Transparenz – beim Stadtclub ein Fremdwort

Transparenz – beim Stadtclub ein Fremdwort

Gastkommentar
07.04.2017

Chur 97 kommt nicht zur Ruhe. Nach dem Knall in der Winterpause, der mit dem Rücktritt von Cheftrainer Thomas Waser, Assistenztrainer Christian Rauch und Goalietrainer Romano Cabalzar geendet hat, gährt es beim Stadtclub munter weiter. Die erste Mannschaft befindet sich sportlich auf Talfahrt und die Verantwortlichen üben sich bereits in Durchhalteparolen. Man will aber weder die Medien noch die Öffentlichkeit über die Hintergründe informieren, sondern einfach nach vorne schauen, die Entscheidungen aussitzen und zur Tagesordnung übergehen. Grund genug, neugierig hinter die Kulissen zu blicken und die Ohren zu spitzen.

Zuerst ein kurzer Blick zurück. Mit dem im Dezember zurückgetretenen Thomas Waser als Trainer ist Chur 97 in der letzten Saison trotz den riesigen Drucks, unbedingt aufsteigen zu müssen, in die interregionale 2. Liga zurückgekehrt. Im Herbst hat dann die kaum veränderte Mannschaft, von der die Verantwortlichen einen Spitzenplatz gefordert haben, eine vorzügliche Vorrunde hingelegt und mit 23 Punkten aus 13 Spielen sowie einem Torverhältnis von 30:24 die Basis für eine erfolgreiche Saison gelegt. Zudem hat man sich im Schweizer Cup mit einem unerwarteten Sieg gegen den FC Freienbach für die 2. Hauptrunde qualifiziert. Die Churer haben in dieser Zeit spielerisch zwar nicht immer brilliert. Aber die Handschrift des Trainers war klar zu erkennen, denn die Spieler kämpften mit grossen Einsatz, verhielten sich diszipliniert und traten geschlossen als Mannschaft auf.

Unter dem neuen Trainer Jouke Faber, der sich kürzlich in einer Tageszeitung gegenüber seinem Vorgänger bös daneben benommen und übel nachgetreten hat, ist Chur 97 gegen einen äusserst bescheidenen SC Schöftland mit 0:2-Toren ausgeschieden. Auch in der Meisterschaft machte die Mannschaft bisher keine gute Figur und hat bei einem Torverhältnis von 0:8 noch keinen einzigen Punkt geholt. Dafür haben die Churer in diesen 4 Partien 16 überwiegend unnötige gelbe Karten gesammelt, sodass immer wieder Spieler gelbgesperrt fehlen und das ausgedünnte Kader weiter schwächen. Plötzlich wird jetzt auch nicht mehr von einem Spitzenplatz gesprochen, sondern nur der Ligaerhalt soll es wenigstens noch sein. Warum auf einmal dieses Zurückbuchstabieren?

Die Mannschaft wirkt völlig verunsichert und verhält sich sehr undiszipliniert. Das verwundert aber überhaupt nicht, wenn man den neuen, an der Seitenlinie herumhüpfenden und gestikulierenden Trainer beobachtet, der lautstark fast jeden Schiedsrichterentscheid kritisiert und meint, er müsse jede misslungene Aktion seiner Akteure während des Spiels korrigieren. Jouke Faber widerspricht sich damit selbst, nachdem er seinem Vorgänger öffentlich vorgeworfen hat, den Spielern zu viele Vorgaben mit auf den Platz gegeben zu haben. Was er als Coach abliefert, ist peinlich und absolut kontraproduktiv. Aber der Vorstand von Chur 97 ist nach eigenen Aussagen begeistert von seiner Arbeit. War es bei Michael Kopf, kurzzeitig Trainer beim Stadtclub, anfangs nicht auch so?

Natürlich ist es riesiges Pech, dass sich die Galionsfigur Cyril Joos derart schwer verletzt hat, dass man ihn kaum mehr auf einem Fussballplatz spielen sehen wird. Der Abgang von Torgarant Nicolò Pola ist zweifellos eine grosse Hypothek, während Dukagjin Kameri kaum vermisst wird, zumal er in der Vorrunde keine dicken Stricke zerrissen hat. Nach dem doch eher unrühmlichen Abgang von Matej Schwendt fehlt jetzt den Churern aber ein nomineller Mittelstürmer. Zudem ist der 40-jährige Pavel Pergl bisher den Beweis schuldig geblieben, der Transfer-Coup zu sein, als der angekündigt worden ist. Bis anhin ist er vor allem durch das Kassieren von gelben Karten negativ aufgefallen. Und wo sind eigentlich die talentierten Nachwuchsspieler Obren Dragic, Samir Limani, Gian-Luca Fahling und Giacomo Savioni geblieben?

Mitten in diese sportliche Krise hineingeplatzt ist nun die Meldung vom baldigen Rücktritt von Rolf Montalta, dem Sportchef von Chur 97. Dies, nachdem sich die ganze Führungscrew an der letzten GV in corpore für 2 Jahre hat wählen lassen, um mehr Planungssicherheit und auch mehr Zeit für die Nachfolgeregelung zu erlangen. Wann dieser Rücktrittsentscheid fiel, ist unklar, weil dazu ganz unterschiedliche Aussagen gemacht werden. Wusste die Vereinsführung aber schon davon, bevor Thomas Waser nach ständigen Querelen mit dem Sportchef den Bettel hingeschmissen hat? Was für Gründe waren ausschlaggebend, dass Rolf Montalta den Posten freigibt und das unzeitgemäss verkündet hat. Hat er vielleicht seinen ehemaligen Trainer vermisst, der ihm seinerzeit einen nicht unwesentlichen Teil der Arbeit (Spielerverpfichtungen, Trainingsspiele etc.) abgenommen hat?

Diese und noch mehr Fragen suchen nach einer Antwort, denn die Vereinsführung hat es einmal mehr verpasst, rechtzeitig und umfassend zu kommunizieren. Auf Anfrage äusserte sich Präsident Josef Müller, dass man die Aufbauarbeit weiter betreibe und dass man auf dem richtigen Weg sei. Ist Chur 97 das wirklich, zumal das Fanionteam momentan mehr an einen Trümmerhaufen erinnert und auch sonst nicht alles rund läuft? Es ist erschreckend, wie schnell die Leistungskultur verloren gegangen ist, nachdem man die Crew von Thomas Waser hinausgeekelt hat. Der Sport wird aber die richtigen Antworten bereithalten und diese dann der Öffentlichkeit in Form von Leistungen und Resultaten präsentieren.

Der Stadtclub liegt in der Rückrundentabelle vor dem Auswärtsspiel vom nächsten Sonntag in Rüti hinter den Zürcher Oberländern auf dem letzten Platz, sodass es eigentlich fast nur noch aufwärts gehen kann. Lassen wir uns überraschen!

 

(Autor: Jürg Kurath, Bild: GRHeute)