Das Ziel ist klar: Eine CO2-neutrale Zukunft soll den Klimawandel stoppen. Aber welche Technologien ersetzen fossile Energieträger wie Erdgas, Benzin oder Diesel? Die meisten Hoffnungen ruhen auf ihm: grünem Wasserstoff. Die Schweizer Axpo produziert schon heute CO2-neutralen Wasserstoff und zeigt mit spannenden Zukunftsprojekten, wie die Energiewende gelingen kann.
Wasserstoff: dreimal mehr Energie als Benzin
Wasserstoff ist das leichteste aller Elemente. Ein Liter des Gases wiegt nicht einmal ein Zehntel Gramm. Zum Vergleich: Luft – auch nicht besonders gewichtig – ist mehr als 14-mal schwerer. Diese Eigenschaft faszinierte Ingenieure schon früh. Die ersten Zeppeline wurden zum Beispiel mit Wasserstoff befüllt, der den riesigen Luftschiffen ihren Auftrieb verlieh. Heute steht Wasserstoff aus einem anderen Grund im Fokus. Er ist nicht nur leicht, sondern auch besonders energiereich. Verglichen mit Benzin, setzt die Verbrennung der gleichen Masse Wasserstoff etwa dreimal mehr Energie frei. Noch deutlicher ist der Unterschied zu Holzpellets, hier liefert Wasserstoff die circa siebenfache Energiemenge. Das zeigt, welches Potential in dem unscheinbaren, geruchslosen und transparenten Gas steckt. Theoretisch könnten Schweröfen genauso mit Wasserstoff betrieben werden wie Autos oder gar Flugzeuge. Mit anderen Worten: Eine wasserstoffbasierte Zukunft ist möglich. Der Weg dorthin erfordert noch einige Entwicklungen, an der international tätige Unternehmen wie die Axpo schon heute forschen. Der Ansatz der Schweizer Energieversorgerin ist besonders wichtig. Sie geht der Frage nach, wie Wasserstoff klimaneutral produziert werden kann – und wie das Element auf diese Weise zur tragenden Säule der Energiewende werden könnte.
Grau, blau, grün: die Farbpalette des Wasserstoffs
Wasserstoff an sich ist nicht selten. Im Gegenteil, es ist das häufigste Element im Universum und auch auf der Erde kommt Wasserstoff in Massen vor – nur eben nicht als reines Gas, sondern überwiegend gebunden. Die wohl bekannteste wasserstoffhaltige Verbindung ist Wasser, jedes Molekül besteht aus zwei Atomen Wasserstoff und einem Atom Sauerstoff.
Neben Wasser ist Wasserstoff auch Bestandteil von Erdgas, Methan ist zum Beispiel aus einem Kohlenstoffatom und vier Wasserstoffatomen zusammengesetzt. Da sich Erdgas industriell gut spalten lässt, ist die sogenannte Dampfreformierung das heute üblichste Verfahren zur Herstellung von reinem Wasserstoff. Das Problem an der Methode ist, dass zum einen Ressourcen verbraucht werden – in diesem Fall Erdgas – und dass CO2 freigesetzt wird. Auf diese Art gewonnener Wasserstoff ist also nicht klimaneutral – er wird als grauer Wasserstoff bezeichnet.
Eine Abwandlung der Dampfreformierung besteht darin, das entstehende Kohlenstoffdioxid abzuscheiden und einzulagern. Auf diese Weise gelangt kein CO2 in die Atmosphäre – allerdings ist die Maßnahme teuer und wird selten durchgeführt. Das Produkt wird in diesem Fall als blauer Wasserstoff bezeichnet.
Die umweltfreundlichste Erzeugung von Wasserstoff ist die Elektrolyse von Wasser. Mittels Stroms wird dabei Wasser in seine chemischen Bestandteile getrennt, es entstehen also Wasserstoff und Sauerstoff. Wenn der dafür eingesetzte Strom aus regenerativen Quellen stammt, ist das gesamte Verfahren klimaneutral. So erklärt sich der Begriff „grüner Wasserstoff“. Wie dieser grüne Wasserstoff wirtschaftlich produziert, transportiert und genutzt werden kann, ist aktuell Gegenstand internationaler Forschungen. Die Schweizer Axpo nimmt im Bereich der Produktion eine Führungsrolle ein. Das Zukunftsprojekt Wasserstoff ist dem Unternehmen so wichtig, dass eine eigene Abteilung dafür geschaffen wurde.
So wird grüner Wasserstoff produziert
Wie klimaneutraler grüner Wasserstoff produziert wird, zeigt ein Prestigeprojekt der Axpo: das Kraftwerk Reichenau. Gemeinsam mit dem Kooperationspartner Rhiienergie errichtet die Schweizer Energiespezialistin eine Wasserstoffproduktionsanlage am Wasserkraftwerk Reichenau, an dem die Axpo mehrheitlich beteiligt ist. Der Strom aus den Turbinen, der ganz ohne CO2-Freisetzung produziert wird, fließt unmittelbar in die Wasserstoffproduktion. Die Anlage mit einer Leistung von 2,5 Megawatt kann pro Jahr bis zu 350 Tonnen grünen Wasserstoff produzieren. Das entspricht einem Äquivalent von 1,5 Millionen Litern Diesel.
