GRHeute-Kommentar zum sportlichen Krebsgang des FC St. Gallen

GRHeute-Kommentar zum sportlichen Krebsgang des FC St. Gallen

Juerg Kurath
19.10.2016

Der FC St. Gallen 1879 ist das sportliche Aushängeschild des Ostschweizer Fussballs. Er wurde am 19. April 1879 gegründet und ist der älteste noch bestehende Fussballverein in der Schweiz und des europäischen Festlandes. In der Saison 1999/2000 holte sich der damals von Experten als Abstiegskandidat bezeichnete Club überraschend den zweiten Schweizer Meistertitel.

Derzeit kommen die St. Galler allerdings nicht vom Fleck und die sportliche Bilanz spricht Bände: Die Grün-Weissen liegen in der Meisterschaft punktgleich mit dem Schlusslicht FC Thun mit zehn Punkten aus elf Partien und dem Torverhältnis von 11:18 auf dem vorletzten Tabellenplatz. Wenn die Talfahrt so weitergeht, ist Ende Saison der Sturz in die Challenge League kein unrealistisches Schreckensszenario mehr.

Der FC St. Gallen 1879 steht vor einer wegweisenden Woche. Am kommenden Sonntag muss er in der Meisterschaft auswärts in der Swisspoarena gegen den FC Luzern antreten, am Donnerstag darauf im Achtelfinal des Schweizer Cups auf dem Letzigrund gegen den FC Zürich und dann am übernächsten Sonntag wieder in der Meisterschaft zuhause im Kybunpark gegen den sportlich und finanziell arg gebeutelten und ums Überleben kämpfenden FC Thun.

Die aktuellen Probleme, das heisst, der unübersehbare sportliche Niedergang der St. Galler hatte sich bereits in der letzten Saison angekündigt, als sie die Meisterschaft nach einer ganzen Reihe von unbefriedigenden Leistungen auf dem siebten Platz beendeten. Weil das damalige Kader dem seit dem 16. September 2015 im Amt stehenden ehemaligen HSV-Trainer Josef «Joe» Zinnbauer nicht gepasst hatte, wurden auf diese Saison hin acht Spieler aussortiert und neun neu verpflichtet und in die Mannschaft eingebaut. Wie die wiederholt enttäuschenden und erfolglosen Auftritte der Grün-Weissen aber klar aufzeigen, hatte diese Massnahme kaum einen positiven Einfluss auf die Leistungen des FC St. Gallen. Während die Defensive mit achtzehn Gegentoren wenigstens noch einigermassen genügt, weist die Offensive mit nur gerade elf Treffern die schlechteste Bilanz aller Super League-Clubs auf.

Woran liegt’s? An den Zuschauern sicher nicht, denn die Fans kommen immer noch in Scharen zu den Heimspielen im 19’568 Zuschauern fassenden Multifunktionsstadion und unterstützen jeweils ihre Mannschaft lautstark. Nicht die erhofften positiven Auswirkungen zu haben scheint allerdings das vom FC St. Gallen ins Leben gerufene Nachwuchsprojekt «Future Champs Ostschweiz», das die Förderung junger Fussballtalente in der Region zum Ziel hat. So spielt das Nachwuchsteam FC St. Gallen II in dieser Saison nach dem Abstieg aus der Promotion League nur noch in der 1. Liga Classic. Auffallend ist auch, dass in den letzten Jahren kaum Spieler aus dem eigenen Nachwuchs den Sprung ins Fanionteam geschafft haben.

Als Antwort auf die aufkeimende Unzufriedenheit der Fans äusserte Vereinspräsident Dölf Früh vor einiger Zeit die Meinung, dass Sportdirektor Christian Stübi und die anderen Verantwortlichen die Probleme schon im Griff hätten und wüssten, was sie in dieser Situation zu tun hätten, wenn man sie nur in Ruhe arbeiten liesse. Der momentane sportliche Misserfolg gibt ihm aber nicht recht und auch GR Heute fragt sich, wie lange er wohl noch an einem Trainer festhalten kann, dessen Arbeit er immer über alle Massen gelobt hat, dem aber für einen Verbleib beim FC St. Gallen zweifellos das wichtigste Argument fehlt, nämlich der Erfolg. Und Hoffnungsträger Tranquillo Barnetta wird es nach seiner Rückkehr aus Philadelphia anfangs 2017 auch nicht allein richten können.

 

(Bilder: Facebook FC St. Gallen)

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Juerg Kurath

Redaktor Sport
Langjähriger Berichterstatter des Bündner Sports, der BZ und der SO. Aktiver, Trainer und Funktionär in Leichtathletik, Triathlon, Biken, Volleyball, Fussball, Korbball, Handball, Casting und Bob.