HC Davos 2019/20: Fünf Fragezeichen und eine furchtlose Prognose

HC Davos 2019/20: Fünf Fragezeichen und eine furchtlose Prognose

Reto Hartmann
13.09.2019

Der HC Davos steigt heute Freitagabend auswärts bei den ZSC Lions in die Eishockey-Saison 2019/20. Nach dem missglückten Vorjahr mit dem Fall der Davoser Coaching-Legende Arno del Curto ist vieles neu beim Rekordmeister. Wir beantworten vor dem Saisonstart die fünf brennendsten Fragen.

 

[tps_title][/tps_title]1. Gelingt der kulturelle Wandel in Davos?

Lange hat die Einmann-Show von Arno del Curto in Davos bestens funktioniert, ehe das Kartenhaus letzten Winter auf spektakuläre Art und Weise zusammengefallen ist. Der Lette Harjis Witolinsch hat den HCD auf professionelle Art mit aller Ruhe vor dem lange möglichen Worst Case Szenario Abstieg bewahrt, ehe sich die Klubführung für eine Tabula Rasa entschied. Mit Coach Christian Wohlwend (neu, bisher Assistent Nationalmannschaft), Sportchef Raeto Raffainer (neu, bisher Sportchef Nationalmannschaft) und Geschäftsführer Marc Gianola geben neu drei Engadiner den Ton beim HCD an. Und sie haben mächtig Gas gegeben: Die Staff besteht neu aus zwölf Fachleuten, neue Trainer links und rechts sorgen für ein professionelles Umfeld, wie es ausser in Davos in der National League längst gang und gäbe ist.

Der Kulturwandel scheint bei den Profis gut angekommen zu sein. Nach einem motivierten Sommertraining ist auch die Saisonvorbereitung (inkl. 12:0-Cup-Sieg in Frauenfeld vom Mittwoch) mit zuletzt sechs Siegen in sieben Spielen gelungen. Die Verletzungshexe hat den HCD zwar auch dieses Jahr nicht verschont, im Gegensatz zum letzten Jahr scheint der Rekordmeister gleichwohl bereit zu sein. Die positive Energie bei den Gelb-Blauen ist spürbar, zuallererst beim 42-jährigen Neo-Coach Christian Wohlwend: «Es macht so viel Spass mit den Jungs. Sie geben Gas. Und der ganze Trainerstaff ist super motiviert und glücklich, dass er hier arbeiten kann. Die Intensität auf dem Eis ist sensationell.»  

 


[tps_title][/tps_title]2. Welchen Einfluss hat die Stadion-Renovation?

Wegen des Umbaus des Eisstadions muss der HC Davos seine ersten acht Meisterschaftsspiele auswärts bestreiten. Ein Nachteil? Optimal ist dies sicher nicht für ein Team, das letztes Jahr im ersten Qualiviertel derart mies spielte, dass wegen des Fehlstarts letztlich die ganze Saison den Bach runterging.

Gelingt es dem HC Davos diese Saison hingegen, nach der Startphase bei den Leuten zu sein, könnte sich der nachher folgende Heimvorteil auch als Stärke herausstellen. HCD-Coach Wohlwend hält nicht viel von ‹Was wäre, wenn…?‘-Fragen. «Das ist nun mal so, es ist mir egal», äusserte er sich in einem Interview mit der Davoser Zeitung. Der Stadion-Umbau wird übrigens erst 2021 abgeschlossen sein. Mehr Infos gibts hier.

 

[tps_title][/tps_title]3. Hat der HC Davos überhaupt die Qualität für die Playoffs?

Für die Playoffs fehlten letztes Jahr 24 Punkte. Es braucht ein Kraftakt, um eine solche Hypothek innert einer Saison wegzuspielen. Wohlwend ist zuversichtlich, mit Andres Ambühl, Enzo Corvi, Félicien Du Bois, Marc und Dino Wieser sowie Fabrice Herzog (neu von den ZSC Lions) und den ausländischen Verstärkungen genügend Leader im Team zu haben. Der Saisonstart wird für Davos eminent wichtig. Sind Ambühl, Corvi, Marc Wieser und Co. im Herbst verletzt oder ein Totalausfall wie letztes Jahr, wird es ganz schwierig. Vor allem auch, wenn die Ausländer wie letzte Saison verletzt ausfallen oder erst wieder im Aufbau sind.

In der Vorbereitung mussten die neuen Söldner im Sturm, Aaron Pelushaj (USA) und Mattias Tedenby (SWE), mehrere Spiele passen, dazu fällt Verteidiger Magnus Nygren mit einer Knieverletzung bis ins neue Jahr aus – für ihn wurde der finnische Offensiv-Verteidiger Otso Rantakari geholt. Von Perttu Lindgren ist ein Jahr nach seinem Comeback ein weiterer Schritt in Richtung seiner Glanzzeiten im HCD-Jersey zu erwarten. Davos hat potenziell zwei sehr gute Linien, eine solide dritte und eine vierte bestehend aus vielversprechenden Jungen. Die Prognosen prophezeien Davos irgendwo zwischen Rang 6-10 in der National League. 

