Wie weiter mit der Rentenreform?

Wie weiter mit der Rentenreform?

Gastkommentar
11.10.2017

Bereits im Vorfeld, aber vor allem im Nachgang zur abgelehnten Rentenreform wurde von den Gegnern der Vorlage immer wieder ein Plan B verlangt. Eigenartigerweise wurde nur bei dieser Vorlage ständig nach einem Plan B gefragt, bei den Vorlagen über die Beschaffung von neuen Kampfflugzeugen oder der Unternehmenssteuerreform interessierte sich kaum jemand für einem Plan B. Ein Plan B oder C ist aber keineswegs unmöglich.

Schaden abgewendet

Die Gegner der Rentenreform waren und sind sich stets im Klaren, dass ein Plan B entwickelt werden muss. Die aktuelle Lage nach Ablehnung der Vorlage ist keineswegs derart alarmierend, dass ein zielführender Plan B oder sogar C gar nicht zu entwickeln wäre. Immerhin sei an dieser Stelle nochmals daran erinnert, dass die abgelehnte Rentenreform ab 2035 mehr Defizite gebracht hätte als wenn man sie – wie geschehen – ablehnt und das bisherige Rentensystem unverändert weiterlaufen lässt. Salopp ausgedrückt könnte man deshalb die Fortführung des bisherigen Rentenregelung als Plan B bezeichnen, da er in finanzieller Hinsicht eindeutig günstiger abschneidet als die Reform selbst – und dies notabene ohne das Opfer des höheren Rentenalters für Frauen!

Jede Säule separat sanieren

Wohl allen in diesem Land ist aber klar, dass eine beliebige Fortführung des gegenwärtigen Rentensystems nicht möglich ist und deshalb Reformen unumgänglich sind. Alleine die demographischen Voraussetzungen und die damit verbundenen langfristen finanziellen Perspektiven zeigen den Handlungsbedarf deutlich auf. Bereits in den endlosen Kommissionssitzungen im Parlament wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass die Vermischung der Reformanliegen und –bedürfnisse der ersten und zweiten Säule alleine aufgrund der unterschiedlichen Finanzierungssysteme höchst problematisch ist. Die Abstimmungskampagne hat die Bedenken mehr als bestätigt. Das Ergebnis der Abstimmung hat aber auch bestätigt, dass ein ganzes und komplexes Reformpaket der Bevölkerung nicht nur schwierig zu erklären ist, sondern zugleich auch viele Gegner mit unterschiedlichen Argumenten auf den Plan ruft. Die Kumulierung der verschiedenen Gegner ist aber Gift für jede komplexe Vorlage und gefährdet diese erheblich. Die Lehre aus der abgelehnten Rentenreform und damit für den Plan C muss deshalb eine Aufteilung der verschiedenen Reformanliegen der ersten und zweiten Säule sein. 

Handlungsbedarf bei AHV am grössten

Im Vordergrund steht unbestrittenermassen die Sanierung der AHV. Dabei steht nicht die Erhöhung des Rentenalters zur Diskussion, sondern die Etablierung eines Referenzalters 65, damit der Altersrücktritt individueller bestimmt werden kann. Eine generelle Erhöhung des Rentenalters ist derzeit nicht mehrheitsfähig und würde deshalb jede neue Vorlage massiv gefährden. Die Erhöhung des Frauenrentenalters auf einer längeren Zeitachse dürfte dagegen eher realistisch sein. Bei jeder neuen Vorlage darf zudem auch nicht mehr mit der Giesskanne saniert werden; das Augenmerk ist vor allem auf die tieferen Renten zu richten, wo eine Anpassung weit dringender ist als bei den Maximalrenten. Auch geht es nicht an, dass ein Ausbau der AHV auf Kosten der Jungen erfolgen darf. Mass halten ist deshalb oberstes Gebot, was bei der demographischen Perspektive schon anspruchsvoll genug ist. Ein Mix aus Mehreinnahmen – das Abstimmungsergebnis bei der Mehrwertsteuervorlage gibt diesbezüglich Hoffnung – und vertretbaren Einsparungen, beispielsweise beim Export von Kinderrenten, ist deshalb gefragt. 

Auch bei der zweiten Säule ist die Lage keineswegs hoffnungslos. Die Renteneinbussen durch die Senkung des Umwandlungssatzes müssen vollständig innerhalb der zweiten Säule erfolgen. Zudem besteht Handlungsbedarf vornehmlich bei Pensionskassen ohne überobligatorisches Kapital. Dies betrifft allerdings weniger als 20 Prozent der Erwerbstätigen, vor allem aber Branchen mit tiefen Löhnen. Zudem muss sich der Bundesrat allfällige Enteignungsabsichten bei der zweiten Säule abschminken und darf den Vorbezug des persönlich ersparten Alterskapitals nicht weiter einschränken. Aber auch bei der zweiten Säule geht die Sicherung des bisherigen Errungenschaften vor einem weitern, kaum mehr finanzierbaren Ausbau.

Sanieren ohne Scheuklappen

Die Verantwortlichen für die nächste Reformvorlage sind gut beraten, sich in einem ersten Schritt auf die weitgehend unbestrittenen Massnahmen zu beschränken und das Projekt ohne politische Präferenzen und vor allem ohne Scheuklappen anzugehen. Eine solche Vorlage liesse sich rasch realisieren und könnte ihre Wirkungen bereits ab 2021 entfalten. Dass Bundesrat Berset diese Vorlage in den Händen hat, ist kein Nachteil; er liess nach dem Abstimmungssonntag verlauten, er sei für die nächste Vorlage „hochmotiviert“. Was gibt es für bessere Voraussetzungen als diese?

Heinz Brand, Klosters
Nationalrat & Parteipräsident SVP Graubünden

 

 

(Symbolbild: Pixabay)