«Politische Fehlentscheidungen in der inländischen und ausländischen Elektrizitätspolitik»

«Politische Fehlentscheidungen in der inländischen und ausländischen Elektrizitätspolitik»

GRHeute
23.06.2017

Die Regierungskonferenz der Gebirgskantone hat gestern in einer Medienmitteilung kommuniziert, dass der Bundesrat beim Vorschlag zu den Wasserzinsen nachbessern müsse. Die Erklärung im Wortlaut.

Vorschlag mit Anpassungsbedarf!

Der Vorschlag des Bundesrates, das derzeitige Modell für den Wasserzins weiterzuführen, bis Gewissheit über das neue Strommarktmodell besteht, macht im Grundsatz Sinn. Eine erste Sichtung zeigt aber, dass die konkret vorgeschlagene Übergangsregelung auf einer nicht sachgerechten Annahme gründet und Schieflagen enthält. Deshalb besteht Anpassungsbedarf. Die Gebirgskantone werden die Vorlage nun vertieft prüfen und dann im Detail Stellung nehmen.

Koordination mit neuem Marktmodell sachgerecht

Der Bundesrat muss der Bundesversammlung bis 2019 den Entwurf für ein neues Strommarktmodell unterbreiten (Art. 30 Abs. 5 neues EnG*), welches Einfluss auf die Ausgestaltung des künftigen Wasserzinsmodells haben dürfte. Es wäre den Gebirgskantonen deshalb nicht zuzumuten gewesen, in Unkenntnis dieses Vorschlags und der anschliessenden Beratungen im Parlament schon heute zu einem neuen Wasserzinsmodell Stellung zu nehmen. Die nun vorgeschlagene zeitliche und inhaltliche Koordination mit dem neuen Marktmodell ist somit sachgerecht und wird grundsätzlich begrüsst. Der konkrete Vorschlag gründet aber auf einer nicht sachgerechten Annahme und enthält Schieflagen.

Grundlegende Fehlannahme

Mit der vorgeschlagenen Reduktion des Wasserzinses geht der Bundesrat von der Annahme aus, die Rentabilitätsprobleme von Teilen der Wasserkraft seien angeblich durch den Wasserzins verursacht. Dies ist eine grundlegende Fehlannahme! Die Verzerrung des Strommarktes ist nämlich die Folge politischer Fehlentscheidungen in der inländischen und ausländischen Elektrizitätspolitik. Es ist völlig abwegig, dass die saubere und erneuerbare Schweizer Wasserkraft am Strommarkt wegen immenser Subventionen für andere Energieträger, starkem Protektionismus und dem fehlenden Willen zu einer wirksamen CO2-Politik nicht mehr rentabel ist. Deshalb muss es primär darum gehen, diese Fehlentscheidungen zu korrigieren. Danach ist zu prüfen, inwieweit noch Grund für Wasserzinssenkungen besteht.

Schieflage Nr. 1: Giesskannensubvention

Rund die Hälfte bis zwei Drittel der Wasserkraftproduktion wird in der Grundversorgung abgesetzt. Dort gilt das sogenannte Gestehungskostenprinzip, bei dem sämtliche Kosten gedeckt werden. Deshalb hat dieser Teil der Wasserkraft gar keine Rentabilitätsprobleme und benötigt somit auch keine Wasserzinssenkung. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, weshalb der Bundesrat eine generelle Senkung des Wasserzinses im Umfange von rund CHF 150 Millionen vorschlägt (vgl. Faktenblatt im Anhang). Die Möglichkeit, die Reduktion des Wasserzinses wie bei der im neuen Energiegesetz beschlossenen Marktprämie von einem Verlust- Nachweis abhängig zu machen, wird in den Vernehmlassungsunterlagen zwar als denkbare Variante erwähnt. Für die Gebirgskantone ist aber völlig klar: Wenn überhaupt, kann eine temporäre Wasserzinssenkung ausschliesslich punktuell bei Anwendung eines Verlust-Nachweises in Frage kommen. Zudem ist ein Ausgleichsmechanismus in Form einer Stundung vorzusehen. Diesem entsprechend haben die Werke die erhaltene Reduktion zurückzuzahlen, wenn sie wieder Gewinn erzielen.

