Graubünden ist hart zu seinen Frauen: Wer Karriere machen will, hat praktisch keine Chance. Wer sich als CEO bewirbt, muss auch mit langjähriger Berufserfahrung damit rechnen, einen Mann vorgesetzt zu bekommen.

Eigentlich sollte man hier einen Artikel über zwei Frauen lesen, die gerne CEO geworden wären. Beide waren lange im Betrieb tätig, hatten die Stellvertreterposition inne – und wurden doch nicht gewählt. Auch von der einzigen Frau im Verwaltungsrat nicht. Beide waren mehr als kompetent, den Betrieb auch als CEO zu führen.

Aber so ist es wohl in Graubünden – und notabene auch an vielen anderen Orten in der Schweiz -: Die Welt wird von graumelierten Herren regiert, die ihre Seilschaften in der Politik, im Militär und an Alumni-Parties schmieden und sich ohne Rücksicht auf Verluste gegenseitig Jobs zuschanzen.

Weil: Sie haben die Loyalität der Frauen. Beide Frauen arbeiten gerne in ihrem Beruf, beide wollen den Job nicht verlieren, weil er ihnen Spass macht. Aber wehe, sie mucken auf! Wehe, sie wagen es, zu sagen, sie seien enttäuscht. Noch schlimmer: Sie reden mit einer Journalistin und alle können lesen, wie schlimm die Männer – einmal mehr – sind. Oder der Betrieb. Dabei heisst es gar nicht, dass die Männer, die jetzt ihre Jobs haben, diesen Job schlecht oder schlechter machen. Es heisst nur: Eigentlich hätte eine Frau diesen Job gewollt und sie wurde nicht gewählt.

Das Killerargument lautet immer: Qualität geht vor Quantität. Wenn ich alle diese Geschichten höre von Frauen, die stärker und in einigen Fällen sogar kompetenter waren als Männer, dies aber nicht unbedingt auf der Zunge getragen haben, die durch Leistung überzeugt haben, dann frag ich mich schon: Wollen wir das?

Stellen wir uns vor, man bekommt den Job nicht, und dann wird einem gesagt: «Jetzt sind sie sicher froh.» Warum froh? Man wurde für nicht kompetent genug erachtet, einen CEO-Job zu übernehmen, den man mit der eigenen Willenskraft angestrebt hat! Soll man da noch froh sein? Aber froh sein muss man, weil man jetzt wieder genug Zeit hat für die Kinder. So verlangt es die Gesellschaft. Dass man das gleiche Arbeitspensum hat wie vorher, spielt da gar keine Rolle mehr, weil: CEO, das ist dann noch etwas anderes.

Was anderes? Mehr Prestige? Mehr Verantwortung? Mehr Entscheidungsmacht? Ja, was ist denn so schlimm daran, wenn eine Frau das will? Und warum verwehrt man es ihr? Weil sie es eventuell sogar besser als der Mann könnte?

Diese beiden Frauen arbeiten in Betrieben, deren Logos man jeden Tag über den Weg läuft. Sie sind, wie es im Militär so schön heisst, nach längerer Tätigkeit als CEO a.i. wieder ins Glied zurück getreten.

Und alle schauen zu und sagen nichts. Was für mich der nächste Punkt ist: Die fehlende Solidarität. Natürlich gibt das Team Support, natürlich ist das Team komplett enttäuscht über die Nichtwahl. Und ich finde, beide haben es verdient, dass man für sie einsteht und dem Verwaltungsrat, insbesondere den beiden -rätinnen, klar macht: Für mich ist es jetzt gelaufen. Aber die nächste Frau, die diesen Job will, soll ihn bekommen.

Die beiden Frauen, die gerne CEO worden wären, sind nicht die einzigen in Graubünden, die eine Kaderstelle nicht bekommen haben. Oder von einem Mann, der sich sein eigenes Machtkonstrukt baute, hinterrücks entmachtet wurden.

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(Bild: Pixabay)

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Rachel Van der Elst

Redaktionsleiterin/Region
Rachel Van der Elst mag Buchstaben: analog, virtuell oder überall, wo Menschen sind. In einem früheren Leben arbeitete sie unter anderm bei der AP, beim Blick, bei 20Minuten, beim Tages-Anzeiger und bei der Südostschweiz. In ihrer Handtasche immer dabei: Jasskarten.