Andreas Wieland: «Hoffentlich ist Graubünden mutig genug»

Andreas Wieland: «Hoffentlich ist Graubünden mutig genug»

[tps_header]Wer behauptet, hinter Graubünden 2026 steckten wieder dieselben Köpfe wie 2022, hat Unrecht. Zumindest was die Spitze der Promotoren anbelangt. Hamilton-CEO Andreas Wieland war beim letzten Bündner Olympia-Projekt noch klarer Gegner, diesmal steht er an vorderster Front auf der Ja-Seite. Wir haben den erfolgreichen Unternehmer zum Interview gebeten.[/tps_header]

Aus Sicht der Olympia-Promotoren hat sich Andreas Wieland vom Saulus zum Paulus gewandelt. Als einflussreicher Gegner sprach er sich vor drei Jahren gegen das Bündner Olympia-Projekt aus, für Graubünden 2026 entwickelt er das Konzept als Projektleiter an vorderster Front mit. Nach dem grossen GRHeute-Interview mit Olympia-Gegner Jon Pult beleuchten wir heute die Argumente der Befürworter im Gespräch mit Andreas Wieland.

Hier geht’s zum Interview.

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Andreas Wieland, letztes Mal dagegen, diesmal dafür und an vorderster Front aktiv. Was hat den Meinungsumschwung herbeigeführt?

Das ist kein Meinungsumschwung. Ich war bei der letzten Olympia-Abstimmung in Graubünden dagegen, weil wir temporäre Bauten für eine Milliarde Franken hätten bauen müssen. In unserem Konzept verwenden wir bestehende Anlagen und bringen diese auf den neusten Stand! Das ist ein fundamentaler Unterschied.

In der Zwischenzeit hat sich auch das wirtschaftliche Umfeld in Graubünden dramatisch verschlechtert. Man stelle sich vor: Der Rückgang der Logiernächte in Graubünden ist jedes Jahr grösser als die Einwohnerzahl im Kanton! Das Investitionsklima hat sich merklich abgekühlt und wird auch in den nächsten Jahren frostig sein. Wer soll in diesem Umfeld Geld im Kanton investieren? Dazu kommt die IOC-Agenda 2020, die neue Möglichkeiten für eine Kandidatur zulässt.

Die Agenda 2020 des IOC wird viel erwähnt, die Gegner glauben ihr aber grundsätzlich nicht. Welches sind die Kernpunkte darin, die Olympische Spiele in Graubünden attraktiver machen?

Motiviert hat mich in erster Linie, dass dezentrale Spiele möglich sind. Das war mein Haupt-Kritikpunkt bei der letzten Abstimmung. Die Charta ermöglicht deutlich günstigere Spiele, bei denen keine Bauruinen zurückbleiben. Nicht nur dadurch werden die budgetierten Kosten kleiner, auch in der operativen Durchführung unterstützt das IOC die Organisatoren finanziell neu auf einem ganz anderen Level.

Aber ist Olympia in Graubünden deswegen sinnvoll?

Mein Wunsch ist es, Graubünden gesellschaftlich weiter zu bringen. Olympia ist das Ziel, das uns auf dem Weg der Transformation in die digitale Zukunft begleitet. Wir müssen zeigen, dass wir in Graubünden Outdoor-Sport auf einem Niveau betreiben und organisieren wie nirgendwo auf der Welt. Alle Standorte sind da, das Knowhow auch. Wenn wir das nicht packen, dann kann es eigentlich niemand.

Bleiben wir beim Schlagwort «Digitalisierung», das immer wieder fällt. Was heisst das konkret? Wie sieht die digitalisierte Zukunft in Graubünden, im Tourismus aus?

In Graubünden mangelt es an Leuchtturmprojekten, die international beachtet werden. Leuchtturmprojekte kamen in der Vergangenheit vor allem aus den Bereichen Architektur, Forschung und Kultur. In Zukunft sind digitale Leuchtturmprojekte zu erwarten. Olympische Spiele haben das Potential, ein globales Leuchtturmprojekt mit Ausstrahlung in die beteiligten Kantone in die Schweiz und in die ganze Welt zu sein.

Olympische Spiele eröffnen dem Kanton Graubünden die Chance, sich auf der einen Seite als landschaftlich bezaubernder, gastfreundlicher und weltoffener Kanton zu präsentieren und auf der anderen Seite durch die Digitalisierungsoffensive während der olympischen Spiele mit einer digitalen Leistungsschau zu zeigen, dass man ein digitaler und vernetzter Kanton ist.

Zum Beispiel?