 

[tps_title][/tps_title]4. Was sind die grössten Fragezeichen im Team?

Siehe Fragen 1-3: Wie gut klappt der Wechsel zu einem professionell geführten Sportverein? Gelingt der Saisonstart trotz der vielen Auswärtsspiele? Wie gut sind die Schweizer Teamstützen und die ausländischen Verstärkungen drauf? Rein sportlich muss man aber vor allem um die Verteidigung besorgt sein. Letzte Saison war die Defensive um den wenig stilsicheren Goalie Anders Lindbäck löchrig und fahrig, erst mit einem zusätzlichen ausländischen Defensivverteidiger – Tomas Kundratek – stabilisierte sich das Team. Der Tscheche ist weg, wie auch Goalie Lindbäck, und Nygren ist verletzt. Der neu geholte Rantakari dürfte zwar offensiv für Spektakel sorgen, ob er aber auch die nötige defensive Stabilität bringt, wird sich zeigen.

Felicien DuBois ist der unangefochtene Leader in der Verteidigung, auch von Lukas Stoop und dem nach Davos zurückgekehrten Samuel Guerra (von Ambri) versprechen sich die Verantwortlichen Routine und Sicherheit. Man darf gespannt sein, ob Claude-Curdin Paschoud und Sven Jung nach einem mässigen letzten Jahr wieder einen Schritt nach vorne machen.

Das grösste Fragezeichen besteht aber auf der Goalieposition, wo der HCD auf ein unerfahrenes Schweizer Duo setzt: Sandro Aeschlimann (bisher Ersatzgoalie in Zug) und Joren van Pottelberghe (letzte Saison als Nummer 3 nach Kloten in die NLB abgeschoben) haben die schwierige Aufgabe, im Tor für Stabilität zu sorgen. Aeschlimann ist in der Pole Position und hat sein Potenzial schon oft aufblitzen lassen – voraussichtlich ist diese Saison seine grosse Chance.

 

[tps_title][/tps_title]5. Wer ist beim HCD für eine Überraschung gut?

Wie, ob und welcher Ausländer in Davos einschlagen wird, ist immer schwer zu sagen. Sowohl Palushaj, Tedenby, Rantakari oder auch Lindgren haben auf dem Papier das Zeug, um in dieser Saison gross aufzutrumpfen. Als eine Überraschung könnte man dies gleichwohl nicht werten, schliesslich wurden sie ja nach Davos geholt, um einen Impact zu erzielen. Auch von Fabrice Herzog, zugezogen von den ZSC Lions, wird in Davos viel erwartet. Der 24-jährige Nationalspieler hat in seiner Karriere die 10-Tore-Marke noch nie geknackt, in Davos könnte/dürfte/müsse es endlich klappen. Mit sechs Toren war Herzog in der Vorbereitung der treffsicherste Davoser (ein Tor mehr als Corvi). Der drittbeste Davoser Torschütze in der Preseason war der erst 18-jährige österreichische Nationalspieler Benjamin Baumgartner mit vier Toren, unter anderem ein Doppelpack beim 6:3 gegen die ZSC Lions. Baumgartner ist der Headliner einer aufstrebenden jungen Generation: Letzte Saison spielte er bereits 31 Spiele beim HCD und holte dabei beachtliche 12 Skorerpunkte. Auch der 21-jährige Churer Yannick Frehner oder der 19-jährige Nordamerika-Rückkehrer Nando Eggenberger könnten diese Saison für eine positive Überraschung gut sein.

[tps_title][/tps_title]Die furchtlose Prognose

Der HC Davos schafft die Playoffs 2019/20. Es ist schwer vorstellbar, dass wieder alle Stricke reissen wie im letzten Winter. Einer der beiden neuen ausländischen Stürmer wird diese Saison 20 Tore schiessen, dazu sollte auch Marc Wieser sein Tief aus dem letzten Winter überwunden haben und wieder bessere Pucks serviert bekommen. Enzo Corvi und Andres Ambühl werden die Leaderrollen übernehmen, wie sie es letzten Winter (erst) in den Playouts taten. Und im Tor wird Sandro Aeschlimann seine Chance packen und beweisen, dass er das Zeugs zum Stammkeeper in der NLA hat. Auch in der Verteidigung zeigt sich der HCD zumindest nicht schwächer als letzte Saison, die Jungen sind etwas mehr gereift und werden von etwas mehr Schweizer Routine supportet.

Kommen die Bündner um gröbere Verletzungen herum, dürfte das Team von Christian Wohlwend mehr Substanz aufweisen als Ambri, Langnau, Fribourg, Genf oder Rapperswil. Von einem Spitzenteam ist Davos zwar weit entfernt, mit einem 7. Platz nach der Regular Season könnte man im Landwassertal diese Saison aber sicher gut leben. 

 

(Archivbild: GRHeute)

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Reto Hartmann

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Der eingefleischteste Sportfan im Kanton. Schreibt, was er will und sagt, was er denkt.