Gianola, Jan von Arx, Sandro Rizzi, Ivo Rüthemann, Reto von Arx, Michel Riesen. Also, keine Panik, wenn jemand behauptet: «Wer so verliert, ist einfach nicht gut».

Es gibt Abende, da will einfach nichts klappen. Jedes Team kann mal eine solche Schlappe einfahren: Zug verlor 2008 gegen Lugano mit 1:8, die ZSC Lions verloren 2012 gegen Biel mit 0:7, der SCB verlor letzte Saison gegen Davos mit 0:7, und Genf-Servette verlor 2014 gegen die ZSC Lions mit 0:7. Fakt ist, dass Davos überfällig war für ein solches Resultat: Als einziges NLA-Team blieb es seit der Jahrtausend-Grenze unter der 7-Tore-Differenz-Marke.

Die Kanterniederlagen der obengenannten Teams hatten am Ende der Saison übrigens keinen Einfluss: Zug, Genf und die ZSC Lions stiessen bis ins Halbfinale vor, und Bern wurde letzte Saison bekanntermassen Meister. Also, keine Panik, wenn jemand behauptet: «Wer so verliert, hat ein echtes Problem».

Arno Del Curto regt sich dann auch mehr über die gesuchte Dramatik nach dem Spiel auf statt über die Leistung der Landwassertaler: «Ich hätte Senn eine Pause geben sollen. Ich hab auf Risiko gespielt und hab verloren. Ich nehm’s auf meine Kappe, ab und zu riskiert man und gewinnt, ab und zu verliert man. Basta.»

Der Trainer nimmt die Schuld auf sich, und das ist eine seiner grossen Stärken. ADC weiss, wann er sein Team (bzw. seine Goalies) in Schutz nehmen muss, und wann er sein Risiko eingestehen kann.

Es ist erwiesen, dass es für Goalies enorm schwierig ist, sogenannte Back-to-Backs (zwei Spiele innert 24 Stunden) erfolgreich zu gestalten:

Spiele Saves Schüsse Save-%
Müder Goalie 97 2340 2624 .892
Frischer Goalie 106 2719 2982 .912

Über eine Dauer von 400 Back-to-Back-NHL-Spielen wurden Goalie-Tandems verglichen, und die Resultate sprechen für sich. Müde Goalies, die bei Back-to-Backs beide Spiele ins Tor müssen, haben eine klar schlechtere Fangquote (unter 90%) als ‚frische’ Ersatz-Goalies (91.2%).

Wieso also diese Diskrepanzen, wenn ein Goalie zwei Spiele nacheinander spielen muss? Der Grund ist einfach: Die mentale Belastung ist für einen Goalie um einiges höher als für einen Spieler. Dementsprechend ist es für einen Torhüter schwieriger, zweimal innert 24 Stunden eine Top-Leistung abzurufen.

Arno Del Curto bestätigt dies: «Es ist für einen (jungen) Goalie extrem schwer, zwei Partien innert einem Tag zu absolvieren. Ich habe gepokert und es ging nicht auf. Und mit dieser Entscheidung hab ich es natürlich auch für Van Pottelberghe schwierig gemacht, der nach einer Viertelstunde kalt reinmusste.»

Der Grund für die Kanterniederlage liegt sowieso nicht nur bei den Goalies. Zugegeben: Die Fangquoten von 80.7% und 66.7% sind unterirdisch. Aber man muss auch den Sturm kritisieren. Ein Tor aus 21 Schüssen ist zu wenig. Und der Einbruch im Mitteldrittel ist unerklärlich. Das Powerplay blieb ohne Erfolg, und das Boxplay war für einmal löchrig. Es lag also keineswegs ‚nur’ an den Goalies. Es lag an praktisch allem.

Davos hat nun die Schlappe des Jahrtausend eingefangen. Eine Demütigung. So what. Die Chancen auf einen solchen Abend bewegen sich im Promille-Bereich. Aber jedes Team kann mal einen solchen Abend haben, und jetzt hat es halt den HCD getroffen.

Arno Del Curto beendet die Journalisten-Fragen auf seine Art: «Erster Schuss Tor, zweiter Schuss Tor, vorne kein Glück. Basta. Was wollt ihr noch hören, habt ihr ein Whiskey vor dem Spiel getrunken?»

Und wer auch ohne die genannten Argumente Optimist ist, weiss, dass die Geschichte zu heiss gekocht wird: Das ist nicht das erste Mal in diesem Jahrtausend, dass der HCD mit sieben Toren Unterschied verlor. Am 28. September 2009 wurde Davos 2:9 überfahren. Im Victoria Cup von den Chicago Blackhawks. (Und nein, Lausanne ist nicht so gut wie ein NHL-Team).

Wenn sich solche Resultate häufen, kann die Diskussion über eine Krise geführt werden. Bis dahin heisst es aber: Keine Panik und die Partie abhacken. Historisches Resultat hin oder her.

Die höchsten HCD-Niederlagen seit der Jahrtausendwende:

15.10.2016 Lausanne – Davos 8:1
28.9.2009 Davos – Chicago Blackhawks 2:9
11.04.2006 Davos – Lugano 2:8
25.10.2003 Lugano – Davos 9:3

 

Weitere Fakten und Analysen zum HCD-Wochenende gibts auch hier.

 

(Bild: Stats: hockeyfans, SIHF, NHL)

author

Richi Brändli

Redaktor Eishockey
Ehemaliger Kolumnist bei GRHockey, Plausch-Spieler und Fan von regionalem bis internationalem Eishockey.