So viel ist Nino Niederreiter wert – die Analyse

Während die Schweizer Nati in Paris um den WM Titel spielt, sitzt Nino Niederreiter am Verhandlungstisch. Ninos vierte Saison bei den Minnesota Wild war ein persönlicher Voll-Erfolg. Wie geht es nun weiter?

Auch wenn das Team aus dem Norden der USA viel zu früh aus den Playoffs ausschied und die Enttäuschung der Fans entsprechend gross ist, so kann El Nino trotzdem auf seine erfolgreichste Saison in seiner Karriere zurückblicken. Nun steht der grosse Verhandlungs-Sommer vor der Türe. Fünf Fragen zur Zukunft des besten Bündner Eishockey-Spielers:

1. Wie verlief die Saison für Nino?

Nino spielte im wichtigsten Jahr seine beste Saison. Der Churer Stürmer stand in einem Vertragsjahr und musste sein bestes Hockey zeigen, um sich für eine Verlängerung aufzudrängen. Und das tat Niederreiter mit Bravour. Dank dem neuen Coach Bruce Boudreau erhielt El Nino mehr Eiszeit, unter anderem auch im Powerplay. Das Resultat: Zum ersten Mal schaffte er es, die 50-Punkte-Grenze zu knacken. Dabei schoss der Churer zum zweiten Mal hintereinander mehr als 20 Tore und war durchs Band eine Bereicherung für das Team. Der kraftvolle Flügelspieler überzeugte in allen Situationen und war am Ende der Saison mit 25 Toren und 32 Assists teamintern der viertbeste Skorer, bei numerischem Gleichstand (sprich ohne Powerplay) sogar der zweitbeste Skorer.

Minnesota war wegen Niederreiter so gut: Der Bündner war der dominanteste Spieler der Minnesota Wild und sorgte für die meisten Torschüsse. Wenn Nino auf dem Eis stand, dann hatte Minnesota 8.05% mehr Chancen zu verzeichnen und 6.34% mehr Tore erzielt als der Gegner. Kein anderer Mitspieler hatte solche Werte.

 

Player Rel.CF% Rel.GF%
1 NINO.NIEDERREITER 8.05 6.34
2 JASON.POMINVILLE 6.2 -6.01
3 ERIC.STAAL 2.99 -2.23
4 ERIK.HAULA 2.61 -2.24
5 CHARLIE.COYLE 1.14 -2.32
6 JASON.ZUCKER 1.04 16.54
7 MIKKO.KOIVU 0.32 6.01
8 ZACH.PARISE -0.71 -7.4
9 MIKAEL.GRANLUND -0.96 3.7
10 TYLER.GRAOVAC -10.45 9.37

 

Das zeichnet sich auch in der WoWy Statistik aus. WoWy zeigt auf, wie ein Spieler X mit oder ohne Spieler Y auf dem Eis reüssiert. Die Grafik zeigt eindrücklich auf: Kann ein Minnesota Wild Spieler mit Nino auf dem Eis stehen (Spielernummer in schwarzen Kasten) werden seine Werte automatisch besser (oben rechts). Er lässt weniger gegnerische Chancen zu, und generiert selber mehr offensive Chancen. Ohne Nino (rote Kasten) fällt jeder Spieler der Wild zurück nach unten links, dh. der Gegner hat plötzlich mehr Chancen, Minnesota weniger. Nino wiederum weist auch ohne seine Mitspieler die gleich dominanten Werte auf (blaue Kasten) – ein Indiz, dass er seine Mitspieler besser macht, und nicht umgekehrt.

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Nino war statistisch gesehen Minnesotas bester Spieler, keine Frage.