Ein ähnliches Projekt ist am Wasserkraftwerk Wildegg-Brugg, das im Besitz der Axpo ist, in Umsetzung. Auch hier stammt der Strom für die Elektrolyse aus Wasserkraft, was die Schweiz zu einem idealen Standort für die Wasserstoffproduktion macht. Die Leistung des Kraftwerks ist noch einmal höher, sodass bis zu 2.000 Tonnen Wasserstoff erwartet werden. In Wildegg-Brugg läuft zudem ein Pilotprojekt für die Nutzung des grünen Wasserstoffs an. Ein Teil der Produktionsmenge soll über eine Pipeline zu lokalen Tankstellen gelangen, unter anderem kooperiert die Axpo hierfür mit Voegtlin-Meyer. Dort können Pkw, Lkw und Busse mit dem umweltfreundlich gewonnen Gas betankt werden. Die Menge wird voraussichtlich ausreichen, um 300 Lastwagen und Busse jährlich zu betreiben. Damit leistet die Axpo unmittelbar einen Beitrag zur Dekarbonisierung des Straßenverkehrs in der Region.
Beim Betrieb von Fahrzeugen mit Wasserstoff gibt es darüber hinaus eine weitere Besonderheit. Die Antriebsenergie wird nicht durch eine Verbrennung des Gases bereitgestellt. Das ist bei Wasserstoff zwar möglich, aber nicht die erste Wahl. Stattdessen kommen Brennstoffzellen zum Einsatz. Das sind elektrochemische Zellen, die ähnlich wie eine Batterie funktionieren. Allerdings sind die reagierenden Verbindungen – hier Wasserstoff und Sauerstoff – nicht Teil der Batterie. Stattdessen wird der Wasserstoff aus dem Tank zugeführt, der Sauerstoff stammt aus der Luft. Es handelt sich also gewissermaßen um eine Mischung aus Verbrennung und Akkubetrieb. In jedem Fall entsteht als „Abgas“ nur reines Wasser. Die Autos mit Brennstoffzelle verfügen über einen Elektromotor, müssen jedoch nicht lange geladen werden. Die Betankung funktioniert ähnlich schnell wie bei Benzin oder Diesel.
Gerade im Bereich des Schwerlastverkehrs ist Wasserstoff als Treibstoff eine spannende Alternative zu Diesel und zu batterieelektrischen Fahrzeugen. Während Diesel bekanntermaßen klimaschädlich ist, sind Batterien im großen Maßstab für Lastkraftwagen eine technische Hürde. Sie würden viel Raum einnehmen, eine hohe Masse mitbringen und wären umständlich zu laden. Bei Wasserstoff ist dies anders. Die ersten Projekte mit Wasserstoff-Lkw sind bereits angelaufen und zeigen Erfolge. Noch ist diese Form der grünen Logistik ein Nischenphänomen, das soll sich aber bald ändern. Es wird erwartet, dass die Infrastruktur für Wasserstofftankstellen in der Schweiz sowie in Europa in den kommenden Jahren deutlich ausgebaut wird. Auch das Thema E-Fuels ist nach wie vor in der Diskussion. Sie basieren auf grünem Wasserstoff, sofern sie wirklich klimaneutral sein sollen.
Wasserstoff als Energieträger der Zukunft
Die Brennstoffzelle ist nicht die einzige Option, die Energie aus dem grünen Wasserstoff zu nutzen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Ammoniak oder Methan zu synthetisieren. Beide haben den Vorteil, dass sie gut speicherbar und einfach zu transportieren sind – bei reinem Wasserstoff ist das anders. Zudem sind beide Stoffe wichtige Ausgangschemikalien und könnten auf diesem Weg weitere energieintensive Ressourcen ersetzen. Die Möglichkeiten, grünen Wasserstoff zu nutzen, sind also ausgesprochen vielfältig.
Weitere Projekte sind in Planung
Die Wasserstoffindustrie in Europa ist im Aufbruch und so sind auch bei der Axpo zahlreiche weitere Projekte in Planung. Ein großer Vorteil für die Schweizer Energiespezialistin liegt darin, dass sie Expertise und Infrastruktur unter einem Dach vereint. Zu den zukunftsorientierten Forschungsprojekten gehört zum Beispiel eine Kooperation mit ABB in Italien. Hier geht es darum, Machbarkeiten und Möglichkeiten entlang der gesamten Lieferkette zu erforschen. Insider erwarten spannende Erkenntnisse für die Nutzung von grünem Wasserstoff heute und in der Zukunft. Wegen der gesellschaftlichen Wichtigkeit werden die Kooperationspartner hierbei von der EU unterstützt.
(Bild: zVg)