Salome Mathys: «Parteienvetterliwirtschaft in Chur»

Salome Mathys: «Parteienvetterliwirtschaft in Chur»

Salome Mathys
22.03.2017

Mathys kleinDieser Bericht kommt für einmal nicht aus Graubünden, sondern aus Brasilien. Auch für mich ist es unüblich, während dieser Jahreszeit in die Ferne zu reisen, aber Hochzeiten im Bekanntenkreis können so einiges auslösen. Dafür lässt es mich Abstand zur Schweizer Politik gewinnen und viele unserer vermeintlich grossen Probleme werden zu Luxusproblemen.

Die Schere zwischen Arm und Reich ist in Brasilien enorm. Ebenso die Korruption. Während in Brasilien momentan eine Reform zur Erhöhung des Rentenalters von 62 auf 75 (!) zur Diskussion steht, hat sich das Schweizer Parlament tagelang um CHF 70 mehr oder weniger AHV – Rente für Neurentner gestritten. Am Ende kam es wie zu erwarten: ein Zückerchen an die Babyboomer-Generation. Nutzniesser davon sind alle Neurentner! Alle? Ja, alle! Dank des Giesskannenprinzips profitieren davon auch all diejenigen, die es gar nicht nötig hätten! Und wer bezahlt dies? Gute Frage: das wäre dann wohl meine Generation und die Generationen nach mir. Aber das kann man den Parlamentariern kaum übelnehmen: denn sie haben doch nur für ihre eigene Generation das Beste rausgeholt… und da es die wählerstärkste Bevölkerungsgruppe ist, sollte man diese ja nicht vergraulen. Also lieber die nächsten Generationen die Zeche bezahlen lassen und so die Chancen auf die Wiederwahl nicht schmälern.

Hier in Brasilien protestieren die Menschen dagegen, weil die durchschnittliche Lebenserwartung bei gerademal 74.4 Jahren liegt, sie also gar nichts von der Rente hätten. In der Schweiz verteilen wir dafür auch allen Wohlhabenden CHF 70. Die AHV-Reform zeugt von erheblicher Kurzsichtigkeit. Oder ist das die neue Familienpolitik à la CVP „nachhaltige Familienpolitik. – lass die Jungen noch etwas mehr für die Alten bezahlen“?

Aber nicht nur bei der AHV-Reform zeigen die CVP und die BDP neue Vorgehensweisen in Bezug auf die Nachhaltigkeit auf. Nein, auch im Churer Gemeinderat haben sie zusammen mit der SVP der FDP Hand geboten um den Artikel 38 IBC Gesetz (Energiefonds) zu streichen. Das Argument: der Bund und der Kanton haben bereits Kapazitäten geschaffen! Ich kann mich nur zu gut an den Artikel von letzter Woche auf wp.grheute.ch erinnern: Föderalismus soll wieder stärker gewichtet werden! Da hätte man ein Gesetz, welches die Nachhaltigkeit fördert, welches in der Autonomie der Gemeinde liegt und trotzdem streicht man es kurzerhand raus. Dabei hätte man damit neue Projekte in die Wege leiten können und die Innovationsstärke der Schweiz nutzen können. Projekte, welche man auch in Zusammenarbeit mit der HTW, die man im Hochschulsektor stärker positionieren will, hätte realisieren können. Der Zeitpunkt: 2 Monate bevor eine immens wichtige Abstimmung für die Zukunft der Schweiz ansteht: Energiestrategie 2050! Das Bild, das der Bevölkerung mit der Streichung dieses Artikels aufgezeigt wird, ist schlichtweg verheerend. Es zeugt von Unüberlegtheit und zeigt ebenso die Parteienvetterliwirtschaft in Chur auf. Die Haltung von Doris Leuthard zu diesem Vorgehen der CVP Chur würde mich deswegen brennend interessieren.

Auch die glp steht nicht hinter unnötigen Abgaben für das Gewerbe oder dauerhaften Subventionen zur Förderung erneuerbaren Energien. So lange jedoch der Preis des Atomstroms nicht die wahren Kosten widerspiegelt, sind diese wohl oder übel nötig. Die Vetterliwirtschaft ist bei uns noch nicht so korrupt wie hier in Brasilien, aber doch überrascht es mich immer wieder, wie viele ungeheuerliche Geschichten im Umlauf sind und sich doch niemand offiziell darüber zu reden getraut, um sie ans Tageslicht zu bringen. Ich hoffe, dass die Vetterliwirtschaft nicht eines Tages eine noch grössere Dimension annimmt und so endet wie hier in Brasilien: hier stehen immer dieselben auf der Gewinnerseite.

 

Politforum auf GRHeute

Das Politforum auf GRHeute besteht aus 12 PolitikerInnen aus Graubünden. Jeden Donnerstag nimmt eine/r zu einem aktuellen Thema Stellung, die anderen Mitglieder des Politforums können diesen Beitrag ihrerseits kommentieren.

 

(Bild: GRHeute)

Ressortleiterin Amt für Migration und Zivilrecht, Grünliberale Graubünden