Schieflage Nr. 2: Kompensierung der Marktprämie durch die Gebirgskantone

Das vom Volk am 21. Mai 2017 beschlossene neue Energiegesetz enthält eine Marktprämie für Kraftwerke, die nachgewiesenermassen mit Rentabilitätsproblemen kämpfen. Dafür werden bei den Konsumenten 0,2 Rp./kWh erhoben, womit jährlich rund CHF 120 Millionen für die Unterstützung zur Verfügung stehen. Die vom Bundesrat nun vorgeschlagene Wasserzinssenkung wird die bei den Konsumenten erhobene Abgabe von 0.2 Rp/kWh teilweise kompensieren. Dies bedeutet im Ergebnis nichts anderes, als dass die Gebirgskantone zur Kasse gebeten werden, um die vom Parlament beschlossene Belastung der Konsumenten teilweise zu kompensieren. Mit der vorgeschlagenen Wasserzinssenkung wird ein Entscheid des Parlamentes durch die Hintertüre zu Lasten der Gebirgskantone umgestossen.

Schieflage Nr. 3: Fehlende Beteiligung des Bundes

Bemerkenswert ist, dass sich der Bund bei der Lösung der Rentabilitätsprobleme in keiner Weise beteiligt und dies, obwohl er die Wasserkraft zum zentralen Pfeiler der Energiestrategie 2050 gemacht hat. Wenn Teile der Schweizer Wasserkraft mit politisch bedingten Rentabilitätsproblemen zu kämpfen haben, wäre es angebracht, wenn sich im Sinne einer Opfersymmetrie auch der Bund mit eigenen Mitteln an der Problemlösung beteiligen würde. Eine Opfersymmetrie, die nur von allen anderen Beteiligten Opfer verlangt, sich selber aber ausnimmt, ist einseitig und unfair. Der Bund muss deshalb Vorschläge unterbreiten, wie auch er sich an der Opfersymmetrie beteiligt.

Schieflage Nr. 4: Fixe Dauer der Übergangsregelung

Die vorgeschlagene Übergansregelung ist bis Ende 2022 befristet. Folglich rechnet der Bundesrat fest damit, dass bis dann ein neues, marktnäheres Modell für den Strommarkt in Kraft treten wird. Dies kann sein, muss es aber nicht. Die Erarbeitung eines neuen Marktmodells sowie die Beratungen darüber werden sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und kontrovers ausfallen. Die Erfahrungen beim Stromversorgungsgesetz und bei der Energiestrategie 2050 belegen dies. Es ist deshalb angezeigt, die Dauer der Übergansregelung nicht an eine konkrete Jahreszahl, sondern abstrakt an die Inkraftsetzung des neuen Marktmodells zu knüpfen. Nur dies gewährleistet eine echte Koordination.

Für künftige Modelldiskussion offen

Der Diskussion, ob künftig ein neues Modell für den Wasserzins eingeführt werden soll, stehen die Gebirgskantone weiterhin offen gegenüber. Entscheidend ist, welche Parameter dem Modell zugrunde gelegt werden. Der in den Vernehmlassungsunterlagen bloss illustrativ vorgeschlagene Sockelbetrag von CHF 50 kWbrutto wäre für die Gebirgskantone jedenfalls nicht annehmbar. Zentral ist zudem, dass in einem künftigen Modell sämtliche Gewinnmöglichkeiten, die mit Wasserkraftstrom erzielt werden können, abgebildet sein müssen (z.B. Systemdienstleistungen, Zertifikate, Kapazitätszuschläge, weitere Handelsprodukte, wie Intraday-Handel usw.). Nur dann ist gewährleistet, dass die Wasserkraftkantone in fairer Weise an der sogenannten Ressourcenrente partizipieren.

Die Gebirgskantone werden die Vorlage nun vertieft prüfen und dann im Rahmen der Vernehmlassung detailliert Stellung beziehen.

 

(Symbolbild: Wikipedia/GRHeute)

author

GRHeute

www.grheute.ch
GRHeute Redaktion