Wenn sich Flüchtlinge und Jugendliche begegnen

Wenn sich Flüchtlinge und Jugendliche begegnen

GRHeute
16.10.2017

Der Verein IG offenes Davos hat mit Lernenden der Allianz Suisse Versicherung und der Integrationsklasse für geflüchtete Jugendliche vom Bildungszentrum Palottis eine «Begegnungswoche» durchgeführt. Ein Erlebnisbericht.

 

Genauso wenig wie Sie, liebe Leserinnen, verstanden auch die Lernenden der Allianz Suisse, als sie von den Schülern in Schiers begrüsst wurden. Die jugendlichen Geflüchteten begrüssten die Besucherinnen in ihren unterschiedlichen Muttersprachen Dari, Persisch, Kurdisch, Saho, Amharisch oder wie im Beispiel auf Tigrinya: „Woher kommst du?“. Sich ohne gemeinsame Sprache zu verständigen und vorzustellen ist nicht einfach. Eindrücklich veranschaulichte dieser Einstieg, mit welchen Schwierigkeiten Geflüchtete unter anderem konfrontiert sind. 

Begegnung und Austausch fördern

Ziel der Begegnungswoche, welche der Verein IG offenes Davos mit der Ethnologin Annina Oliveri organisiert hatte, war, den Austausch zwischen den Lernenden und den geflüchteten Jugendlichen zu ermöglichen und für beide ein bereicherndes Erlebnis zu schaffen. 

Die persönliche Auseinandersetzung förderte ein Bewusstsein darüber, was Migration bedeuten kann. Anhand der Geschichte von Davos wurde aufgezeigt, wie Migration Davos seit seinen Anfängen geprägt hat. Dazu gehören die einwandernden Walser, Auswanderer wegen Armut oder im Ausland reich gewordene Rückkehrer. Der Davoser Kurort-Gründer Alexander Spengler war ein politischer Flüchtling, der in der Schweiz Asyl beantragte. Das Thema befeuerte die gemeinsame Diskussion, ein reger Austausch zwischen den Gleichaltrigen begann. Die meisten kannten dieses Phänomen auch aus ihrer eigenen Familiengeschichte oder Verwandtschaft. Die Einblicke in die unterschiedlichen Lebenswelten der verschiedenen Jugendlichen waren sehr aufschlussreich. 

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So unterschiedlich die Herkunft und Situation zwischen den Allianz-Lernenden und den geflüchteten Jugendlichen sein mag, so ähnlich sind manche ihrer Träume und Ziele.

Die Palottis-Schülerinnen strotzen vor Motivation, die neue Sprache zu lernen, einen Job zu finden und auf eigenen Beinen zu stehen. Während die Lernenden im Monat rund die Hälfte von ihrem Lohn, also ca. 400 Franken, für ihr Freizeit-Vergnügen ausgeben, stehen den gleichaltrigen Geflüchteten teils lediglich 55 Franken pro Woche für ihre Lebenshaltungskosten zur Verfügung. „Krass, wir gehen einfach aus oder shoppen und jammern trotzdem, wir hätten zu wenig Geld. Aber das können sie alles gar nicht!“, wurde kommentiert. Die Lernenden erkannten die Möglichkeit, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten weiterzugeben. Sie halfen den geflüchteten Schülerinnen bei den Aufgaben, gaben ihnen Einblicke in ihre Berufswelt und viele wertvolle Tipps zu Lehrstellensuche und Berufseinstieg in der Schweiz. 

Durch Integration stark werden

Spielerisch wurde aufgezeigt, wie die Veränderung einer Gruppenkonstellation das Teamwork beeinflusst. Im Kleinen wurde simuliert, wie sich quasi die Auswirkungen von Migration auf eine Gesellschaft auswirkt, wie man als Gruppe damit fertig werden kann und dass darin auch eine Chance liegt: Wer es schaffte, die Neuen ins Team einzubinden, baute im Spiel den höchsten Zuckerwürfelturm. Diese Aussicht auf Erfolg soll der Ansporn zur aktiven, beidseitigen Integrationsarbeit sein. Der Austausch, welcher grösstenteils in den Schulräumen des Bildungszentrums Palottis stattfand, gab jedoch nicht nur Antworten, sondern warf auch Fragen auf: „Wieso bleiben die Geflüchteten in der ‚Integrationsklasse’ unter ihresgleichen, wo wir in den wenigen gemeinsamen Stunden soviel von voneinander gelernt haben?“, resümierte ein Junge und tauschte seine Mailadresse mit einem der Geflüchteten aus, um ihm mit seinen Bewerbungsunterlagen auch nach dieser Begegnungswoche weiterhelfen zu können.

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Eine gemeinsame Wanderung ins herbstliche Sertig mit anschliessender Trottinett-Abfahrt und gemeinsamem Abendessen im Davoser Pfadiheim bildete den krönenden Abschluss der gemeinsamen Projektwoche. Integration macht Spass. Wehmütig bemerkte ein junger Afgahne am Schluss: „Warum ist es jetzt fertig, ich könnte noch hundert Jahre mit den Lernenden der Allianz zusammen sein!“ 

 

(Quelle: zVg./Verein Offenes Davos/Annina Oliveri)

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