Lieber Regierungsrat

Lieber Regierungsrat

Dr. Jon Domenic Parolini. Wir haben uns kürzlich fast auf einer Tagung getroffen. Das heisst, ich war etwas früher da, musste dann aber auch früher gehen. Das mache ich an Tagungen immer so. Sie kamen später. Wann sie gegangen sind, weiss ich nicht. Ich hoffe, der Stehlunch war gut. Ich wollte noch ein Brötli mit auf den Weg stibitzen, hab mich dann aber doch nicht getraut. Was, wenn das Ihres gewesen wäre? Wo bei man das ja gar nicht weiss, aber eben. Ich habe ein paar Fragen da gelassen. Ob sie Ihnen tatsächlich zu gestellt wurden, ist mir nicht bekannt. Dazu aber später. Sie schreiben auf Ihrer eigenen Webseite, man solle sich zum Zwecke des Dialogs bei Ihnen melden. Das tue ich hiermit! Wenn Sie mich schon darum bitten, möchte ich meiner Bürgerpflicht nachkommen. Ich hoffe, dass Sie gut ins EKUD gestartet sind und die Mitarbeitenden nett sind. Das weiss man ja vorher nie. Glauben Sie mir, ich weiss, wie das ist. Auch hoffe ich, dass sie ein schönes Büro haben, mit Parkettboden, Fenstern und hellen Wänden. Und dass sie nun wissen, was Sie alles tun müssen. Ist ja schon noch ein grosses Departement, das Sie da leiten.

 

Ich musste kürzlich in meiner Bude auch ein neues Ämtli von meinem Vorgänger übernehmen. Ich sage Ihnen! Anfangs kam ich überhaupt nicht nach. Der hatte in all den Jahren auch ein eher kompliziertes System geschaffen. Dachte ich zumindest. Ich habe es ab er trotzdem genauso weitergeführt, wie er sich das wünschte. Ist wohl das Beste. Man soll sich am Anfang ja eher etwas zurücknehmen, sagt auch mein Nachbar. Nicht vorpreschen und so, meine ich. Eines Tages bemerkte ich aber, dass die anderen in der Bude gar nicht mehr so genau wussten, wie mein Vorgänger es gemacht hatte. Also fing ich an, sie auszutricksen. Ich habe ganz kleine Veränderungen eingebaut. Nach und nach. Einfach so. Und wissen Sie was? Das hat niemand gemerkt – echt jetzt! Das habe ich dann perfektioniert und unterdessen habe ich das ganze verfluchte System total umgebaut. Die Reklamationen kamen schon noch. Später. Aber eben, da war es schon zu spät. Das Ding lief ja bereits!

 

Ob das bei Ihnen funktionieren könnte, weiss ich nicht. Ich glaube aber, das wird schwierig. Bei den Kulturmenschen vielleicht schon noch, wobei die im Moment sicher genau hinschauen. Leute, die permanent das Gefühl haben, zu kurz zu kommen, sind da etwas schwierig. Und dann dieses Omert à -Gefasel aus Scharans. Da müssen Sie aufpassen! Die Abfallbewirtschafter sind glaube ich umgänglich. Die kenne ich nicht persönlich, finde sie aber immer sehr nett. Zumindest im Werkhof meiner Gemeinde. Weiss gar nicht, ob sie mit denen was zu tun haben. Bei den Schulen wird es sich er schwierig. Puh! Die machen doch eigentlich eh am liebsten, was sie wollen. Nur: Wenn sie es gut machen, sollen sie doch. Für Sie als Oberzampano ist das tausendmal angenehmer: Ihnen verraten, wenn sie es nicht eh schon wissen. Das schafft zudem Zeitressourcen. Dieses Zeitmanagementding ist heutzutage auch wichtig, sagt mein Nachbar. Vielleicht könnten Sie einfach neue Dinge erfinden, um den «sozialen Ausgleich», wie sie es auf Ihrer Homepage schreiben, sicherzustellen. Den Ansatz fände ich super und er ist zweierlei: dringend und wichtig! Eisenhower lässt grüssen. Herr Parolini, es warten einige A-Aufgaben: Grundsätzlich wird unsere Gesellschaft, auch im Kanton Graubünden, immer ungleicher. Das wäre mal per se ein Soziales Problem. Dann bestehen bei uns Soziale Probleme, welche der Kanton als solche nicht anerkennt. Dann braucht er nämlich auch nichts zu tun. Gegenmassnahmen werden nur nach Anerkennung des Phänomens als Soziales Problem getroffen. Das hat was mit Wirklichkeitskonstruktionen zu tun, sie wissen schon. Beispiele?

-Was ist da mit der Forderung des Mädchenparlaments 2017, etwas gegen Mobbing an Schulen zu unternehmen. Bis dato keine Antwort der Regierung!
-Die sogenannte «Integration» an Bündner Schulen ist heute Realität, da und dort scheint es noch knifflig zu sein: Welche Lösungen könnten hier gefunden werden, dass Inklusion in Graubünden nicht nur ein Schlagwort bleibt?
-Ich frage mich auch, weshalb der Kanton für Jugendliche mit sogenannt besonderen Lernbedürfnissen keine Ausbildungsplätze im Bereich der Praktischen Ausbildungen PrA anbietet. Und Anschlusslösungen?

-Weiter frage ich mich, weshalb es all diese wichtigen Angebote, welche man in Chur kennt, nicht zum Beispiel auch in Italienischbünden gibt.

 

Sie schreiben, man müsse Soziale Probleme angehen – Herr Parolini: welche, wann, wie?

 

Bei meinem Ämtli ist es nun eben so, dass meine Kolleginnen und Kollegen wirklich fest reklamiert haben. Ich habs dann auch eingesehen und mache es jetzt wieder so, wie es mir gezeigt wurde. Mit ein paar wenigen Verbesserungen. Dafür habe ich auch neue Dinge eingeführt, die kommen gut an und seit da ist die Stimmung im Team wieder viel besser. Klarheit schaffen, darum gehts.

 

Ich hoffe, lieber Jon Domenic Parolini, dass Ihnen das auch gelingt. A revair!

Liebe Grüsse, Christian Stalder

 

PS: Geht Ihnen das Wetter auch auf den Keks? Ich mag diese zickigen Frühlingswettereinbrüche nicht! Auf die Sonne ist ja auch kein Verlass mehr. Habe mir deshalb neu in der Landi eine Wärmelampe gekauft, bleib zuhause, lege mich in kurzen Hosen freudig räkelnd darunter und «singa schu wia gspunna und singa vu dr Sunna!».

 

(Symbolbild: GRHeute)

Kolumnist Bildung & Soziales, Schulleiter, Dozent und eine COIRASONhälfte. Zum Essen trinkt er Rotwein, beim Schreiben Espresso.