Ihr Kinderlein sammelt Gelderlein

Ihr Kinderlein sammelt Gelderlein

Es ist wieder soweit: Süsse kleine Kinderlein klingeln an der Türe und sammeln Geld. Für was auch immer. Mal strecken sie einem Herzen entgegen, mal Briefmarken, mal Abzeichen. Alle haben das gleiche Merkmal: Es nervt mich.

Ich sehe partout nicht ein, warum meine Kinder für die Belange von Organisationen, die sowieso schon genug Geld bekommen, noch mehr Geld sammeln müssen. Von Organisationen, die natürlich wissen, dass ich den Nachbarsmädchen und -buben nichts abschlage und ihren Klassenkameradinnen und -kameraden auch nicht.

All diese Organisationen tun ganz sicher viel Gutes für die Anspruchsgruppen, die sie bedienen, und das ist gut so. Aber ich weiss von genug Anspruchsgruppen, die wegen der Grösse dieser Organisationen nicht bedient werden oder für eigene Projekte kein Geld bekommen, weil «es ja schon die grosse Organisation gibt».

An den Kinderlein an der Türe merkt man auch, dass die Tage bis Weihnachten in den Marketingstuben von sogenannten Hilfsorganisationen schon lange angezählt wurden. Die Karten von Blinden, der berühmte Karton, der den Schlafplatz eines Drittwelt-Kindes symbolisiert – es fehlt niemals an Dramatik und schlechtem Gewissen.

Bin ich ein schlechter Mensch, wenn mir das eingebildete Kind auf Karton egal ist? Ich meine nein. Nehmen wir an, Schülerinnen und Schüler verkaufen für irgendwen Schoggiherzen für vier Franken. Ja warum vier Franken? Damit die herzigen Kinder an der Türe auf jeden Fall fünf Franken bekommen. Diesen Franken Differenz dürfen sie in die Kassenkasse geben. Vielleicht kommt noch ein Prozentsatz des Gesamterlöses dazu.

Hinzu kommen die Kosten für Herstellung, der Verwaltungsaufwand für die Hilfsorganisation – et voilà. Wieviel am Schluss wirklich denen zu Gute kommt, die vor der Haustür beworben werden, kann man quasi an der vielzitierten Hand abzählen. Es dürfte wenig sein.

Es ist, kann man sagen, Kinderarbeit zu einem Dumpingpreis, die sie erst noch hauptsächlich in ihrer Freizeit leisten müssen. Diese Arbeit wurde schon von uns gemacht. Und damals wie heute wurde das von den Kindern nicht hinterfragt. Ach nein, man macht ja etwas vermeintlich Sinnvolles. Oder sensibilisiert Kinder wie Käufer. Bestenfalls gibt es jemanden in der Familie, der davon profitieren könnte. Aber damit kann die Hilfsorganisation nicht rechnen.

Aber hey, etwas Gutes hat diese ganze vorweihnachtliche Bettlerei eben doch: Letztens bekam ich Etiketten mit meinem Namen und meiner Adresse zugeschickt. Von der Art, wie sie die Grossmutter, die sowieso die einzige ist, die noch Briefe schreibt, auf die Rückseite des Umschlags klebt. Herzige Kätzli und herzige Hündli und mittendrin mein Name. Wie süss! Nicht. Wieviel das gekostet hat und wieviel am Schluss wirklich bei den Tierli landet, will ich gar nicht wissen.

(Foto: Archiv)

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Rachel Van der Elst

Redaktionsleiterin/Region
Rachel Van der Elst mag Buchstaben: analog, virtuell oder überall, wo Menschen sind. In einem früheren Leben arbeitete sie unter anderm bei der AP, beim Blick, bei 20Minuten, beim Tages-Anzeiger und bei der Südostschweiz. In ihrer Handtasche immer dabei: Jasskarten.