Grossbritannien zeigt sich selbstbewusst

Grossbritannien zeigt sich selbstbewusst

Die britische Premierministerin Theresa May kündigte in ihrer Brexit-Rede vom Dienstag den Austritt Grossbritanniens aus dem europäischen Binnenmarkt an. Das selbstbewusste Auftreten der Briten wird ihnen in den bevorstehenden Verhandlungen mit der EU gute Dienste leisten.

Eigentlich war seit dem Referendum vom vergangenen Juni nicht viel bis gar nichts über die konkreten Vorstellungen der Briten bekannt. Die Unsicherheiten wirkten sich nicht nur auf die politischen Beziehungen zwischen Europäischer Union und Königreich aus, sondern versetzten auch die Finanzmärkte in Aufruhr. In vielen Hauptstädten Europas wurde seit Juni gerätselt, ob Grossbritannien schlussendlich überhaupt aus der Union ausscheiden wird, schliesslich war der Charakter des Referendums nicht bindend. Am Dienstag fanden die Unsicherheiten bezüglich der britischen Position aber ein Ende, als Premierministerin May erstmals konkrete Schritte in Richtung Austritt nannte. Das Vereinigte Königreich wird sowohl den europäischen Binnenmarkt wie auch die Zollunion verlassen, und wird daher in der Lage sein, eigene Freihandelsabkommen auszuhandeln. Im Interview mit der Times betonte Donald Trump bereits sein Interesse an einem solchen Abkommen mit den Briten und seine Absicht, den Brexit so zu einem Erfolg werden zu lassen. Doch damit es soweit kommt müssen die Briten erst einmal Artikel 50 der Lissabonner Verträge auslösen, das heisst, die Austrittsverhandlungen mit der Union offiziell in Gang setzen. Diesen Schritt plant May für nächsten März ein.

Geht es nach dem Wunsch der britischen Regierung sollen die Verhandlungen zügig über die Bühne gehen und keine „grenzenlose Übergangsphase“ auslösen. In den Verhandlungen will May zwischen dem Königreich und der EU ein Freihandelsabkommen erreichen um die wichtigsten Industrien des Landes, den Finanzsektor und die Autoindustrie, weiterhin am EU-Markt teilhaben zu lassen. Was an Rosinenpickerei erinnern mag, kann aber durchaus auch für die Union attraktiv sein. Denn im Gegenzug für ein Freihandelsabkommen will Grossbritannien weiterhin mit der EU in Sachen Sicherheit und Kampf gegen den Terror zusammenarbeiten. Sollte ein Abkommen im Sinne des Königreiches aber nicht zustande kommen versicherte May, Grossbritannien werde die Union auch verlassen, wenn sich diese nicht zur Kooperation bereiterklärt. „No deal is better than a bad deal“, erklärte die Premierministerin.

Diese Aussichten bedeuten für die britische Wirtschaft nur bedingt gute Nachrichten. Hatten viele Exponenten der Londoner City noch auf einen Verbleib der Briten im Binnenmarkt gehofft, ist nun klar, dass May keine halben Sachen macht und die „harte“ Brexit-Variante umsetzt, sollte es nötig werden. Trotzdem reagierten die Märkte nach der Rede positiv auf diese ersten konkreten Ankündigungen: Das Pfund wie auch der Euro stiegen im Vergleich zum Dollar, das Pfund sogar auf ein halbjährliches Rekordhoch. Unternehmen mit Sitz in Grossbritannien können nun erstmals seit Juni ihre Zukunft im Königreich besser einschätzen, in einigen Fällen werden Wegzüge aber nicht verhinderbar sein. Und dennoch: Mit den klaren Ankündigungen der Premierministerin versetzen sich die Briten in eine vielversprechende Verhandlungsposition. In Brüssel dürfte nun nämlich klar geworden sein, dass Brexit wirklich Brexit bedeutet. Und dieser Brexit wird so oder so zu den Konditionen der Briten vollzogen, ob Brüssel einverstanden ist oder nicht.

 Die wichtigsten Punkte von Theresa Mays „Brexit-Speech“

-Grossbritannien wird den Binnenmarkt sowie die Zollunion der EU verlassen

-Die Übereinkunft mit der Union wird beiden Häusern des Parlaments zur Abstimmung vorgelegt werden

-Sollte kein Abkommen mit der Union erreicht werden, verlassen die Briten die Union auch ohne Freihandelsabkommen

-May warnte die EU-Mitgliedstaaten, ein „strafendes“ Abkommen wäre für ganz Europa „katastrophal“

-Grossbritannien wird nach dem Brexit wieder Einwanderungskontrollen für EU-Bürger einführen, für in Grossbritannien sesshafte EU-Bürger wird es keine unilateralen Garantien geben

 

Bild: EQImages/Stocki

author

Franco Membrini

Kolumnist
Hat an der University of Edinburgh seinen «Master of Science in History» absolviert. Zuvor studierte der Churer Geschichte, Betriebsökonomie und Staatsrecht an den Universitäten Bern und Bologna.