Eine Glacier Experience für den Morteratsch

Eine Glacier Experience für den Morteratsch

Die GKB hat ein Zeichen gesetzt: In der «Virtual Reality Glacier Experience» können am Fusse des Morteratschgletschers die Folgen des Klimawandels in quasi live und in Farbe erlebt werden.

Rund um die Talstation der Diavolezza-Lagalb-Bahn herrscht am Mittwochmorgen emsiges Treiben. Touristen mischen sich mit Gästen, die von der GKB im Rahmen ihres 150-Jahre-Jubiläums zur Eröffnung der «VR Glacier Experience» geladen wurden. Das Wetter zeigt sich auch von allen Seiten: Sonnenschein wechselt mit Schneefall, dazwischen immer wieder Nebel- und Dunstschwaden. Der Morteratschgletscher, der Hauptdarsteller an diesem Morgen, ist sowieso nicht zu sehen: Er liegt seit Jahrtausenden versteckt hinter dem Berg.

«Der Klimawandel findet auch hier statt», sagt Peter Fanconi, Präsident der Graubündner Kantonalbank. Er wohnt zehn Minuten vom Gletscher entfernt und kann das Schwinden – 40 Meter sind es pro Jahr – seit Jahrzehnten selbst beobachten. Graubünden sei immer das Land der Pioniere gewesen. So sei der Piz Bernina noch vor der Gründung der GKB erstmals bestiegen worden, um nur ein Beispiel zu nennen.

Mitten in den Gletscher mit einer VR-Brille

150 Jahre wird die Graubündner Kantonalbank in diesem Jahr alt, und anstatt sich «wie andere Banken» selbst zu feiern, hat die GKB ein Festival der Nachhaltigkeit auf die Beine gestellt. Sie gründete den Verein Graubünden Musik, unterstützte Start-Ups und nachhaltige Projekte. Und steigt wieder als Pionier ein: Mit dem «Virtual Reality Glacier Experience». Mit dem Projekt wird der Gletscherschwund erlebbar gemacht: Mit VR-Brillen kann man auf dem Gletscher stehen und sehen, was wäre, wenn und was sein könnte, wäre.

Wenn und wäre – das ist eher ein Aufzeigen der Problematik als die Präsentation einer Lösung, würde Felix Keller, Dr. sc. nat. und Glaziologe, dazu sagen. So sah er es nämlich selbst. Bis ihm, und das ist der zweite Teil der Geschichte, die Idee kam, den Morteratsch zu retten. Mit dem Wissen, das daraus erworben würde, könnte auch anderen Regionen geholfen werden. Indien zum Beispiel, wo durch das Gletscherschwinden auch Trinkwasser verloren ging.

Ein Gletscher ist nämlich immer auch ein Süsswasserspeicher. An einem Hitzetag verliert der Morteratsch eine Million Liter Wasser. Aber wie kann das verhindern werden? Beim Nachbargletscher, dem Diavolezza, versuchte man es mit Flies – und tatsächlich, es verlangsamte sich und bildete sogar neue Abschnitte.

Am Morteratsch will man andere Wege gehen. Nach dem Studium von diversen Möglichkeiten gründete Felix Keller das Projekt «Mort Alive». «Mort» bedeutet auf romanisch tot, «alive» bedeutet auf neuromanisch leben, wie der Glaziologe sagte. Das Kernstück des von der GKB mitfinanzierten Projekts sind sechs Beschneiungsanlagen. «Wenn man den Gletscher beschneit, ist das Eis geschützt», sagt Felix Keller. Weil die Sonne den Schnee reflektiert.

Sechs Anlagen schweben über dem Gletscher

Die Beschneiungsanlagen, die von einer Seilbahntechnik-Firma entwickelt wurde, bestehen aus je zwei Seilen, die eine Aluminiumröhre tragen. Diese wird von einem See mit Wasser gespiesen – ganz ohne Elektrizität. Diese sechs Anlagen werden 40 Meter über dem Gletscher schweben, an den Bergen links und rechts festgemacht, und ihn mit Schnee zudecken.

«Wir schaffen damit eine Sensibilisierung für die Problematik», sagte GKB-CEO Daniel Fust. «Wir müssen das grosse Ganze vermitteln.» Das «grosse Ganze» ist in diesem Fall: Den Gletscherschwund stoppen, ein Pionierprojekt für die ganze Welt sein. Im Sinne der Nachhaltigkeit, der sich die GKB für die Unterstützung der Projekte im Jubiläumsjahr verschrieben hat.

Felix Keller wird nächste Woche, wie er es schon oft tat, in der Gletscherregion Geige spielen. Dass die Seile im Wind Musik machen, kann er sich nicht vorstellen – wohl aber, dass er vielleicht einmal mit seiner eigenen Geige in einer der Halterungen am Seil spielt. Musik für den Gletscher und damit Musik für «Mort alive», dem Pionierprojekt im Alpenraum.

(Bilder: GKB, GRHeute)

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Rachel Van der Elst

Redaktionsleiterin/Region
Rachel Van der Elst mag Buchstaben: analog, virtuell oder überall, wo Menschen sind. In einem früheren Leben arbeitete sie unter anderm bei der AP, beim Blick, bei 20Minuten, beim Tages-Anzeiger und bei der Südostschweiz. In ihrer Handtasche immer dabei: Jasskarten.