Bluemoon’s Blog: Archivperlen – Das Ende der Sehnsucht Teil 13/13 (2006)

Bluemoon’s Blog: Archivperlen – Das Ende der Sehnsucht Teil 13/13 (2006)

Kürzlich durchforstete ich mein Archiv und fand darin unverwendete Perlen. Nun werde ich in unregelmässigen Abständen hier auf GRHeute, Geschichten, Gedichte und anderes Chrüsimüsi publizieren. Mit 18 schrieb ich ein Buch, druckte es als ich 20 wurde 50 Mal und wenig später verschwand es dann wieder von der Bildfläche. Nun möchte ich es euch hier nicht vorenthalten. Diese Perle hier stammt aus dem Jahre 2006. Viel Spass damit!

 

„Es wird in Zukunft nicht einfach für dich sein, aber wir werden dir ganz sicherlich den Rücken stärken!“

Naeco verstand nicht wirklich, was seine Mutter im zu sagen versuchte.

„Naeco, du musst wissen, es ist etwas wunderschöner geschehen und es zerjagt mein Herz beinahe vor Stolz auf dich.“ „Hä, was ist denn geschehen? Ich freue mich auch wahnsinnig, wieder zu Hause zu sein. Doch was macht einem so stolz? Es gibt stets nur einen Weg, wenn man das Ziel gefunden hat, nämlich den Weg retour zum Ausgangspunkt der Reise.“

„Nein, du verstehst nicht. Es ist noch was anderes. Aber komm erst mal rein, dann besprechen wir alles.“ „Ok.“

Nachher drinnen setzten sie sich an den alten Küchentisch wie zu guten alten Zeiten.

Naecos Mutter nahm plötzlich ein Buch vom Büchergestell, welches neben seinen Lieblingsbüchern von Hesse stand. Sie gab es ihm. Er las den Titel halblaut vor: „Das Ende der Sehnsucht.“

Er errötete und fand es irgendwie komisch, dass seine Mutter noch vor ihm sein eigenes Buch in den Händen gehalten hatte. Er überflog kurz sein Vorwort und einige Zeilen der ersten Kapitel.

„Schön, dass du es schon hast.“, sprach Naeco lächelnd, als er das Artwork des Buches betrachtete. Es war wirklich sehr schön geworden, genau wie er es sich gewünscht hatte. Langsam schweifte sein Blick über das Titelbild, wo noch ein Sticker drauf war auf dem

„Der Überraschungserfolg des Newcomer des Jahres“ stand. „Eben, da hast du’s.“ „Wow.“ Naeco kam nicht mehr aus dem Staunen heraus.

„Naeco, du bist in sieben Ländern auf der Bestsellerliste zuoberst. Unter anderem auch in den USA, der Schweiz und Deutschland. Jeden Tag kommen gegen die 200 Fanbriefe mit Unterschriftenwünschen und guten Wünschen für die Zukunft.

Das Buch ist nun seit fast einem Monat draussen und verkauft sich täglich mehr als 500’000 Mal weltweit. Die Zeitungen und das Fernsehen wollen Stories und Interviews über dich in Massen produzieren. Es kommen bereits Angebote in Millionenhöhe dein Buch zu verfilmen. Man spricht vom grössten und schnellsten Erfolg eines Romandebüts überhaupt. Sohn, du bist bald ein reicher Mann, wenn du mit den Leuten abrechnest. Denn du hast nicht nur irgendeine Geschichte geschrieben, du hast gleichzeitig Literaturgeschichte geschrieben. Dan Brown wird sich in die Hosen machen, wenn du einen weiteren Roman vorlegst.“

Naeco verschlug es komplett den Atem. Was war da gegangen? James musste verdammt viel getan haben und ihn über Nacht zu einem Superstar der Literaturszene gemacht haben, der lediglich ein kleines Debüt schreiben wollte.

Seine Mutter zeigte ihm die Zeitungen des letzten Monates, die die komischsten Geschichten über den einsamen Wanderpoeten ohne Gesicht erfanden. Naeco schmunzelte und freute sich der Überflieger des Monats und vielleicht sogar des Jahres zu sein.

Er schwebte auf Wolken und behielt jedoch die Realität in Blickweite. Schliesslich durfte er nun nicht den Kopf verlieren und alles Geld James überlassen. Er hätte zwar nie damit gerechnet und doch hatte er den Erfolg gut verkraftet. So, jetzt wollte er einmal sein zu Hause geniessen und mit seinen Lieben zusammen sein. Seine Mutter schätzte seinen klaren Kopf sehr, denn jeder hohe Flug kann auch einen tiefen Sturz mit sich bringen. Alle genossen den Zusammenhalt und die Einigkeit in der knappen Zeit, die ihnen nun noch mit Naeco blieb, denn alle wussten, dass nun ein enormer Druck auf ihm lastete mit Vernissagen, Presseterminen und Autogrammstunden.

Zwei Tage Pause und Einleben in die alte neue Umgebung gönnte er sich nun. Eigentlich ein wenig dumm, denn schon bald musste er sich so oder so wieder an ein neues Leben gewöhnen. Egal. Das mit James klappte bestens, denn beide Seiten verdienten an diesem Buch sich eine goldene Nase und beide waren sich einig mit der Geldaufteilung. Ende Woche würde der erste Check kommen und Naeco seiner Familie ein neues Zuhause bauen.

Jetzt konnte er also getrost auf die Presse zu gehen. Er bekam riesige Summen für ein kleines Interview, die er zum Teil spendete, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen, welches man eben hat, wenn man sehr viel Geld besitzt. Das war es, er konnte sich und seiner Familie alle Träume verwirklichen, war täglich in der Zeitung, konnte Gutes im vollem Masse tun und zudem fand er täglich mindestens zwei Stunden Zeit, um an seinem Nachfolger zu schreiben. Alles war wie er es sich erträumt hatte. Einige Monate später gab er die letzte Vernissage der „Sehnsucht- Ära.“

Da sein neues Buch „Das Tränenmeer und sie“ bereits in Produktion war, empfand er es als sinnlos, das Debüt weiter zu bewerben. Ausserdem hatte das Buch so oder so eine sehr intensive Eigendynamik und verkaufte sich immer noch wie wahnsinnig.

Er hatte viele Vernissagen gegeben, doch diese sollte eine spezielle werden. Er war in der ganzen Schweiz vorlesen gewesen und hatte auch ein paar internationale Stationen angefahren. Sein Gestell war voll mit Literaturpreisen, die er meist vorher nicht einmal gekannt hatte. Tama kam jede zweite Woche zu Besuch mit James zusammen. Sie besprachen wie damals schon jedes Detail der Weiterplanung.

So routinehaft er doch inzwischen hätte sein können, jede Vernissage ging ihm nahe und er genoss es über seine Worte zu diskutieren. Nach der besagten Vernissage unterschrieb er wie immer Bücher und fragte standartgemäss: „Für?“

Auch eine junge Frau stand an. „Für?“ „Angelina.“ Naeco stutzte und blickte langsam seinem Gegenüber empor.

„Du… du? Ähm, du? Bist du’s wirklich?“ „Ja. Ich liebe dein Buch und vor allem auch dich. Du fehlst mir.“

Naeco hatte Freudentränen in den Augen. Genau das hatte ihm gefehlt. Genau darum war sein Nachfolger so traurig geworden.

„Lass uns einen Café trinken gehen.“ „Ja, genau…. Perfekt.“ Und so war es dann auch.

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Chris Bluemoon

Redaktor Kultur
Hauptberuflich Radio-Journalist mit viel Leidenschaft für die Musik, die Poesie und das ganz grosse Chaos.