Graubünden neu erfinden

Graubünden neu erfinden

Reto Branschi
14.03.2017

Zugegeben, mein heutiger Titel weckt hohe Erwartungen. Aber nicht höhere als die, die unsere Gäste Tag für Tag an uns stellen. Betrachtet man ihn nämlich genau, besteht er aus «Graubünden» und «neu erfinden».

Es ist die Aufgabe aller Touristiker, Hoteliers, Beizer, Skischulleiter oder Detailhändler, ihr Angebot von Saison zu Saison weiter zu entwickeln. Dabei darf man aber nie zu weit gehen: schafft man zu viel Bekanntes ab, schafft man sich womöglich selber ab. Die meisten Menschen mögen nämlich gar keine Veränderungen, denn sie bringen Unsicherheit und diese wiederum bedeutet Gefahr. Das ist schon seit Jahrmillionen so.

Bei allem Erfindergeist und aller Liebe für Innovation darf man neben dem «neu erfinden» also nicht vergessen, dass unsere Gäste ihren Ferienort bei der Ankunft noch wiedererkennen müssen. Denn auch diejenigen unter ihnen die sagen, sie mögen Abwechslung, brauchen das Bekannte und Beliebte aus den letzten Ferien, um sich bei uns wieder wohl zu fühlen. Und dafür steht der Teil «Graubünden», im Titel dieses Beitrags.

Ein Freibrief für den Stillstand ist das aber nicht: denn selbst wenn wir still ständen, würde sich unsere Umgebung weiter verändern. Und genau deshalb brauchen wir als Tourismuskanton die Innovation. Die Lebens- und Konsumgewohnheiten unserer Gäste und Einheimischen haben sich in den letzten 10 Jahren so stark verändert wie wohl in den 50 Jahren davor nicht. 

Wer sich im Erfolg sonnt und zurücklehnt hat verloren: immer mehr Gäste buchen bei AirBnb statt im Hotel, Zalando & Co haben grosse Teile des Detailhandels an den Rand des Abgrundes gedrängt, manch eine Cash-Cow von gestern ist heute nur noch ein Gestell aus Haut und Knochen. 

Und dennoch gibt es Unternehmen in unseren Orten, die nach wie vor florieren. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass sie zwar viel Bekanntes weiter-, aber auch sehr viel Neues eingeführt haben. Nur wer kontinuierlich in Infrastruktur, Angebot und Mitarbeitende investiert hat, steht heute noch gesund da.

Sie alle sind Risiken eingegangen; haben lieb gewonnenes und nicht selten noch rentables Geschäft über Bord gekippt und dafür Neues aufgebaut, das ihnen heute die Margen bringt, die sie zum Überleben brauchen. Garantien für den Erfolg ihrer Innovationen hatten sie nie und haben sie auch heute nicht. Denn im Geschäftsleben gibt es – von den Steuern einmal abgesehen – nur eine Garantie: Wer sich nicht bewegt, geht ein.

Die Frühlingsferien stehen vor der Tür und die Versuchung ist gross, wieder den Lieblings-Golfplatz der letzten fünf Jahre zu buchen. Vielleicht sollten wir aber alle einmal Neues erkunden. Hoteliers könnten AirBnb buchen und herausfinden, was diese Plattform so beliebt macht. Detailhändler könnten die Gastfreundschaft von Familienhotels testen und überlegen, was davon sie für ihre Läden kopieren könnten. Und wir Touristiker? Wir sollten vielleicht alle in ein Land reisen wo wir weder Sprache noch Schriftzeichen kennen, uns fühlen wie ein fremder Gast in unserem Kanton und herausfinden, welche Emotionen Gastfreundschaft bei uns selber auslöst.

 

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Reto Branschi

Kolumnist Tourismus
Direktor/CEO Destination Davos Klosters