Wie unabhängig ist GRHeute?

Wie unabhängig ist GRHeute?

Wildmannli ist krank und kann darum heute nicht an den Stammtisch. An seiner Stelle veröffentlichen wir hier den offiziellen GRHeute-Redaktionsblog.

 

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[tps_title]1. Was gut lief und was nicht[/tps_title]

Der erste Meilenstein ist geschafft. Nach sechs Wochen GRHeute können wir vor dem Wahl-Weekend ein erstes Fazit ziehen. Und wir schauen zurück auf Geschichten und Gerüchte vom Start bis heute und zeigen einen Blick hinter die Kulissen.


Um es gleich vorweg zu nehmen: GRHeute ist leise, aber kraftvoll in die Medienlandschaft gestartet. Wir wollten bewusst kein grosses Start-Brimborium, sondern organisch über Inhalte eine Stammleserschaft gewinnen. Das ist uns gelungen. Aber wir müssen noch bekannter werden. Der Themenmix – der sich zwischen ausgewählten News, Analysen, Blogs und Meinungen zu Bündner Themen bewegt – reift von Woche zu Woche.

Ziel war und ist es, Standardthemen mit einem GRHeute-exklusiven Mehrwert anzureichern: So stösst beispielsweise die Polizeiradio-Karte, wo man auf einen Blick sieht, wo die Polizei in den letzten Wochen Einsätze leisten musste, auf Interesse. Und es zeigt ganz nebenbei, wie viel die Polizei in Graubünden im Grunde zu tun hat.

Besonders erfolgreich positioniert haben wir uns in verschiedenen Sportszenen, wo Kolumnisten wie Adrian Capatt (Unihockey), Marius Zarn (Fussball), Richi Brändli (Eishockey) und Robin Haas (Football) viel beachtete Beiträge schreiben. Auch im News-Bereich konnten wir dank unserer Reporterin Rachel Van der Elst schon den einen oder andern Primeur landen (z.B. die Verzögerung beim Umbau des Schwimmbads Zizers).

Persönlich überrascht haben mich die hohen Klickzahlen der Blogs: Linas Mosers Porträts von «Lüt vu Graubünda» gehören zu den beliebtesten Gefässen überhaupt, Daniel Kuonis erster Fotoblog in der letzten Woche kam ebenfalls gut an. Auch die Insider-Berichte von Giovanni della Torre zu den Vorwahlen in den USA 2016 wurden vergleichsweise oft gelesen.

Zufrieden sind wir auch mit dem Anspruch, Bündner Themen, die in anderen Medien erscheinen, abzudecken sowie mit den Fotoserien von Charly Bosshard, der an der Gehla, an der Schlagerparade oder am Alp-Festival die Bilder des Weekends lieferte.

Verbesserungspotenzial haben wir überall. Vor allem bei den Weekend-Sporttipps (trotz meiner Trefferquote…) sowie bei der Kultur- und Party-Vorschau fürs Wochenende. Auch die Kommentar-Funktion wird für unseren Geschmack viel zu wenig benutzt. Wenn kommentiert wird, dann eher über die sozialen Medienkanäle – oder via Mail. Immerhin konnten wir die Interaktionen durch den Ausbau der Seite um einen Leserbrief-Bereich verstärken.

Sehr bewährt hat sich die Zusammenarbeit mit der Agentur EQ Images, die und professionelle Foto-Qualität auf GRHeute ermöglicht. Von der technischen Seite her läuft GRHeute auf allen Plattformen und Browsern reibungslos, bisher wurde so gut wie kein Bug entdeckt, bzw. gemeldet.

Ab der nächsten Seite schauen wir auf die umstritteneren Themen zurück.

[tps_title]2. Die Josias-Gasser-Ökomobil-Story[/tps_title]

Kommen wir zu schwierigeren Themen, sprich der Politik und den Wahlen 2015. GRHeute ist diesbezüglich von einigen Seiten kritisiert worden. In der zweiten Woche veröffentlichten wir einen Kommentar mit dem Titel «Warum die FDP gewinnen wird». Prompt klopften uns Freisinnige wohlwollend auf die Schultern.

Kurz darauf veröffentlichten wir zeitgleich mit der grössten Schweizer Zeitung 20 Minuten einen nationalen Primeur über den fragwürdigen Einsatz von Josias Gassers Ökomobil. Es wurde bei 20 Minuten die meistgeklickte Geschichte des Tages. Dass die Zeitungen der Südostschweiz das Thema nicht aufnahmen, war für mich aus unternehmerischen (nicht aber aus journalistischen) Gründen nachvollziehbar. Die Geschichte offenbarte noch weitere Sidestorys, die für Herrn Gasser nicht unproblematisch sind. Allerdings sahen wir davon ab, diese zu veröffentlichen. Zum einen, weil diese weniger sein politisches Amt betreffen, zum andern, weil wir uns nicht schon zum Start dem Vorwurf des Kampagnen-Journalismus aussetzen wollten.

Als wir zwei Wochen später einen Kommentar veröffentlichten, in dem wir forderten, dass SP-Vertreter Jon Pult in den Nationalrat gehöre, brandete Kritik von bürgerlicher Seite auf. Und von der SVP, nachdem wir eine Geschichte über die Partei-internen Abweichler brachten, die Magdalena Martullo-Blocher und nicht Heinz Brand im Nationalrat haben wollen. Die Unternehmerin aus Ems sorgte schon vorher für landesweite Schlagzeilen, und: Es handelt sich um die erfolgreichste Bündner Unternehmerinnen. So war es naheliegend, die Tochter von Christoph Blocher in einem längeren Interview zu den Nationalratswahlen auszuhorchen. Und klar, jetzt war GRHeute für viele plötzlich wieder SVP.