Wir sprechen zum Beispiel von führerlosen Pistenfahrzeugen, die via GPS und Sensortechnik nachts die Pisten automatisch erstellen. Oder von Pisten-Pricing-Modellen, bei denen Schneesportler für die gefahrenen Kilometer und die Pistenqualität bezahlen. Oder von Kamerasystemen, die mit den Gästen kommunizieren können – oder die es erlauben, dass Feriengäste auf der Piste miteinander sprechen können. Es geht aber auch um das grosse Thema «Big Data». Es wird zukünftig immer schwieriger, die Menge an Informationen auszuwerten, zum Beispiel die Anzahl Gäste zu vergleichen mit den Online-Interessenten an einem Angebot mit dazugehöriger Analyse, welche Kommunikation wirkt und welche nicht. Dann heisst Digitalisierung aber auch Investition in Verkehrsleitsysteme, um Optimierung von Kundenprozessen und der Verstärkung des Kundenerlebnisses. Oder die Sharing Economy, wo Leasing das Eigentum ablöst.

Das heisst?

Ich nenne gerne das Beispiel Formel 1, ich habe das in Hockenheim gesehen. Alle Fahrer sind verdrahtet und werden in Echtzeit überwacht. Das Publikum erhält alle Informationen via Sensoren und spüren den Stress, den die Fahrer in gewissen Situationen erleben. Man ist hautnah dabei, selbst wenn man zuhause in der Stube sitzt. Diese Gefühle auf die User zu übertragen, ist ein echter Mehrwert und wird auch mobilitätsmässig Einfluss auf unsere Gesellschaft haben. Ein anderes Beispiel: Heutzutage sind Werbevideos das eine.

Wenn aber User von sich aus Videos erstellen und beispielsweise auf Youtube hochladen, kann das eine vielfach höhere Glaubwürdigkeit aufweisen. Warum nicht solche positiven Beeinflusser beispielsweise mit Gratistickets belohnen? Das muss man aber irgendwie in ein System bringen. Die Digitalisierung ist an den verschiedensten Fronten möglich, wir müssen sie nur vorantreiben. Die zehn Jahre Vorbereitung, die Olympische Spiele mit sich bringen, ermöglichen genau dies.

 

Wie Andreas Wieland seine Rolle als Olympia-Promotor sieht und um wie viel Geld es wirklich geht, lesen Sie auf der nächsten Seite.

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Bei der letzten Olympia-Abstimmung war Gian Gilli das Gesicht der Kampagne. Sie sind zwar Projektleiter, halten sich aber aus emotionalen Grabenkämpfen mit den Gegnern heraus. Ist das kein Widerspruch?

Nein, das war für mich von Anfang an klar, und ich habe das auch so kommuniziert, dass ich mich nicht auf politische Spielchen mit links und rechts einlasse. Meine Aufgabe war es, ein Konzept zu erstellen, wie Olympia 2026 in Graubünden aussehen muss, wie es sich anfühlen muss, wie der Kanton substanziell weiterkommt. Ich habe versucht, alle Lager zu integrieren.

Trotzdem stellt sich die Frage, ob der Abstimmungskampagne nicht ein «Gesicht» fehlt?

Es ist mir schon auch aufgefallen, dass es relativ wenige gibt, die sich exponieren wollen. Aber es gibt viele «Unbekannte», die hinter den Kulissen mächtig Gas geben. Klar, es ist ein Milliarden-Projekt, und ich kann mir gut vorstellen, dass es Leute gibt, die Angst vor dieser Grössenordnung haben. Das kann ein mulmiges Gefühl sein, wenn man noch nie etwas in dieser Grösse gemacht hat. Als Unternehmer ist mir dies aber nicht neu. Ich weiss, wann Projekte in dieser Dimension möglich sind und was es dazu braucht. Die Zahlen für die Kandidatur beruhen auf Analysen, die wir jeweils auch bei der Hamilton einsetzen. Sicher haben Olympische Spiele spezielle Anforderungen, zum Beispiel an die Projektleitung, an die Risikoanalyse und ans Controlling. Es gibt keine All-Inclusive-Lösung. Es ist ganz wichtig, dass man kompromisslos aufs Geld schaut. Wenn sich unser Projekt in die falsche Richtung bewegt – auch auf Druck des IOC – , dann müssen wir den Stecker ziehen, das ist klar.

Das «korrupte IOC», wie es die Olympia-Gegner nennen, ist eines der Hauptargumente der Olympia-Gegner. Was entgegnen Sie ihnen?