Aber nicht nur teamintern überzeugte Nino. Ohne Übertreibung und ohne Sympathie-Bonus: Niederreiter gehört zu den besten Stürmern in der gesamten Liga. Von über 500 Stürmern in der gesamten NHL haben nur gerade zwei (!) Spieler bessere relative Corsi-Werte als der Churer (Corsi misst die Differenz aller erzielten und zugelassenen Schüsse, die ein Team mit einem Spieler generiert. Corsi gilt in NHL-Kreisen als die aussagekräftigste Statistik). Noch eindrücklicher ist, wenn man die Statistik auf 2015/16 ausweitet. Über 900 Datensätze und Nino belegt mit den letzten beiden Saisons die Ränge 1 und 5 sämtlicher NHL-Spieler. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen. Es gibt in der gesamten NHL über 500 Stürmer, die ihr Team mehr oder weniger besser machen. Nur zwei haben es zwei Saisons hintereinander in die Top 5 der Liga geschafft. Einer davon ist Nino Niederreiter.

 

Player Season Team Rel.CF%
1 NINO.NIEDERREITER 20152016 MIN 9.02
2 PATRICE.BERGERON 20162017 BOS 8.94
3 PATRICE.BERGERON 20152016 BOS 8.41
4 BLAKE.WHEELER 20162017 WPG 8.13
5 NINO.NIEDERREITER 20162017 MIN 8.05
6 CHRIS.KREIDER 20162017 NYR 8.04
7 BRAD.MARCHAND 20152016 BOS 7.99
8 BRAD.MARCHAND 20162017 BOS 7.99
9 MARK.STONE 20162017 OTT 7.84
10 DERICK.BRASSARD 20162017 OTT 7.77

2. Wo hat Nino noch Potential?

Niederreiters Trefferquote liegt seit drei Jahren zwischen 11% und 12%, das ist ein guter Durchschnitt. Er verhilft seinem Team zu mehr Chancen als alle anderen Spieler. Er sorgt für mehr Torschüsse als der Gegner, holt mehr Strafen raus als er verursacht. Und er bucht über 20 Tore und über 50 Punkte. Das sind alles starke Werte, und es ist schwierig, den Churer zu kritisieren.

Sein General Manager weiss das, hält den Ball aber flach. Im Wohlwissen, dass die Vertragsverhandlungen in diesem Sommer schwierig werden, denn Nino hat nun alle Argumente, um richtig viel Asche zu verlangen. General Manager Chuck Fletcher beschreibt den Churer als typischen Goalscorer im Interview nach den Playoffs:

“And Nino, goal scorers are goal scorers. He’s been streaky before. He’ll be streaky again. He gets hot. He gets cold. I don’t know that he’s that much different than a lot of goal scorers.“

 

Und diese Kritik ist legitim: Nino hatte immer wieder Phasen, in denen es ihm punktemässig nicht lief und er während mehreren Spielen keine Punkte sammeln konnte. Aber das ist Kritik auf absolut hohem Niveau und reine Verhandlungstaktik von GM Fletcher, denn diese Realität trifft auf viele Topskorer zu.

 

3. Was passiert in den nächsten Wochen?

Nino und die Minnesota Wild sind zur Zeit in der Offseason, die Planung für die nächste Saison ist im vollen Gange: Am 1. Juli beginnt die Free Agency, dann läuft Ninos jetziger Vertrag aus. Da Niederreiter aber ein Restricted Free Agent ist, kann Minnesota mit der Verlängerung auch noch warten. Hier gibt es zwei Szenarien:

Szenario 1 ist der wahrscheinliche Fall: Minnesota lässt es nicht drauf ankommen und macht Nino entweder noch vor dem 1. Juli oder sonst im Sommer ein Angebot für eine Vertragsverlängerung, die der Churer annehmen wird.

Szenario 2 ist extrem unwahrscheinlich: Ninos Vertrag läuft am 1. Juli aus, und ein anderes Team macht dem Churer ein Angebot (ein sogenanntes Offer Sheet – eine Offerte sozusagen). Da Nino «restricted» ist, heisst das, dass Minnesota die Rechte an ihm besitzt, und eine Woche Zeit hat, das gleiche Angebot zu machen. Nino muss dann bei Minnesota bleiben. Dieser Fall ist unwahrscheinlich, weil Offer Sheets nur höchst selten gemacht werden – die Teams mit den Rechten ziehen in den allermeisten Fällen sowieso mit.

