«Ich mag mein Blabla selbst nicht mehr hören»

«Ich mag mein Blabla selbst nicht mehr hören»
Reto Hartmann
14.10.2018

Der HC Davos kommt nicht vom Fleck: Am Wochenende resultierten in Ambri und zuhause gegen die ZSC Lions zwei schmerzhafte Nuller. Die Gewissheit wird immer grösser: Der Kampf um die Playoff-Quali wird härter als je zuvor in den 22 Jahren unter Coach Arno del Curto.

 

1. Was schief laufen kann, läuft schief

Ein 0:5 in Ambri, ein 2:3 zuhause gegen die ZSC Lions – das die deprimierende Ausbeute des HC Davos am Wochenende. Leider ist es mittlerweile wirklich nur als Abwärtsspirale zu bezeichnen: Gegen die wahrlich nicht unschlagbaren Leventiner war der Rekordmeister wie blockiert und wurde zeitweise vorgeführt. Und gegen den Meister aus Zürich hielt der HCD zwar ehrenwert mit, verspielte vor 4564 Zuschauern in der Vaillant Arena aber eine 2:0-Führung und musste letztlich 118 Sekunden vor Schluss das entscheidende 2:3 einstecken. Bitter.

2. Woran liegts?

Kurz gesagt: Die meisten Jungen und Zuzüge haben den erhofften Schritt nach vorne nicht gemacht. Dazu kommt, dass viele erfahrene Teamstützen ausser Form sind und teils völlig abtauchen. 

3. Und Coach del Curto?

Arno del Curto steht unter Druck, wirkt angespannt, weiss, dass dieses Team nicht mehr die Qualität der letzten Jahre hat. Und er stellt die Linien laufend um, fast schon verzweifelt auf der Suche nach einer magischen Formation.

Im SRF-Interview nach dem Spiel gegen die Lions gab der Coach einen Einblick in sein Seelenleben. Man könne die Spieler 2018 nicht mehr mit Spielern von 2000 vergleichen, sagt er und sprach direkt auf die Gerenation «Social-Media» an. «Wenn ich heute jemanden zu hart angreife während eines Spiels, wäre die Chance gross, dass er zusammenbrechen würde», so del Curto, der sich aber selbst in die Pflicht nimmt. «Das führt dazu, dass auch ich mein Coaching im hohen Alter noch anpassen muss.»

4. «Macht abgeben»

Das tönt zwar sinnvoll, wenn man dann aber fast gleichzeitig von AdC hört, dass er im sportlichen Bereich schon lange «Macht abgeben» wolle, dann tönt das alles nicht wirklich verheissungsvoll. Immerhin schien del Curto das Davoser Spiel gegen Zürich gefallen zu haben – und er verspricht: «Wir werden besser. Nur schon wenn Lindgren wieder Tempo bekommt und Prince regelmässig trifft…» 

Dann hoffen wir mal, dass dies bald geschieht. Del Curto selbst hat den Fokus jedenfalls auf die vielleicht grösste Herausforderung seiner Karriere gerichtet: «Ich mag eigentlich keine Interviews mehr geben, ich kann das Blabla – vor allem auch von mir selbst – nicht mehr hören.»

5. Die Realität

Wer den HCD verfolgt, wusste schon lange, dass die Playoff-Qualifikation diese Saison kein Selbstläufer wird. Nach dem erneuten Weekend-Nuller und der dritten Niederlage in Serie sieht es nun aber wirklich zappenduster aus – solider Auftritt gegen Zürich hin oder her. Zwar ist die Saison noch jung und Davos liegt nur vier Punkte unter dem Strich. Die bisherigen Auftritte der Bündner wecken aber wenig Vertrauen. 

6. Schwach vorne, schwach hinten, schwach in den Special Teams

Der HCD hat in 10 Spielen gerade mal 19 Tore geschossen, dafür aber schon 37 eingesteckt. Damit hat Davos die ligaweit schlechteste Verteidigung und den zweitschlechtesten Angriff. Dazu kommt das drittschlechteste Boxplay der Liga. Man kann zwar versuchen, solche Statistiken nach einem Fünftel der Regular Season schönzureden. Aber eigentlich nicht.

7. Zurück zur offensiven Misere

Nachdem der HCD zuletzt mit acht erzielten Toren in zwei Spielen offensiv erwacht war/schien, folgte am Wochenende wieder der Rückfall in offensive Impotenz. Nicht nur, dass Davos schon zum zweiten Mal in dieser Saison ohne Tor blieb. 19 erzielte Tore in 10 Spielen sind die mit Abstand spärlichste offensive Ausbeute in der Ära del Curto. Marc Wieser und Perttu Lindgren, in den letzten fünf Jahren die verlässlichsten Davoser Skorer, warten weiter auf ihr erstes Saisontor. 

Am Wochenende ohne Tor: Inti Pestoni.

8. Die Lücken in der Verteidigung

Dass Davos in der Verteidigung öfters schwimmt, musste zwar befürchtet, aber nicht unbedingt erwartet werden. Das Problem ist das gleiche wie im Angriff: Die Youngsters sind noch nicht gut genug, die meisten Teamleader stecken in einer Formkrise. Del Curto stellte deshalb gegen Zürich Captain Andres Ambühl in der Defensive auf – und prompt erzielte der Davoser gegen Zürich sein zweites Saisontor (wie kurze Zeit später auch SCB-Neuzuzug Dario Meyer).

 

Einen Wechsel gab es gegen den Meister auch auf der Goalie-Position: Gilles Senn ersetzte zum ersten Mal in dieser Saison den neuen schwedischen Keeper Anders Lindbäck, der zuvor in neun Spielen nicht überzeugen konnte. Senn machte seine Sache gut (Fangquote 91,2%).

9. Anton Rödins Comeback

Der schwedische Stürmer Anton Rödin gab am Wochenende sein Comeback in gelb-blau und bildete gegen die Lions mit Shane Prince eine Flügelzange, die Furore versprach – aber letztlich leer ausging. Die Flügelstürmer beendeten beide Spiele ohne Skorerpunkt mit je einer -1-Bilanz.

 

10. Die Wende am Westschweizer Wochenende?

Am Freitag (19:45 Uhr) bekommt es der HC Davos auswärts mit Fribourg-Gottéron zu tun, dem man vor 12 Tagen zuhause mit 2:5 unterlegen war. Zwei Tage später (Spielbeginn am Sonntag um 13:30 Uhr) reisen die Bündner im Cup-Achtelfinal zum Swiss-League-Leader HC La Chaux-de-Fonds. Ein Sieg in Fribourg wäre zweifellos wichtiger als im Cup. 
 
 

(Bilder: Screenshot SRF)

 
 
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Reto Hartmann

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