Wir müssen Olympia für uns machen und es muss nicht unser Anspruch sein, das IOC zu verbessern. Wir offerieren unsere Spezialitäten, entweder wird es vom IOC so genommen oder dann lassen wir es sein.

Aber ist 25 Millionen für den Prozess bis zur Vergabe 2019 nicht viel Geld für eine unsichere Sache?

Das ist viel Geld, das stimmt. Für den Kanton sind’s aber nicht 25, sondern 9 Millionen Franken. Und wenn man sieht, wo der Kanton sonst solche Summen investiert, teilweise jedes Jahr, dann relativiert sich dieser Betrag schon sehr. Fast die Hälfte dieses Budgets fliesst in Werbung und in Kommunikation auf der ganzen Welt, das sind nicht einfach Mittel, die ohne Nutzen verpulvert werden. Es ist Werbung für unserer Gegend, für die Kultur, für den Bildungsstandort Graubünden und für den Tourismus.

Und was passiert eigentlich mit dem Geld, wenn Graubünden bei der Abstimmung am 12. Februar ‹Ja› sagt, das Schweizer Sportparlament im März aber Graubünden nicht berücksichtigt?

Dann wird natürlich auch nichts ausgegeben. Es gibt dann ja keine Kandidatur.

Bei der letzten Olympia-Abstimmung flogen die Emotionen sehr hoch. Bisher lief die Pro-Kampagne auf Sparflamme. Will man die Bündner Bevölkerung bewusst nicht mit einer grossen Werbelawine überfordern?

Die Kommunikation ist für mich schwieriger als ursprünglich gedacht. Das Thema Digitalisierung ist nicht einfach zu kommunizieren. Viele verstehen auch nicht, worum es bei dieser Abstimmung geht. Es geht jetzt ja nur darum, das Projekt Olympische Spiele 2026 in Graubünden weiter zu verfolgen. Die Bevölkerung hat – falls wir bis dann noch im Rennen sind – 2018 noch einmal die Gelegenheit, endgültig ‹Ja› oder ‹Nein› zu sagen.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass die Olympischen Spiele 2026 tatsächlich in Graubünden stattfinden?

Zurzeit liegen diese bei ein paar Prozent, mehr nicht. Als grösste Hürde sehe ich das Schweizer Sportparlament, das im März entscheidet, ob und welche Kandidatur ins Rennen steigt. Graubünden und die Ostschweiz stehen unter Druck. Im Bundesrat sitzt ein Westschweizer Sportminister, Lausanne ist olympisch vernetzt und die SP in der Westschweiz steht hinter dem Projekt. Nicht nur dahinter, sondern sie ist federführend dabei. Davon kann Graubünden nur träumen.

Dabei ist jedem Sportvertreter klar, dass die Westschweiz über viel schlechtere Olympia-Voraussetzungen verfügt als Graubünden, sie müssten viel mehr bauen. Aber die Kandidatur von Sion hat viel politischen Rückhalt und eine starke Lobby in den betroffenen Kantonen.

 

Was Andreas Wieland zur Olympia-Kritik der SP sagt sowie sein persönliches Abstimmungsziel, lesen Sie auf der nächsten Seite.

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Die Bündner SP wettert wie schon beim letzten Mal aggressiv gegen das Olympia-Vorhaben. Wie frustrierend ist das für Sie, wenn Sie sehen, dass die Linke in anderen Regionen olympische Pläne unterstützt und aktiv mitarbeitet?

Viele Leute, die dagegen sind, sehen einfach nur die Kosten. Man sieht eine riesige Zahl, und denkt, das könne man sich nicht leisten. Ich ziehe deshalb bei meinen Projekten in der Startphase nie einen Buchhalter hinzu, die fragen immer nur, was es kostet und nie, was es bringt. Es wird auch suggeriert, dass es Alternativen gebe, wo man mit weniger Risiko gleiches erreichen könne.

Damit verkennt man die Realität. Beispiel: Wir haben viele Täler, in denen man noch per Kupferdraht TV schaut. Das wird in einigen Jahren nicht mehr möglich sein, und es wird Geld brauchen, um alle Regionen Graubündens aufzurüsten. Swisscom wird sich auf die Zentren konzentrieren und auf dem Lande nur das Minimum machen. Die ohnehin schon dramatische Situation in den Tälern wird sich weiter zuspitzen, und die Bündnerinnen und Bündner werden dies finanziell bald zu spüren bekommen. Diesen Prozess in Gang zu bringen, ist meine einzige Motivation, an Olympia 2026 mitzuarbeiten. Den Kanton Graubünden gesellschaftlich und technologisch weiter zu entwickeln, um wieder fit für die Zukunft zu werden.