 

4. Geht Nino zu Las Vegas oder unterschreibt er bei einem anderen Team?

Nein, sicher nicht. Las Vegas wird Ende Juni von jedem NHL-Team einen Spieler nehmen können. Damit aber Teams ihre Identität wahren können, dürfen alle NHL-Teams sieben Stürmer, drei Verteidiger und einen Goalie beschützen. Diese protected players dürfen von Las Vegas nicht gewählt werden. Und Minnesota wäre dumm, Nino Niederreiter ohne irgendeine Kompensation ziehen zu lassen.

Es könnte theoretisch sein, dass Minnesota nicht das Portemonnaie für Nino öffnen will und den Stürmer noch vor dem 1. Juli zu einem anderen Team tradet. Ein solcher Tausch würde Minnesota eine satte Kompensation bringen: Draft Picks, junge Talente und gestandene Spieler könnten die Wild verlangen. Der Fall ist aber unwahrscheinlich. Minnesota hat erkannt, dass Nino Niederreiter und Mikael Granlund den Kern der neuen Generation bilden. Die Chance, dass Minnesota weniger gute Spieler als Nino in einem Tausch zurückkriegt, ist gross. Es ist unrealistisch, dass Minnesota sich von Niederreiter trennen will.

 

5. Kriegt Nino mehr als 5 Millionen pro Jahr?

Vor zwei Jahren haben wir bei GRHeute Nino regelmässig mit Spieler in ähnlichen Situation verglichen. Auch Hockeywilderness, der Fan-Blog der Minnesota Wild hat dies letzte Woche getan, und kam zu einem ähnlichen Resultat:

Brayden Schenn hat bei den Philadelphia Flyers einen Vertrag über vier Jahre à 5.25 Millionen US Dollar erhalten. Jonathan Huberdeau erhielt bei den Florida Panthers sechs Jahre à 5.9 Millionen US Dollar. Jayden Schwartz erhielt bei den St. Louis Blues fünf Jahre à 5.35 Millionen US Dollar, Chris Kreider bei den New York Rangers vier Jahre à 4.625 Millionen US Dollar.

Ninos neuer Vertrag wird irgendwo dazwischen liegen. Der Churer wird mehr als 4.5 Millionen pro Jahr erhalten, alles andere wäre eine Enttäuschung und ein schlechter Job von seinem Agenten. Nino wird aber nicht mehr als 6 Millionen pro Jahr erhalten. Ein höher dotierter Vertrag wäre eine Sensation und würde der neue Benchmark sein.

Die Dauer des Vertrages ist ebenfalls ausschlaggebend – je kürzer der Vertrag, desto höher die Summe. Niederreiter und die Wild spekulieren aber wahrscheinlich auf eine längerfristige Lösung – ein Vertrag von 4-6 Jahren à 5.2-5.5 Millionen US Dollar scheint realistisch. Damit könnte der Churer den höchst dotierten Schweizer NHL-Vertrag aller Zeiten haben.

Fazit: Vor einem Jahr spekulierte GRHeute, dass Nino eine Bomben-Saison haben könnte, wenn er mit dem neuen Coach mehr Powerplay-Zeit erhalte. Insofern sei es gut, wenn der Vertrag noch nicht vorzeitig verlängert würde. Genau diese Situation ist nun eingetroffen – und der Power Forward aus Chur kann nun einen richtigen Zapfen verlangen.

 

(Bild: NHL, Stats: corsica.hockey, NHL)

 

author

Richi Brändli

Redaktor Eishockey
Ehemaliger Kolumnist bei GRHockey, Plausch-Spieler und Fan von regionalem bis internationalem Eishockey.