Am 4. März 2018 kommt die No-Billag-Volksinitiative zur Abstimmung. Dieses radikale und zerstörerische Vorhaben verlangt nichts weniger als die totale Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren in der Schweiz. Das hiesse Sendeschluss für die SRG und somit für das «Echo der Zeit», «Telesguard» oder für den «Bestatter». Aber auch 13 private Regionalfernsehen und 21 Regionalradios, die ebenfalls Gebührenanteile erhalten, wären existentiell bedroht. Radio und Tele Südostschweiz verlören auf einen Schlag rund 7 Mio. Franken Einnahmen pro Jahr. Ein Ja zu No-Billag würde uns in der Südostschweiz Information und «Bühne» entziehen. Ein Beispiel: die SRG investierte 12,5 Mio. Franken in das Grossprojekt Ski-WM St. Moritz. Das könnten sich private Anbieter im Schweizer Markt niemals leisten. Mit Werbung und Sponsoring lassen sich gerade einmal 10 bis 20 Prozent der Vollkosten abdecken.
Die regionale und viersprachige Berichterstattung würde weitgehend verschwinden. Ein Ja zu No-Billag wäre unserer solidarischen Schweiz nicht würdig. Obschon die Deutschschweiz rund 70 Prozent der Bevölkerung ausmacht, erhält SRF von jedem Gebührenfranken nur 43 Rappen. Der Rest kommt den anderen Landesteilen zugute. RTR bekommt 25 Millionen Franken aus der Abgabe für Radio und Fernsehen. Für Graubünden ist RTR nicht nur für Radio- und Fernsehsendungen wichtig, sondern auch als Chronistin unseres Kulturerbes in Bild und Ton. Mit 11‘000 eigenen Musikaufnahmen spielt RTR als Aufnahme- oder Medienpartner auch eine zentrale Rolle für unsere kulturtreibenden Amateurvereine vom Jodlerchörli bis zur Musikgesellschaft und für regionale und kantonale Gesangs-, Volksmusik- und Blasmusikfeste.
Ein Ja zu No-Billag würde nur Verlierer bringen. Für den Schweizer Film sähe es schwarz aus: kein kommerzieller Partner würde wohl 40 Millionen pro Jahr in den Schweizer Film investieren. Für die Bündner und Schweizer Musikerinnen und Musiker wäre es ein massiver Schlag, sie verlören ihre Bühne, müssten an Bekanntheit einbüssen und stehen deshalb nun auch lautstark gegen No-Billag auf. Und die Menschen mit Sinnesbehinderung verlören ohne Untertitelung und Gebärdensprache die Möglichkeit, Fernsehprogramme zu verfolgen. Das können wir nicht ernsthaft wollen.
Dank den Empfangsgebühren hat die Schweiz ein breites Programmangebot, das für kommerzielle Anbieter völlig unprofitabel wäre. Die Initianten und die (wenigen) politischen Befürworter blenden diese Realität einfach aus und bewirtschaften Illusionen, die mit der Marktrealität nichts zu tun haben. Die Finanzierbarkeit und Zahlungsbereitschaft vom Publikum gibt es allenfalls für Serien oder Livesport, allen voran Fussball. Die Preise für das Bezahlfernsehen, das Pay-TV, lägen aber deutlich höher als die gesamten Gebühren für das Vollprogramm der SRG. Ein Blick ins nahe Ausland genügt: in Deutschland zahlt ein deutscher Fussballfan ab der Saison 2018/2019 zum Beispiel 580 Franken pro Jahr für drei Abos bei Sky, DAZN und Eurosport Player, wenn er die Spiele der deutschen Meisterschaft, der Champions League und der Europa League sehen will. Und Randsportarten wie z. B. Volleyball, Leichtathletik oder Schwimmen blieben natürlich gänzlich auf der Strecke. Auch wer mit dem eigenen Portemonnaie abstimmt, sagt Nein zu No-Billag.
Es ist eine Tatsache, dass der freie Markt den Medienplatz Schweiz nicht unabhängiger oder vielfältiger machen würde. Im Gegenteil: die Medienkonzentration in der Deutschschweiz war noch nie so gross wie heute: die drei grössten privaten Medienhäuser vereinen über 80 Prozent des Pressemarktes. Vor 15 Jahren waren es noch 56 Prozent. Die Eliminierung der SRG und der 34 regionalen und lokalen privaten Radio- und Fernsehanbieter mit Gebührenanteil würde zu einer Stärkung der ausländischen Kanäle führen. Die Schweiz würde nur verlieren.
Die SRG ist keine heilige Kuh. Sie muss sich wandeln. So muss sie beispielsweise die Unterscheidbarkeit zu den privaten Medien stärken und mehr Mittel für die Informationssendungen einsetzen. Es ist aus staatspolitischen und gesellschaftlichen Gründen aber unerlässlich, dass die Schweiz weiterhin über einen unabhängigen und umfassenden medialen Service public verfügt. Die No-Billag-Volksinitiative ist keine Links-Rechts-Frage, keine Plattform für Symbol- und Protesthandlungen wegen missliebigen Sendungen, sondern eine „Alles-oder-nichts-Frage“, ein Frontalangriff auf die eidgenössische Solidarität und die schweizerische Identität. Wer der Schweiz Sorge trägt, stimmt Nein. Weil ihm oder ihr freie, unabhängige, vielfältige, qualitativ hochstehende Medien in allen Landesteilen der Schweiz etwas wert sind. Eine Annahme der Initiative wäre unschweizerisch und würde in unserem Land eine mediale Wüste hinterlassen. Darum empfehle ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, diesem unverantwortlichen Kahlschlag eine Abfuhr zu erteilen. Für unseren dreisprachigen Kanton Graubünden, für unsere Schweiz!
Das Politforum auf GRHeute besteht aus 12 PolitikerInnen aus Graubünden. Jede Woche nimmt eine/r zu einem aktuellen Thema Stellung.
(Bild: GRHeute)