Olympia-Gegner Jon Pult meinte, es sei doch viel gescheiter, mit kleinen Projekten in allen Tälern einen Aufschwung herzuführen. Wäre das eine Alternative?

Nein, das ist keine Alternative. Unsere Touristiker versuchen das schon seit Jahren. Aber es wird nicht reichen, das wissen wir aufgrund der Erfahrungen. Ich sehe tatsächlich keine Alternative zu den Investitions- und Entwicklungsmöglichkeiten von Olympischen Spielen.

GRHeute hat vorletzte Woche eine umfangreiche Analyse zur letzten Olympia-Abstimmung veröffentlicht. Wo sehen Sie persönlich das grösste Zuwachspotential Pro Olympia?

Es gibt einige Regionen. In erster Linie sicher die Surselva, die das Projekt letztmals abgelehnt hat. Das war auch so wegen der Konzentration des Olympia-Projekts 2022 auf nur zwei Standorte Davos und St. Moritz. Das ist diesmal anders, die Surselva ist jetzt ja mittendrin im Geschehen. Alle Gemeindepräsidenten der Region haben sich Pro Olympia geäussert, auch die in der Region starke CVP ist generell dafür. Das sind schon andere Voraussetzungen.

Und Weisse-Arena-Macher Reto Gurtner, der bei der letzten Abstimmung wie sie noch auf der Seite der Gegner stand, stimmt diesmal auch ‹Ja›.

Richtig. Reto Gurtner ist einer, der für die Zukunft schaut, der sich seit jeher aktiv für seine Region einsetzt. Er geniesst Vertrauen in der Bevölkerung, sicher mehr als jemand, der nur rückwärts gerichtet ‹Nein› sagt. Ich hoffe schon, dass sich in der Surselva das Blatt zu Olympia wendet.

Die Frage ist ja nicht nur, ob Olympia 2026 beim Bündner Volk durchkommt, sondern auch wie viel Prozent es dazu braucht. Das Resultat hat sicher auch grossen Einfluss auf die Wahl des Schweizer Sportparlaments…

…absolut. Wenn wir mit 50,2% zu 48,8% gewinnen, dann können wir einpacken, dann wird die Westschweiz das Mandat erhalten. Mein Ziel sind 60% Ja-Stimmen in Graubünden. In dieser Grössenordnung hätte Graubünden als grösster Wintersportkanton der Schweiz mit den besten bestehenden Infrastrukturen und dem grössten Sportevent-Knowhow gute Karten.

Und was, wenn die Bündner Bevölkerung Olympia endgültig begraben lässt?

Ich würde das sehr sportlich nehmen, wenn es ein alternatives Projekt gäbe. Wenn Olympischen Spielen aber ein Vakuum gegenüber steht, wie es derzeit der Fall ist, dann widerstrebt mir das als Unternehmer. Ich wüsste keine Alternative. Unser Konzept ist gut, sehr gut für Graubünden.

Das Detail-Konzept ist aber immer noch nicht bekannt, nur die Botschaft des Kantons an den Grossen Rat beinhaltet grundlegende Informationen. Warum kommunizieren Sie die Details nicht?

Wir haben das Detailkonzept nicht gezeigt, weil wir in einem Wettbewerb zu anderen Regionen standen und stehen. Es ist doch klar, dass wir nicht als einzige die Karten auf den Tisch legen! Ich gehe davon aus, dass sich die Bündner Regierung weiter bedeckt hält, solange die Gespräche hinter den Kulissen laufen. Ich kann aber garantieren, dass wir jeden Buckel auf den Pisten kennen. Ich selbst habe rund 1000 Stunden unentgeltlich in das Projekt investiert. Und: Wir richten unser Konzept auf die Abstimmung von Swiss Olympic aus, nicht auf die Fragen der SP Graubünden.

Und wie sieht Ihre Prognose aus?

Ich bin eigentlich ziemlich optimistisch. Ich glaube, dass die Bündnerinnen und Bündner erkennen, dass Olympia 2026 nichts mit Olympia 2022 zu tun hat und was sich in der Zwischenzeit alles verändert hat. Ich hoffe, wir sind mutig genug.

 

(Bild: zVg.)

author

Mathias Braendli

Redaktor Region/Sport
Marketeer, Ex-Journalist und Football-Blogger. Sound: Adam Green, Ryder the Eagle, Bob Dylan, Helloween. TV: Better Call Saul, Game of Thrones, Sport. Buch: Fall & Rise von Mitchell Zuckoff.