US-Wahl: Bühne frei zur Reality-Show

US-Wahl: Bühne frei zur Reality-Show

Am 8. November 2016 wählen die Amerikaner ihren Präsidenten. Für alle Männer, deren Frauen „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ schauen, hier eine kurze Einführung in die spannende Alternative: Die Reality-Show US-Präsidentenwahlkampf.

Anders als in der Schweiz gibt es in den USA eigentlich nur zwei ernst zu nehmende Parteien: Die sozialen Demokraten (Wappentier Esel, Parteifarbe Blau) und die konservativen Republikaner (Wappentier Elefant, Parteifarbe Rot). Gewählt wird alle vier Jahre, wobei ein gewählter Präsident nur einmal wieder gewählt werden kann. Im nächsten Jahr ist es wieder soweit. Der zurücktretende Präsident Barack Obama (Demokrat) muss ersetzt werden.

„I run for president“

Bereits im Frühjahr haben sich erste Kandidaten ins Spiel gebracht und das läuft dann so: Zuerst sondieren sie in wichtigen Bundesstaaten der USA ihre Chancen, bilden ein Wahlkampfteam, gründen (finanzielle) Unterstützungskomites und wenn es alle schon ahnen/befürchten, treten sie auf die grosse Bühne und verkünden vor jubelnden Anhängern (selbstlos und besorgt um die Nation) „I run for president“.

Klare Frontrunnerin bei den Demokraten ist die ehemalige First Lady Hillary Clinton, obwohl zuletzt der Sozialist Bernie Sanders in einigen Umfragen die Führung übernommen hat. Offen ist, ob sich der derzeitige Vizepräsident Joe Biden zu einer Kandidatur durchringen kann. Er wäre wohl der einzige, der Hillary Clinton bei der Nomination zur Kandidatin der Demokraten gefährlich werden könnte.

Gleich 17 Kandidaten für die Nomination zählt die Partei der Republikaner. Zum Bedauern nicht weniger Republikaner gehört Mitt Romney, der letzte Gegenkandidat von Barack Obama, nicht zu diesen Kandidaten. Er hat seinen Verzicht bereits frühzeitig erklärt. Überraschend klar in Führung liegt der milliardenschwere Immobilien- und Entertainmenttycoon Donald Trump. Mit seinen klaren und politisch nicht immer korrekten Aussagen hat er sich in die Herzen der konservativen Parteimitglieder gepoltert. Weniger gut läuft es für den von vielen als Favoriten gesehenen Jeb Bush. Der Bruder von George Bush schwächelt in den Umfragen. Stark im Aufwärtstrend sind dafür die politischen Greenhorns Ben Carson (Neochirurg) und Carly Fiorina (Ex-CEO von Hewlett Packard).

Vorwahlen zur Bestimmung der Spitzenkandidaten

Der Spitzenkandidat jeder Partei wird dann über so genannte Vorwahlen ab Januar 2016 ausgewählt. Der Cacus ist eine von zwei Wahlformen in den Vorwahlen. In Iowa findet traditionell der erste Cacus statt, im nächsten Jahr wird dies am 18. Januar sein. Dabei treffen sich registrierte Parteimitglieder, gruppieren sich nach Kandidat und werden dann gezählt. Anschliessend findet traditionell in New Hampshire die erste Primary statt. Dort stimmen registrierte Wähler mit Stimmzetteln in Wahllokalen ab.

Das ganze System ist ziemlich kompliziert. So können in einigen Staaten auch nicht registrierte Parteimitglieder wählen, in einigen Staaten werden die Stimmen prozentual und in anderen nach ganz speziellen Regeln dieses Bundesstaates verteilt. Gemeinsam ist bei allen verschiedenen Systemen, dass die abgegebenen Stimmen je nach Grösse des Bundesstaates in einer Anzahl Wahlmänner für den jeweiligen Kandidaten münden. Diese Wahlmänner (pledged delegates) sind mit ihren Stimmen an das Wahlergebnis gebunden. Dazu kommen nun noch die so genannten Superdelegierten (superdelegates). Das sind hohe Parteivertreter, welche in jeder Partei über rund 5% der Stimmen verfügen. Sie sind ungebunden und geben meist im Verlaufe des Frühjahrs ihre Unterstützung für einen der Kandidaten bekannt – natürlich ist Letzterer dann dabei und die Unterstützung wird medial zelebriert.

Ende Juli treffen sich alle Wahlmänner zu einem mehrtätigen nationalen Parteitag. Dort küren sie in einer grossen Show ihren Spitzenkandidaten und seinen Vizepräsidentschaftskandidaten.

Harter Wahlkampf, komplizierte Wahl

Auch wenn die Kandidaten sich heute schon über die Parteigrenzen hinweg bekriegen, findet der eigentliche Wahlkampf dann ab Ende Juli statt. Dafür steigert sich die Intensität nochmals um ein Vielfaches. Die Spitzenkandidaten treffen in so genannten Debatten (Debates) im Fernsehen aufeinander und versuchen die Gunst der Wähler zu gewinnen. Für diese Debates ziehen sich die Kandidaten übrigens oft mehrere Tage zurück und trainieren alle möglichen Situationen mit ihren Kommunikationsberatern. Neben den Debates besteht der Wahlkampf vor allem über eine Unmenge von Fernsehspots, freiwilligen Aktivisten, welche die Wähler mobilisieren und medial inszenierten Auftritten der Kandidaten. Der Wahlkampf findet übrigens praktisch ausschliesslich in den 10-12 Swing Staates statt. Das sind diejenigen Staaten, in welchen der Ausgang knapp ist. Dazu gehören unter anderem Florida, Ohio, Pennsylvania und Virginia.

Die eigentliche Wahl läuft in mehreren Stufen ab. Am 8. November 2016 wählen die Amerikaner zwischen den verschiedenen Kandidaten. Ausser in Maine und Nebraska, wo die Stimmen proportional zum Ergebnis verteilt werden, erhält der Kandidat mit der Mehrheit der Stimmen alle Wählerstimmen dieses Staates. Die Stimmzahl hängt von der Grösse des Staates ab, so darf beispielsweise der Staat Wyoming 3 und Kalifornien 55 Stimmen vergeben. Wer über die Mehrheit dieser 538 Wahlmännerstimmen verfügt, wird dann im Dezember von diesen Wahlmännern zum Präsidenten der USA gewählt und am 20. Januar in einer grossen Inaugurationsfeier vereidigt.

author

Giovanni della Torre

Kolumnist Wirtschaft
Wirtschaftsberater und Weltreisender in einem. Ehemaliger Banker auf den Cayman Islands und Firmenbesitzer in Chur.