«Ich konnte es einfach nicht lassen»

«Ich konnte es einfach nicht lassen»

Mena Dressler
25.01.2017

Lingerie verkauft Elisabeth Schmid in Samedan zwar nicht, aber wie Martha, die Protagonistin in „Die Herbstzeitlosen“, startete sie in einem Alter, in dem andere schon längst ihren Ruhestand geniessen, nochmals durch. Verkaufen war schon immer ihre Passion gewesen, und mit 78 Jahren erfüllte sich Frau Schmid einen Traum und eröffnete nochmal einen eigenen Laden.

Elisabeth Schmid liebt das Verkaufen, die Auswahl und Präsentation der Waren, aber vor allem liebt sie den Kontakt mit den Menschen. Sie hatte zuletzt vier Jahre lang eine eigene Geschenkboutique in Samedan, aber als in ihrem 65. Lebensjahr das Gebäude, in dem sich ihr Laden befand, an eine grosse Bank verkauft wurde, musste sie ihn schweren Herzens aufgeben. Anfangs sah sie es als eine Art Zeichen, schliesslich hatte sie das Rentenalter erreicht, aber sie spürte recht schnell, dass sie noch längst nicht bereit war, mit dem Arbeiten aufzuhören: „Nichts zu tun ist nicht mein Fall, ich muss immer etwas tun.“ Wie es der Zufall wollte suchte die Chesa Planta in Samedan damals gerade jemanden für Führungen, und so begann Elisabeth Schmids „Liebesbeziehung“ zu dem ehemaligen Patrizierhaus. 12 Jahre lang führte sie die Besucher durch das Wohnmuseum, im Winter einmal pro Woche und im Sommer zweimal wöchentlich. Das grosse Haus wurde ihr zu einem zweiten Zuhause, voller Freude und Begeisterung half sie auch in ihrer Freizeit mit, das ehrwürdige Gebäude auf Vordermann zu bringen.

«Ohne eine Laden fehlt mir etwas»

Seit 1960 fungiert die Chesa Planta als Museum, aber anfangs war nur ein Bibliothekar angestellt, da das Haus auch die Romanische Bibliothek beherbergt. Mit der 70-jährigen Elisabeth Schmid zog frischer Wind in das ehrwürdige Haus, sie machte, räumte und werkelte, rettete alte Möbel vom Estrich, richtete sie wieder her, und verhalf ihnen zu neuem Glanz. Aber das Verkaufen fehlte ihr, und so verwundert es wenig, dass ihr 2013 die Idee kam, einen Museumsladen in der Chesa Planta zu eröffnen. „Ich brauchte einen Laden, ohne einen Laden fehlte mir in meinem Leben etwas, ich konnte es einfach nicht lassen“ sagt sie selbst über ihre Beweggründe.

Anders als die Frauen in „Die Herbstzeitlosen“ musste sie sich Frau Schmid zum Glück nicht gegen Widerstände durchsetzen, im Gegenteil. Der Stiftungsrat der Chesa Planta war begeistert von ihrer Idee des Museumsladens und gab ihr freie Hand. Voller Elan räumte die damals 78-Jährige eine alte Rumpelkammer im Erdgeschoss leer, putze sie, und bestückte sie mit Möbeln, die sie in den hintersten Ecken des alten Hauses gefunden hatte. Damals wurden sogar die Medien auf sie aufmerksam, und das RTR machte eine Reportage über sie.

„Das Geld um den Laden zu eröffnen habe ich mir selber zusammen gebettelt, ich habe ziemlich viele Briefe geschrieben.“ Welche Funktion der Raum mit der wunderschönen Arvenholztäfelung, in dem sie heute ihre Waren präsentiert, ehemals erfüllte, weiss man nicht mehr genau. Die steile Treppe jedenfalls führte früher in eines der Schlafzimmer und war wohl entweder für das Personal, oder für die Liebhaber die heimlich verschwinden mussten, erzählt Frau Schmid schmunzelnd.

Ideen und Herzblut

Im Wohnteil begegnet dem Museumsbesucher immer wieder ein kleiner Vogel auf den alten Kachelöfen, und genau dieses wiederkehrende Motiv diente Elisabeth Schmid als Vorlage für Geschirrtücher, die sie für ihren Laden herstellen lässt. Er ziert ebenfalls die Marenda Säckli, die sie zuhause selbst näht – nur einer der vielen liebevoll ausgewählten Artikel, die sie in ihrem kleinen Reich verkauft, und ihr Verkaufsschlager, wie sie stolz erzählt. Ihre Lieferanten kennt sie ja noch aus früheren Zeiten, und sie ist froh, dass sie in ihrem Alter noch Ideen hat. „Ich gehe aber auch sehr gerne auf Einkaufsmessen, da kann ich immer wieder neue Ideen sammeln, das macht mir Spass.“

Vielleicht liegt es an ihrer familiären Vorgeschichte, dass sie mit so viel Herzblut an dem Haus hängt – schliesslich ist ihre Grossmutter väterlicherseits in dem alten Pförtnerhaus der Chesa Planta aufgewachsen, und auch Elisabeth Schmids Vater hat als Schreiner viele Arbeiten in dem schönen Haus erledigt. Frau Schmid steht noch in Kontakt mit der letzen Nachfahrin der Plantas, sie telefoniert oft mit der alten Dame, die auf die hundert zugeht. „Sie freut sich über meine Arbeit und ist voll des Lobes.“

Die gute Seele des Hauses

Inzwischen ist Elisabeth Schmid 82 und „wieder da und stolz darauf“, wie sie selbst sagt. Und stolz sein, das darf sie zu recht, denn ihre Idee kommt an, ihr Museumsladen ist heute schuldenfrei. Das Geld was sie mit dem Laden verdient investiert sie – wer hätte es gedacht – in ihre Leidenschaft, die Chesa Planta. Bis jetzt konnte sie bereits eine Vitrine anfertigen lassen, um das Hochzeitsgeschirr der von Salis und Plantas auszustellen, und die 5000 Franken für ihr nächstes Grossprojekt, 40 neue Kissen für die historischen Stühle, hat sie auch bald zusammen. Frau Schmid ist die unumstrittene gute Seele des Hauses, aufgeben kam für sie nie in Frage, und von ihrem Mut und ihrer Tatkraft kann sich so mancher Jüngere eine Scheibe abschneiden.

Und was wünscht sie sich für die Zukunft? „ Einen Nachfolger zu finden, der das hier freiwillig macht – das ist mein einziger Wunsch. Ich möchte den Laden so lange machen wie ich kann, aber ich frage mich schon, ob ich eines Tages einen Ausverkauf machen muss, das ist mein grösster Kummer.“

 

Der Museumsladen ist jeweils Donnerstags von 15.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.
Weitere Infos zur Chesa Planta gibts hier.

 

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Mena Dressler

Redaktorin Region Albula
Texterin mit bajuwarischen Wurzeln. Auf fast allen Kontinenten aufgewachsen, nun seit fast 13 Jahren im schönsten Kanton der Welt daheim. Sammelt Länder, liebt Berge, Sprache und Sprachen und gute Bücher.