Ist Mauro Jörg das Zünglein an der Waage?

Ist Mauro Jörg das Zünglein an der Waage?

Seit vier Jahren spielt Mauro Jörg beim HCD. Bisher war er meist ein klassischer Bottom-Line-Spieler. Kann er in den Playoffs der entscheidende Faktor sein? Eine Analyse, wieso Jörg möglicherweise unterschätzt wird.

 

Mauro Jörg ist mittlerweile 27 Jahre alt und hat schon 450 National League Spiele auf dem Buckel. 2010 wurde er in der siebten Runde von den New Jersey Devils gedraftet, wirkliche Chancen auf die NHL konnte sich der Bündner aber nie ausrechnen. Zu Beginn des Jahrzehnts spielte er für den HC Lugano und die Rapperswil-Jona Lakers – mit durchzogenen Resultaten. 2014 holte ihn Arno Del Curto nach Davos, seither spielt er im Landwassertal. Für den HCD ist Mauro Jörg der klassische Ergänzungsspieler: Wenig Eiszeit, wenig Produktion. In seiner besten Saison buchte der Stürmer 29 Punkte (2015/16), das war damals teamintern die fünftbeste Ausbeute. Alles deutet darauf hin, dass Jörg ein typischer Drittlinien-Stürmer ist. Ein tieferer Blick in die Zahlen zeigt aber ein anderes Bild:

 

(Mauro Jörg ist nur der achtbeste Skorer beim HCD – ein Indiz für einen Drittlinien-Stürmer.)

In der Saison 2017/18 buchte Mauro Jörg 16 Punkte – das ist nicht gerade eine berauschende Ausbeute und wohl ein Grund dafür, dass der Domat/Emser nie genannt wird, wenn es darum geht, die „besten“ Davoser Skorer auszuzählen. Dem hiesigen Fan kommen zuerst Namen wie Broc Little, Enzo Corvi, Marc Wieser oder Andres Ambühl in den Sinn. Mauro Jörg? Nein. Der ist ok, aber nicht mehr.

 

Ein Grund für seine tiefe Skorer-Ausbeute mag daran liegen, dass Jörg nur 36 Spiele absolvierte. Aufgrund von Verletzungen und Ersatzbank-Nominationen fehlte der Stürmer rund ein Viertel der ganzen Saison. Und das ist kein Novum: Seit 2010 hat Jörg nie mehr eine volle Saison absolviert. Letzte Saison waren es sogar nur 32 Partien, in denen er auf dem Eis stand.

 

Hätte Jörg das volle Pensum absolviert, so wäre er immerhin auf Kurs von 22 Skorerpunkten gewesen – das entspricht seiner durchschnittlichen Karriereausbeute.

(Jörg erhält im Schnitt 12.5 Minuten Eiszeit  – das ist sehr wenig. 10 andere Stürmer stehen mehr auf dem Eis.)

 

Womit wir bei einem anderen Punkt angelangt sind: Die Eiszeit von Mauro Jörg. Jörg erhält pro Spiel gerade mal 12.5 Minuten Eiszeit. Das ist sehr wenig und entspricht in etwa einem Viertlinien-Stürmer. Zehn Stürmer stehen beim HCD pro Spiel länger auf dem Eis: Ambühl, Corvi, Little, Marc Wieser, Buck, Sciaroni, Kousal, Dino Wieser, Aeschlimann und Simion. Arno Del Curto vertraut Mauro Jörg offensichtlich nicht mehr zu.

 

Bei numerischen Gleichstand (z.B. 5 gegen 5 Feldspieler) ist seine Bilanz sogar noch schlechter. Nur gerade Nando Eggenberger und Yannik Frehner erhalten pro Spiel noch weniger Eiszeit. Einzig im Boxplay zählt Jörg zu den Top-6 Stürmern des HCD. Alle deutet darauf hin, dass der HCD in Mauro Jörg einen klassischen Bottom-Line-Spieler sieht, der fürs Unterzahl-Spiel geeignet ist.

 

Aber ist das die ganze Wahrheit?

 

Nein.

Um die Produktivität eines Spielers zu messen, darf man nicht nur das blanke Resultat in der Skorerliste anschauen (graue Balken im oberen Diagramm). Zu viele Faktoren verwässern diese Statistik: Da wäre zum Beispiel der Fakt, dass nicht alle Spieler gleich viel Eiszeit erhalten. Oder dass nicht alle Spieler im Powerplay eingesetzt werden, wo logischerweise die Punkteausbeute ein Vielfaches höher ist als bei numerischem Gleichstand.

 

Um eine wirkliche gestützte Aussage zu treffen, gilt es darum, die Punkteausbeute ins Verhältnis zur Eiszeit zu setzen, und die Special Teams auszublenden. Man redet hierbei von der P/60 5v5, oder anders gesagt: Punkte pro 60 Minuten Eiszeit bei numerischem Gleichstand.

 

Und dann kommt man zu einem erstaunlichen Bild:

Marc Wieser ist der produktivste Stürmer beim HCD. In 60 Minuten Eiszeit bucht Wieser 2.75 Punkte. An zweiter Stelle folgt der Sniper Broc Little mit 2.35 Punkten pro 60 Minuten. Und an dritter Stelle? Richtig. Mauro Jörg mit 2.23 Punkten pro 60 Minuten.

 

Mauro Jörg erhält zwar nicht viel Eiszeit, und darf im Powerplay praktisch nie aufs Eis. Bei numerischem Gleichstand holt der Domat/Emser aber praktisch das Maximum heraus. Er bucht mit 1.59 Assists pro 60 Minuten die meisten Vorlagen im gesamten Team und nutzt seine Eiszeit dementsprechend effektiver als die „grossen“ Namen wie Enzo Corvi, Andres Ambühl oder Robert Kousal.

 

Jörg ist kein Sniper. Seine beste Torausbeute in seiner Karriere waren 14 Treffer. Das war 2014/15, in seiner ersten Saison beim HCD. Er hat die 30-Punkte-Grenze noch nie geknackt. Er ist auch kein Powerplay-Spezialist. Mauro Jörg ist der klassische Ergänzungsspieler, der im Unterzahl-Spiel eine wichtige Rolle spielen kann.

 

Aber eines hat der Churer Stürmer nun mehrfach bewiesen: Bei numerischem Gleichstand nutzt er seine Eiszeit optimal und produziert wie ein Erstlinien-Stürmer – wenn Jörg auf dem Eis steht, bewegt sich das Spiel ins gegnerische Drittel.

 

Vielleicht kann er mit etwas mehr Eiszeit das Zünglein an der Waage in den Playoffs sein.

 

(Bild: Youtube, Stats: SIHF, Eliteprospects. Berücksichtigt sind nur Spieler mit mindestens 10 Regular Season Spielen.)

author

Richi Brändli

Redaktor Eishockey
Ehemaliger Kolumnist bei GRHockey, Plausch-Spieler und Fan von regionalem bis internationalem Eishockey.