Der Shooting-Star am Bündner Schwinger-Himmel

Der Shooting-Star am Bündner Schwinger-Himmel

 Was für ein Saisonstart! Nach dem Sieg am Thurgauer Kantonalschwingfest hat der noch nicht 21-jährige Armon Orlik am Sonntag beim Glarner-Bündner Kantonalschwingfest in Glarus zugschlagen. GRHeute hat den Shooting-Star zum Interview gebeten.

Armon Orlik, herzliche Gratulation zum Sieg am Glarner-Bündner Kantonalschwingfest. Sie mussten in den letzten 24 Setunden wohl viele Fragen beantworten, oder?

Danke. Es ging eigentlich noch mit den Interviews. Es gab schon einige, aber auch nicht so viele.

Sie haben vor zwei Wochen schon das Thurgauer Kantonale gewonnen. Haben Sie eine solche Siegesserie erwartet?

Erwartet nicht, das wäre übertrieben. Aber man macht halt sein Bestes, um das Glück auf seine Seite zu erzwingen. Ich habe viel trainiert, vieles gemacht, was vielleicht zusätzlich nötig war. Aber erwartet habe ich das auf keinen Fall.

Dafür ist die Dichte an der Spitze wohl auch zu gross, oder?

Das stimmt. Vorne kann wirklich jeder jeden schlagen. Ein Kampf kann jederzeit auf beide Seiten kippen. Manchmal brauchts auch etwas Glück.

Sie werden am 26. Mai erst 21 Jahre alt. Schon in den letzten Jahren waren Sie erfolgreich, haben nun bereits 18 Kränze und 3 Festsiege auf Ihrem Konto. Trotzdem: Haben Sie auf dieses Jahr hin einen derart grossen Sprung nach vorne gemacht?

Dass es grad so gut läuft, hätte ich zwar nicht gedacht. Aber wir haben in der Vorbereitung wohl das eine oder andere richtig gemacht. Ich habe viel in die Technik investiert, das war sehr entscheidend, davon profitiere ich. Aber natürlich muss zu einem Sieg auch alles rundherum stimmen, das Umfeld, die Trainer, die Familie.

A propos Familie: Sie kommen aus einer Schwinger-Familie. Das wurde Ihnen wohl in die Wiege gelegt, oder?

Eigentlich komme ich aus einer Kampfsport-Familie. Mein Vater war ja nicht nur Schwinger, sondern auch Judoka. Ich habe früher auch beides gemacht. Vielleicht hat uns das eine gewisse Mentalität eingebracht. Das ist sicher das eine, die Herausforderung in einem Mann-gegen-Mann-Sport. Ich denke, die mentale Stärke ist dabei sehr wichtig. Das ist für mich vielleicht etwas einfacher, weil ich von jung auf sehr viele Wettkämpfe bestritten habe. Diese sind mir nicht fremd. Darum weiss ich auch, dass Nervösität vor einem Kampf nichts Schlechtes ist. Das führt zu einem guten Selbstvertrauen, und das ist sicher etwas vom Wichtigsten in jeder Sportart. Das andere ist die Freude, der Spass am Schwingen, was mich motiviert. Ich mache das einfach sehr gerne.

Im Schlussgang – und schon vorher beim Gestellten im vierten Gang – sind Sie auf die lebende Legende Arnold Forrer getroffen. Denkt man da daran?

Vorher ist einem dies vielleicht bewusst. Während dem Kampf aber bin ich voll fokussiert, da spielt es eigentlich keine Rolle, wie der andere heisst. Da geht es nur noch ums Gewinnen. Aber ich habe natürlich viel Respekt vor ihm, er ist der Schweizer Kranz-Rekordhalter. Und ich habe ihm nach dem Schlussgang auch gleich für seinen Rekord gratuliert.

Der Kampf entschied sich ja erst in den Schlusssekunden. Können Sie die entscheidenden Szenen nochmals rekapitulieren?

