Ein «Bündner» Film über das Sterben – und das Leben

Ein «Bündner» Film über das Sterben – und das Leben

GRHeute
09.10.2024

Am Sonntag, dem 27. Oktober 2024, feiert der Dokumentarfilm «Die Tabubrecherin» um 17 Uhr im Kanton Graubünden seine Premiere. Der Film, der von den Filmemachern Silvia Haselbeck und Erich Langjahr realisiert wurde, begleitet die krebskranke Michèle Bowley auf ihrer letzten Reise. Teile des Films spielen in Graubünden.

Bowley weiss um ihr bevorstehendes Ende und nimmt die Zuschauer mit auf eine intime und eindrucksvolle Reise in das Unbekannte – das Sterben. Diese Auseinandersetzung mit dem Tod stellt sich als eines der letzten Tabus in unserer Gesellschaft heraus. In der Anwesenheit der Filmemacher sowie einem anschliessenden Podiumsgespräch mit Expertinnen und Experten aus der Palliativpflege und Onkologie verspricht der Abend, eine tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Thema des Lebensendes zu werden.

Michèle Bowleys mutiger Weg

Michèle Bowley hat Krebs. Doch was «Die Tabubrecherin» auszeichnet, ist nicht die Diagnose, sondern der Umgang der Protagonistin mit ihrem unausweichlichen Schicksal. Sie zeigt eine bemerkenswerte Neugier, Mut und Offenheit, sich dem Sterben zu stellen, wie nur wenige Menschen es wagen. Statt den Kopf vor der Realität zu verschliessen, wie es oft in der westlichen Gesellschaft geschieht, betrachtet Bowley das Ende ihres Lebens nicht als Niederlage, sondern als einen neuen, unbekannten Abschnitt. 

Diese Haltung stellt nicht nur das persönliche Empfinden von Bowley dar, sondern auch eine radikale Hinterfragung der weit verbreiteten Tabuisierung des Sterbens. Oft meiden wir den Gedanken an den Tod, sowohl im persönlichen als auch im öffentlichen Diskurs. Bowley jedoch geht den entgegengesetzten Weg und lädt die Zuschauer ein, diese letzte Reise mit ihr zu erleben – voller Schmerz, aber auch voller Ehrlichkeit und Neugier.

Ein Film von zwei Meister*innen des Dokumentarfilms

Silvia Haselbeck und Erich Langjahr sind längst kein unbeschriebenes Blatt in der Schweizer Filmszene. Beide haben sich mit einfühlsamen und oft gesellschaftskritischen Dokumentationen einen Namen gemacht. Mit «Die Tabubrecherin» legen sie nun ein Werk vor, das ebenso subtil wie kraftvoll ist. Sie dokumentieren Bowleys Weg ohne sentimentalen Überbau, aber mit grosser Nähe und Empathie. Haselbeck und Langjahr fangen dabei nicht nur die Ängste und Sorgen, sondern auch die Momente des Friedens und der Akzeptanz ein, die Bowley auf ihrer letzten Reise erlebt.

«Die Filmemacher schaffen es, ein Gleichgewicht zwischen dokumentarischer Objektivität und emotionaler Tiefe zu wahren, was dem Film eine eindringliche Ehrlichkeit verleiht», schreiben die Macher in einer Medieninformation, «die Kamera bleibt nahe an Bowley, ohne dabei voyeuristisch zu werden. In den stillen Momenten des Films liegt eine Schönheit, die uns lehrt, das Leben und den Tod als Teil eines Ganzen zu betrachten.»

Auch zu Graubünden hat der Film einen besonderen Bezug: Teile davon zeigen Szenen aus der Lenzerheide und aus dem Unternegadin, namentlich aus der Scuol Clinica Curativa, Scuol Funtana da Sotsass und aus dem Wald bei Lischana. 

Podiumsgespräch: Sterben in der heutigen Zeit

Im Anschluss an die Vorführung findet ein Podiumsgespräch statt, das eine tiefere Auseinandersetzung mit den im Film aufgeworfenen Themen ermöglichen wird. Christian Ruch von Palliative GR, Ina Bujard vom Kantonsspital Graubünden und Aita Biert von der Krebsliga Graubünden werden ihre Expertisen einbringen und darüber diskutieren, wie unsere Gesellschaft mit dem Tod umgeht. Besonders in Zeiten einer alternden Bevölkerung und dem zunehmenden Bewusstsein für Palliativpflege wird das Thema immer relevanter.

Das Gespräch wird sich auch um die ethischen und gesellschaftlichen Fragen drehen, die durch den Film aufgeworfen werden. Wie können wir als Gesellschaft dem Tod mehr Raum geben? Welche Rolle spielen dabei medizinische Institutionen wie Krankenhäuser oder Hospize? Und wie können wir Betroffene und ihre Angehörigen in diesen schwierigen Zeiten besser unterstützen?

Die Bedeutung von Filmen wie «Die Tabubrecherin»

«Die Tabubrecherin» ist mehr als nur ein Film über das Sterben – er ist ein Weckruf. Er zeigt, wie wichtig es ist, den Tod als natürlichen Teil des Lebens zu akzeptieren. Durch die offene und authentische Darstellung von Michèle Bowleys letzten Tagen regt der Film zum Nachdenken an: über unser Verhältnis zum Tod, aber auch über den Wert des Lebens. In einer Zeit, in der viele Menschen den Tod aus Angst oder Unbehagen verdrängen, eröffnet der Film eine notwendige und längst überfällige Diskussion. Er zeigt, dass der Tod nicht nur das Ende ist, sondern auch eine Chance, das Leben in all seinen Facetten noch einmal zu betrachten – mit all seinen Höhen und Tiefen, Ängsten und Freuden.

Für die Zuschauer ist Die Tabubrecherin eine Einladung, über das Ende des Lebens nachzudenken und den Mut zu finden, sich diesem oft verdrängten Thema zu stellen. Gleichzeitig eröffnet er den Raum, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen und die Bedeutung eines bewussten, erfüllten Lebens zu erkennen. Die Premiere des Films bietet eine einmalige Gelegenheit, nicht nur ein berührendes filmisches Werk zu erleben, sondern auch an einer wichtigen gesellschaftlichen Debatte teilzunehmen. Es ist eine Einladung, das Schweigen über das Sterben zu brechen und stattdessen offen darüber zu sprechen – denn der Tod gehört genauso zum Leben wie die Geburt.

(Bild: zVg.)

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