Si sait: EWS, machen Sie’s nicht!

Si sait: EWS, machen Sie’s nicht!

Liebe EWS

Kaum ist der Wahlschock überwunden, fallen die Kommentatorinnen und Kommentatoren wie die Hyänen über Sie her und fordern und rechnen Ihren Rücktritt herbei. Sie, die vor acht Jahren in einem Ränkespiel, das Shakespeare nicht besser hätte erfinden können, Ja zum Amt gesagt haben. «Ich erkläre Annahme der Wahl», höre ich Sie noch immer sagen. Wie wenn es gestern gewesen wäre.

Es war am Morgen des 13. Dezember 2007, und seither ist viel Wasser den Rhein hinunter geflossen. Sie haben gezeigt, dass Sie mehr sind als die Tochter eines Bundesrates, die jetzt selbst Bundesrätin ist. Sie haben gezeigt, dass Sie Ihre Dossiers im Griff haben, und vor allem haben Sie gezeigt, dass Sie auch dann wie ein Fels in der Brandung stehen, wenn die Gischt direkt ins Gesicht zischt.

Liebe EWS, als Sie zur Bundesrätin portiert wurden, gehörten Sie noch einer anderen Partei an. Dass diese Partei Sie wie eine heisse Kartoffel hat fallen lassen, haben Sie sich nie anmerken lassen. Das zeugt von mentaler Stärke. Dass man Sie jetzt der Meute zum Frass vorwirft, haben Sie nicht verdient. Natürlich kann man argumentieren, dass die SVP zwei Bundesräte verdient hat und endlich in die Regierungsverantwortung genommen werden muss. Aber ist das Grund genug, wie Ueli Maurer einst sagte, «eine der fähigsten und kompetentesten Politikerinnen des Landes» abzuwählen?

Es wird immer wieder argumentiert, dass es nicht um Frau und Mann geht, sondern um den Leistungsnachweis und die Fähigkeit. EWS, Sie haben die letzten acht Jahre bewiesen, dass Sie die Fähigkeit haben, eine Bundesrätin zu sein. Dass die kommenden Wochen schwierig werden, dürfte klar sein. Aber wie bereits beschrieben: Wenn eine das Format hat, einen derartigen Sturm unbeschadet von ihren Dossiers und ihrer Stärke zu überstehen, dann Sie. Deshalb: Wäre die Bundesratswahl eine Volkswahl, wie Ihre ehemaligen Parteifreunde das wollten, meine Stimme hätten Sie.

Liebe EWS: Ich wünsche Ihnen viel Glück für die kommenden Wochen. Und lassen Sie sich nicht von dem Gezank und Gezeter um Sie herum beirren. Und bitte: Treten Sie um Himmels Willen nicht freiwillig zurück!!!

 

(Bild: Manuel Winterberger/EQ Images)

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Rachel Van der Elst

Redaktionsleiterin/Region
Rachel Van der Elst mag Buchstaben: analog, virtuell oder überall, wo Menschen sind. In einem früheren Leben arbeitete sie unter anderm bei der AP, beim Blick, bei 20Minuten, beim Tages-Anzeiger und bei der Südostschweiz. In ihrer Handtasche immer dabei: Jasskarten.