Buchtipp: «Adalina»

Buchtipp: «Adalina»

Karin Hobi
07.07.2016

Der 62-jährige Autor Silvio Huonder ist in Chur geboren und hat in Graz und Berlin studiert. 2013 erhielt er den Bündner Literaturpreis. Er lebt seit 1989 in der Nähe von Berlin, schreibt Romane, Erzählungen, Theaterstücke und Hörspiele und unterrichtet am Schweizer Literaturinstitut in Biel. Sein erster Roman, Adalina, ist 1997 erschienen und spielt in Chur.

Liebe, Eifersucht und Schuld

Johannes Maculin spielt die Hauptfigur im Erstlingswerk von Silvio Huonder. Im Zentrum steht die Beziehung zu seiner zwei Jahre jüngeren Cousine. Ein wildes, junges Mädchen mit dem wohlklingenden, warmen Namen, der dem Buch den Namen gibt. Adalina. Maculin ist acht Jahre alt, als er ihr zum ersten Mal begegnet. «Wie ein giftiger Pilz aus dem Boden geschossen, stand sie plötzlich vor ihm. Ein kleines Ungeheuer mit zwei Zöpfen», beschreibt Huonder die erste Begegnung. Die Entwicklung dieser Beziehung wird bis zu dem Zeitpunkt erzählt, als Maculins Handlung aus Eifersucht sein ganzes Leben verändert. Der glücklichste Tag seines Lebens wendet sich dadurch zum Beginn einer tiefsitzenden Trauer. Und einer ungeheuren Schuld, die immer auf ihm lasten wird, ihn sogar zur Flucht verleitet.

Adalina Huonder

Heimkehr nach Chur

Zwanzig Jahre später. Der 38-jährige Maculin lebt in Berlin, ist Grafiker und steckt in einer Lebenskrise. An einem Tag im November reist er kurzentschlossen in seine Heimat zurück. Nach Chur. Von Heimweh getrieben? Gewissensbissen? Oder gar schmerzhaften Erinnerungen, die er nicht loslassen kann? Die Erzählung von Rückblick und Gegenwart wechselt sich ab, während die Gegenwart keine zwei Tage dauert und der Rückblick ganze zehn Jahre beinhaltet. Der Leser taucht ein in die Geschichte eines jungen Heranwachsenden, der Liebe und Sexualität entdeckt. Ein junger Mann, der das Gefühl hat, dass etwas mit ihm nicht stimmt und der alles dafür tut, um normal zu sein. Wie die andern es sind. Er erlebt die Gruppendynamik junger Männer, die Quartierkriege führen und ihn an seine Grenzen bringen, kommt zum ersten Mal in Kontakt mit dem Tod, mit dem Glauben, mit Drogen und muss sich mit den Konflikten gegenüber den Erwachsenen auseinandersetzen. Und mit der Suche nach sich selbst.

Drückende Schuhe

Wer in diesem Buch die Stadt Chur erleben möchte, wird nicht enttäuscht. Orte, wie das Rheinquartier, der alte Bahnhof und mehrere Kirchen tauchen auf. Der Calanda, der Dreibündenstein, der Mittenberg oder der Pizokel werden erwähnt. Aber auch der Sennhof, die Rheinkrone, der Pavillon bei der Arosakurve, die Rote Platte, das Rheinwäldchen, die Bündner Zeitung oder der Mühlbach finden ihren Platz. Nicht zuletzt zeigt die Geschichte auf, dass weder eine örtliche Distanz noch die Flucht die eigene Vergangenheit löschen können. Die Wurzeln, die Herkunft, das Erlebte: Wir tragen alles in uns. All das, was einen Teil des gegenwärtigen Daseins geprägt hat. Auf seiner Reise in die Vergangenheit trägt Maculin spitze, hellbraune Schuhe, die brennen, drücken und laute Schritte machen und «durch einen alten Traum gehen». Er leidet. Bis zu dem Tag, als er seinem Schmerz und seiner Jugendliebe Adalina folgt.

Weitere Informationen zum Autor

www.silviohuonder.de
Einband: Buch (gebunden)
Seitenzahl: 235
Sprache: Deutsch
Erscheinungsjahr: 1997/2009 (Neuausgabe)
Verlag: Nagel & Kimche
Erhältlich: Im Buchhandel
Preis: CHF 25.80

 

(Bild: zVg.)

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Karin Hobi

Redaktorin Kultur
Texterin und Autorin