Es war die letzte Minute, und ich habe gemerkt, dass der Kampf schon sehr lange dauerte. Wir merkten das beide. Ich habe mir gesagt, jetzt gibst du nochmals Vollgas und gehst auf Risiko. So war uns wohl beiden klar, dass es wahrscheinlich zu einer Entscheidung kommen würde. Die Erfahrung zeigt, dass das Glück meist auf die Seite des Schwingers fällt, der noch einen Zacken zulegen kann, das ging mir durch den Kopf. Ich hatte dann sicher auch etwas Glück, dass ich den Konter fahren konnte.

Forrer hat den Sieg auch gewollt.

Er hat sicher auch gedacht, dass er 20 Sekunden vor Schluss alles reinwerfen will. Wir wussten ja beide, dass wir bei einem Gestellten beide nur Zweiter würden.

Wir kann man sich das Leben eines Schwingers vorstellen? Von der Betreuung und vom Aufwand her ist Schwingen auf Top-Niveau heute ein Profisport, oder?

Vielleicht noch nicht grad ein Profisport, da gibt es vielleicht schon noch ein paar, die mehr tun als ich. Ich trainiere normalerweise dreimal wöchentlich im Schwingkeller, dazu täglich Kraft oder Kondition. Dazu kommen spezifische Trainings für die Gelenke, die die Stabilität unterstützen. Schwingen ist ein rauher und harter Sport, da ist die Vorbeugung vor Verletzungen sehr wichtig.

Der Grundstein einer Saison wird ja bekanntlich immer in der Vorsaison gelegt. Was kann man während der Saison noch tun?

Während der Saison sind die Trainings weniger technisch, ausser man hat etwas festgestellt, woran man speziell arbeiten muss. Letztlich kommt es immer darauf an, das Gelernte auf einen speziellen Tag hin anwenden zu können. Es gibt Tage, da laufen gewisse Dinge gut und andere schlecht. Aber Technik trainiert man schon vor allem im Winter. Ansonsten steht bei mir während der Saison eher das Konditionstraining im Vordergrund.

Kann man im Training überhaupt die Intensität eines Wettkampfes simulieren?

Das kann man schon. Vor allem bei den NOS-Trainingszusammenzügen trainieren wir intensiv. Es hat sehr gute Gegner, und so lassen sich Wettkämpfe eigentlich gut simulieren. Und man erhält eine Vorstellung, wo man beim Biss und bei der Ausdauer im Vergleich steht.

In zwei Wochen steht das nächste grosse Fest auf dem Programm, in Uzwil steigt das St. Galler Kantonalschwingfest. Jetzt gehören Sie zu den Favoriten, oder?

Das kann sein, aber ich nehme jetzt Fest für Fest, Gegner für Gegner, Zug um Zug. Klar kann man sagen, man kann mehr erwartetn, wenn es gut läuft. Aber für mich geht es immer primär darum, einen Kranz zu gewinnen und unfallfrei zu bleiben.

Die Sport- und Schwingschweiz blickt natürlich schon heute auf den August, auf das Eidgenössische in Estavayer. Macht Sie das angesichts Ihrer jüngsten Erfolge schon etwas nervös? Als Shootingstar gehören Sie wohl zum erweiterten Favoritenkreis.

Nein, überhaupt nicht. An einen möglichen Sieg denke ich überhaupt nicht. Wie gesagt, mein Ziel ist es, einen Kranz zu gewinnen, und das wird sich auch nicht ändern. Dazu muss man fünf Kämpfe gewinnen und das strebe ich an. Am Eidgenössischen spielt es keine Rolle, was und wieviel man vorher gewonnen hat. Alles fängt bei Null an.

Hier gehts zu den Resultaten von Armon Orliks Schwinger-Karriere.

 

(Bilder: EQ Images)

author

Mathias Braendli

Redaktor Region/Sport
Marketeer, Ex-Journalist und Football-Blogger. Sound: Adam Green, Ryder the Eagle, Bob Dylan, Helloween. TV: Better Call Saul, Game of Thrones, Sport. Buch: Fall & Rise von Mitchell Zuckoff.