Der IS-Albtraum weitet sich auf Libyen aus

Der IS-Albtraum weitet sich auf Libyen aus

Fünf Jahre, nachdem der sogenannte «Arabische Frühling» Libyen in das Bürgerkriegschaos gestürzt hat, bietet das zerrissene Land einen fruchtbaren Nährboden für den IS. Der Westen muss dieser transnationalen Bedrohung auch in Libyen begegnen.

Wir alle erinnern uns an Muammar al-Gaddafi. Nach Terroranschlägen im Westen, der Entführung von Schweizer Bürgern und dem Unterdrücken seines Volkes klingt sein Name heute wie eine Drohung. Fünf Jahre nach seinem Tod während dem «arabischen Frühling» steht Libyen aber instabiler denn je da. Zwei Regierungen, verschiedene Stämme und seit neuestem auch der «Islamische Staat» liefern sich einen erbitterten Bürgerkrieg, welcher nun schon seit 20 Monaten andauert. Diese Instabilität verhalf dem IS zu seinem Aufstieg an der Mittelmeerküste, wo er nun Gaddafis Geburtsstadt Sirte und dessen Umland kontrolliert, weniger als 600 Kilometer von der EU-Aussengrenze entfernt. Im Osten bekämpft der IS ein Bündnis aus verschiedenen Milizen der «Nationalen Regierung» in Tripoli, im Westen ehemalige reguläre Truppen der libyschen Armee unter General Khalifa Haftar (Bild), der die international anerkannte Regierung in Tobruk unterstützt.

Von Sirte aus, von einigen Quellen als das neue Raqqa beschrieben, erobert der IS vor allem Territorien in östlicher Richtung, wo die grössten Ölverarbeitungsbetriebe des Landes zu finden sind. Der IS plant offensichtlich nach seinen diversen Rückschlägen in Syrien und dem Irak, seine angeschlagene finanzielle Lage durch die Eroberung neuer Ölfelder wieder zu verbessern.

LibYa

An dieser Stelle sollte der Westen ins Spiel kommen: Es darf auf keinen Fall zugelassen werden, dass der IS in Libyen (oder anderswo) eine neue Existenz aufbauen kann. Die Terrormiliz muss an allen Fronten, nicht nur im Irak und in Syrien, bekämpft werden.

Solange in Libyen keine Einheitsregierung imstande ist, dem IS militärisch zu begegnen, muss der Westen seine Luftschläge auch auf libysches Gebiet ausweiten, um mindestens eine weitere Ausbreitung des IS zu verhindern. Voraussetzung für eine solche Intervention wäre allerdings eine Einigung mit beiden Regierungen in Tripoli und Tobruk, was aufgrund der Rivalitäten zwischen den beiden praktisch unmöglich sein dürfte. Notfalls sollten Luftschläge der Anti-IS-Koalition aber auch gegen den Willen einer libyschen Regierung durchgeführt werden. Denn wenn es keine klaren Optionen gibt, ist nichts tun und zuschauen meistens die schlimmste Alternative.

 

(Bilder: Wikipedia/Pixashot)

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Franco Membrini

Kolumnist
Hat an der University of Edinburgh seinen «Master of Science in History» absolviert. Zuvor studierte der Churer Geschichte, Betriebsökonomie und Staatsrecht an den Universitäten Bern und Bologna.