Auf der nächsten Seite gehts um das Inserat von Magdalena Martullo-Blocher.

[tps_title]3. Das Inserat von Magdalena Martullo-Blocher[/tps_title]

Eine tägliche Zeitung herauszubringen, ist eine interessante Sache. Das Spannungsfeld zwischen Anspruchsgruppen und Lesermeinungen knistert. Das zeigte sich bei einer weiteren Episode, der der Werbung: Ursprünglich wollten wir bis Ende 2015 keine Inserate auf GRHeute schalten, schon gar keine Wahlwerbung. Wir haben dann aber innert einer Woche drei Anfragen erhalten, so dass wir das Thema nochmals intern diskutierten. Um alle Parteien gleich zu behandeln, legten wir fest, dass alle KandidatInnen das gleiche Angebot erhalten sollten – eine einzige mögliche Inseratfläche zu einem Vorzugspreis bis zu den Wahlen. Martullo-Blocher buchte eines, Herr Gasser zog seine schriftliche Zusage aus «zeitlichen Gründen» zurück. Die dritte Anfrage scheiterte letztlich an den Finanzen.

Und so blieb die Anzeige von Frau Martullo-Blocher, was vor allem die Kreativität der Bündner Twitter-Gemeinde beflügelte. Zwei Twitterer, die übrigens bei der Somedia auf der Payroll stehen, kritisierten einen Artikel über eine erfolglose Juso-Demonstration vor der Ems-Chemie, weil daneben das Inserat von Martullo-Blocher stand – schnell war ein Zusammenhang konstruiert. Dass die Anzeige auch auf allen anderen 368 bisher erschienenen Seiten auf GRHeute auftaucht, spielte da keine grosse Rolle. Konstruktivismus in Reinkultur – die Leute sehen, was sie sehen wollen.

Umso amüsanter war auf der GRHeute-Redaktion das Zeitungsstudium an diesem Mittwoch, als Josias Gasser in der Südostschweiz mit Inserat und danebenstehender Kolumne auf Seite 2 auftauchte. Tja, wer im Glashaus sitzt – aber wir nehmen das gerne sportlich und freuen uns, dass die Bündner Onlinezeitung in Chur West offenbar registriert wird.

Auf der nächsten Seite sagen wir, wie unabhängig GRHeute wirklich ist.

[tps_title]4. Meinungsvielfalt als höchstes Gut der Demokratie[/tps_title]

Dass alt-Ständerat Christoffel Brändli als Gastkommentator für GRHeute schreibt, hat einige Twitterer zur Verschwörungstheorie verleitet, er sei der Drahtzieher hinter der Bündner Online-Zeitung. Ich kann diese Ideen hier offiziell ins Reich der Fantasie verbannen. Mein Vater spielt viel lieber Golf oder kümmert sich um seine sechs Enkelkinder. Aber natürlich ist er auch ein sehr interessierter Polit-Insider. Für GRHeute ist er ein Glücksfall: Seine Analysen sind immer noch messerscharf und bieten einen willkommenen Gegenpol zum meist linkslastigen Meinungs-Potpourri der Somedia.

Darum wiederholen wir gerne nochmal: GRHeute hat grundsätzlich eine bürgerliche Ausrichtung. Wir haben aber immer betont, dass wir für alle Meinungen offen sind. Wir wollen keinen ideologischen Einheitsbrei. Aber wir wollen auch Meinungen zu Wort kommen lassen, die in den letzten 10 Jahren in Graubünden keine Stimme mehr hatten.

Offenbar haben wir dadurch einige auf- und vielleicht auch abgeschreckt. Damit müssen wir leben. Wir wissen, wer wir sind. Wir sind Fans der Demokratie. Und zu einer Demokratie gehört Toleranz. Auch gegenüber anderen Meinungen. Das bieten wir auf GRHeute: Jeder hat die Möglichkeit, Beiträge bei GRHeute einzureichen – ob links, ob Mitte, ob rechts. Dass dies gewisse Kreise im Kanton entsetzt oder zumindest verwirrt, zeigt für mich nur, dass man sich echte Meinungsvielfalt gar nicht mehr gewöhnt ist in Graubünden.

Andere Meinungen werden sofort abgekanzelt, zuhören können die wenigsten. Dafür feuern sich die «usual suspects» auf ihren «usual networks» gegenseitig an und bestätigen sich mit Inbrunst in ihren Meinungen. Ganz nach dem Motto: Man muss es nur genug sagen und hören, und schon hat man die Weisheit und die Wahrheit für sich gepachtet. Das ist Ideologie und Intoleranz in Reinkultur und genau das Gegenteil von dem, was diese immer predigen.

Um solche Ränkespielchen kann sich GRHeute nicht kümmern. Wir bleiben offen. Und wir bleiben unabhängig. Verpflichtet sind wir nur der Demokratie und der Wahrheit. Und der Meinungsvielfalt im Kanton Graubünden. Zu 100%. Amen.

 

(Bild: Pixabay)

 

author

Mathias Braendli

Redaktor Region/Sport
Marketeer, Ex-Journalist und Football-Blogger. Sound: Adam Green, Ryder the Eagle, Bob Dylan, Helloween. TV: Better Call Saul, Game of Thrones, Sport. Buch: Fall & Rise von Mitchell Zuckoff.