Es zählen nur der Kopf und die Figuren

Es zählen nur der Kopf und die Figuren

Mit weniger als 10 Prozent Frauenanteil darf Schach als Männerdomäne bezeichnet werden. Anna Adzic spielt im Schachclub Chur und misst sich vorwiegend mit Männern.  Es scheint ganz so, als ob sich die naturgegebene Überlegenheit der Männer im Schach als nicht mehr als ein hartnäckiges Vorurteil entpuppt.

Anna wurde am 3. September in Szeged, Ungarn geboren. Sie wuchs in einer zweisprachigen Familie auf: mit ihrer Mutter sprach sie Ungarisch und ihr Vater, der aus Serbien kommt, brachte ihr die serbische Sprache bei. In Szeged absolvierte sie die ersten sechs Jahre der Primarschule. Als sie sechs Jahre alt war, spielte sie ihr erstes Schachturnier und mit acht fing sie an, regelmässig Schach zu spielen. Daneben probierte sie dank ihrer vielseitigen Persönlichkeit unterschiedliche Hobbys, hörte aber mit dem Schachspielen nie auf. Im Februar 2013 zog Anna mit ihren Eltern in die Schweiz. Ihre erste Destination war Roveredo, im italienischsprachigen Misoxertal. Dort lernte sie die italienische Sprache und absolvierte die Sekundarschule. Nachdem sie die Aufnahmeprüfung der Bündner Kantonsschule bestand, zog sie mit ihren Eltern nach Chur und besuchte das Gymnasium.
Momentan ist sie in der 5. Klasse der Bündner Kantonsschule und macht die zweisprachige Matura (Italienisch-Deutsch).

Wie bist du zum Schach gekommen?

Mein Vater hat mir Schach beigebracht. Er ist, und war schon damals, FIDE-Meister und spielte viel Schach.

Welche Schachfigur spiegelt deinen Charakter am Besten wider und weshalb?

Der Springen, da er sich an fast jede Situation anpassen kann, und er ist oft voll gefährlicher Überraschungen für den Gegner.

Wer hat dich am meisten geprägt in schachlicher Hinsicht?

Am meisten sicherlich meine Eltern, die mich nicht nur beim Schachspielen sondern auch bei meinen restlichen Hobbys und Entscheidungen immer unterstützen. Auch meine beste Kollegin, welche Spitzensportlerin ist, ist mir oft von grosser Hilfe und ein guter Einfluss. Schachlich war es immer mein Vater, der mir am meisten geholfen hat und der auch mein grösstes Vorbild ist.

Schach ist eine Männerdomäne und das Thema Frauenschach ist mit vielen Vorurteilen behaftet. Wie erlebst du das und wie stehst du dazu?

Meiner Meinung nach ist die Tatsache, dass Frauen in der Vergangenheit sehr unterschiedliche Aufgaben und Tätigkeiten von Männer hatten, verantwortlich für diese Vorurteile. Ein “Teufelskreis” ist entstanden, in dem das Frauenschach wegen Konventionen anders angesehen wird als Männerschach, was dazu führt, dass Frauen tatsächlich nicht so weit im Schach kommen wie Männer, was dann wieder die Vorurteile bestätigt. Ich bin aber überzeugt, dass die Entwicklung schon begonnen hat, und das Frauen diesen Kreis bald abbrechen werden.

Wie erklärst du einem Laien die Faszination des Schachspiels?

Ich finde, die Faszination dieses Spiels kann man nicht wirklich fassen, bis man es selber nicht erlebt hat. Jedoch ist es wunderschön, dass Schach der Sport des Geistes ist und Geschlecht, Alter, physische Stärke oder andere Fähigkeiten nicht wirklich zählen – es gibt nur den Kopf und die Figuren.

Warum gibt es so wenig Schach spielende Frauen? Wie könnte man dem deiner Meinung nach Abhilfe schaffen?

Ich glaube, die geringe Zahl von Schach spielenden Frauen kann man auch auf das oben erwähnte Phänomen zurückführen. Eine Rolle spielt vielleicht auch die Tatsache, dass Frauen eine sehr grosse Auswahl an Hobbys haben, unter welchen das Schachspiel immer noch nicht so populär ist.

Die Veränderung wird wahrscheinlich aus einer Kombination vom Popularisieren von Schach und vom Verschwinden der Konventionen über Frauenschach stattfinden.

Welchen Traum würdest du dir  gerne noch erfüllen?

Ich wünsche mir noch einen internationalen Titel, mindestens FIDE-Meisterin, da so etwas natürlich für immer bleibt. Ein Traum wäre noch in der Schweizer Frauennationalmannschaft zu spielen.

Machst du auch Musik? Und wenn ja, welche und wie? 

Ja, ich spiele Klavier. Früher nahm ich für ein paar Jahre regelmässig Lektionen, jetzt spiele ich aber nur noch zu Hause, wenn ich Zeit habe.

Spielst du auch mit deinen Freundinnen?

Sehr selten, keine von meinen Freundinnen spielt Schach, einige kennen aber die Regeln.

Hat es auch Vorteile als Frau in einem Männer dominierten Sport?

Sicher und zwar, dass man sich noch spezieller fühlt. Schach spielen können ist allein schon ein Privileg, aber als Spielerin nähert man sich an das moderne Bild von Frauen, wofür momentan sehr viele Frauen kämpfen.

(Bild: U. Schmid)