Kaum ist Donald Trump neuer US-Präsident – schon hat das grosse Jammern in den Medien begonnen. Die Empörung ist (wieder) gross, die Amerikaner werden (wieder) als ungebildete Hinterwäldler abgestempelt, und die Welt ist auf einen Schlag (wieder) sehr gefährlich geworden. Dieser Mechanismus wiederholt sich in regelmässigen Abständen. Ob Masseneinwanderungsinitiative oder Brexit, die Gewinner der (notabene demokratischen) Abstimmungen wurden von «schlauen» Kommentatoren rund um den Globus als dumm abgekanzelt, die Resultate selbstherrlich als objektiver Fehler deklariert.

Vielleicht sollten diese selbsternannten Moralhüter mal in den Spiegel schauen. Da würden sie nämlich sehen, dass nicht die Andersdenkenden beschränkt sind, sondern dass sie selbst fernab von der Realität Meinungen aus einem Elfenbeinturm heraus machen. Die Rechte nennt das akademische Weltfremdheit, Macht des Establishment, und dies meist zurecht. Diese Journis sind dermassen in ihrer politischen Ideologie gefangen, dass sie nicht einmal mehr merken, dass sie wie verzweifelt schluchzende Kinder wirken, denen man das Smartphone weggenommen hat. Sie sehen nur ihre eigene Wahrheit, ihre eigene Perspektive. Sie können gar nicht anders, die nötige kritische Selbstreflexion hat sich durch ihre «Macht», einseitig ihre Meinungen unter die Leute zu bringen, in Luft aufgelöst. Dass es auch andere, vielleicht auch grössere, Wahrheiten gibt, die erst Erwachsene verstehen, über diesen Horizont können sie nicht hinaus blicken. Diese Kommentatoren wären eigentlich besser Politiker geworden, aber dafür fehlt den meisten der Schneid. Und darum zetern sie halt in ihren Leitartikeln weiter, strampeln und toben über den dummen Pöbel. Unverständnis, Empörung, Ratlosigkeit. Offenbar lauern in ihrer Weltsicht in jeder Ecke kleine Hitler.

Ironischerweise sind das genau diejenigen, die gebetsmühlenartig Anstand, Respekt vor anderen Meinungen und Demokratieverständnis für sich in Anspruch nehmen. Wenn sie auf der Verliererseite stehen, mutieren sie zu intoleranten und engstirnigen Trötzelern.

Trumps Sieg ist auch ein Sieg über das Establishment, was auch immer das ist. Gemäss Wikipedia heisst Establishment «eine wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich einflussreiche Milieugruppierung oder Klasse, eine etablierte Elite.» Parteipolitisch lässt sich dieses nicht zuordnen. Einige meinen, dass es das gar nicht gebe, weil es nicht fassbar sei. Aber gibt es das «Establishment» tatsächlich nicht? Gibt es nicht die demokratische politische US-Elite, die monatelang versuchte, die E-Mail-Affäre ihrer Präsidentschaftskandidatin runterzuspielen (derweil ‚kleine‘ Soldaten für weit geringere Vergehen ins Gefängnis geschickt wurden)? Oder gibt es nicht die von Deutschland dominierte EU, die ihren Mitgliedstaaten eine Flüchtlingspolitik nach dem Gusto ihrer Chefin aufzwingen will? Oder eine Masseneinwanderung in der Schweiz, die die Bevölkerung ängstigt und deren Sorgen bei jeder Gelegenheit in den Medien lächerlich gemacht werden? Die Existenz des Establishment sieht man überall. In der Schweiz kämpft die Linke zurzeit gegen das «Atom-Establishment».  Und bald kommt es zur Billag-Abstimmung, bei der die SVP gegen das «SRF-Establishment» rund um die CVP ankämpft. Offenbar leben wir in einer Zeit, in der alte Zöpfe abgeschnitten werden.

Verschwörungstheorien? Na klar. Für viele «Gutmenschen» sind die Andersdenkenden per se die Bösen. Da schreiben sie die genau gleiche Schwarz-Weiss-Geschichte wie jene, denen sie dies vorwerfen. Vielleicht sind die Bösen aber gar nicht böse, sondern einfach keine blökenden Schafe.

 (Bild: Screencast)
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Mathias Braendli

Redaktor Region/Sport
Marketeer, Ex-Journalist und Football-Blogger. Sound: Adam Green, Ryder the Eagle, Bob Dylan, Helloween. TV: Better Call Saul, Game of Thrones, Sport. Buch: Fall & Rise von Mitchell Zuckoff.