Die RhB und insbesondere das Unterengadin feiern in diesen Tagen das 20-Jährige Jubiläum des Vereina-Tunnels. Für das früher stark abgeschnittene Unterengadin und Samnaun war es ein wichtiger Durchbruch mit grossen wirtschaftlichen Impulsen. Verantwortlich für diesen Druchbruch war eine geschlossen auftretende Regierung und die Tatsache, dass unser Kanton mit Bundesrat Schlumpf das verkehrs- und Energiedepartement des Bundes besetzte. Damals führte man eine intensive Diskussion über die Frage, ob die Verbindung mit oder ohne Autoverlad gebaut werden soll. Gegen Links-Grün setzte man sich schlussendlich für eine Verbindung mit Autoverlad durch. Während der Bauphase kam es aufgrund von Unfällen in Tunnels in Oesterreich zu zusätzlichen, kostenintensiven Sicherheitsauflagen. Das Parlament verfügte Einsparungen, was dazu führte, dass der Tunnel nicht mit zwei, sondern nur mit einer Kreuzungsstelle gebaut wurde. Peinlich, der Kostenvoranschlag wäre auch mit dem ursprünglichen Projekt mit zwei Haltestellen und entsprechender 50% höherer Kapazität eingehalten worden. Heute erleben wir deshalb während der Hochsaison im Winter unerfreuliche Stausituationen, die wenig zum Image unseres Ferienkantons beitragen. Die Behandlung in Bern zeigt, dass Investitionen in den peripheren Gebieten der Schweiz sehr kritisch angegangen werden. Die Einweihung wurde damals von Bundesrat Moritz Leuenberger besucht, der erst an der Feier im Nordportal überzeugt werden konnte, auch den Anlass im Südportal zu berücksichtigen. So nahm den der Eröffnungsanlass einen positiven Verlauf und weckte grosse Hoffnungen für eine gedeihliche Entwicklung der Region.
Einige Hoffnungen haben sich erfüllt und rechtfertigen den heutigen Eröffnungsanlass. Ein Jubiläum muss aber auch Anlass dafür sein, in die Zukunft zu blicken. So gibt es einige Aspekte und Fragen, die gestellt werden müssen.
- Zum Beispiel die Tariffrage: die heutigen Tarife weichen stark von den seinerzeit in Aussicht gestellten und versprochenen Tarifen ab. Das Argument der Teuerung sticht hier kaum. Warum fahren Zürcher auf viel teureren Autobahnen mit einer Vignette ein Jahr lang, ein Unterengadiner aber mehr bezahlen muss, wenn er an einem Tag nach Chur und zurück fährt?
- Warum endet die nationale Erschliessung (SBB, Nationalstrasse) in Klosters und wird nicht wie in allen andern Regionen der Schweiz bis an die Grenze auf Bundeskosten weitergeführt?
- Welche Möglichkeiten bestehen, um die unliebsamen Stautage wenigstens teilweise erträglich zu gestalten? Diese Frage muss angegangen werden, auch wenn es wenige Tage sind, Tage aber mitten in der touristischen Hochsaison!
- Gibt es Möglichkeiten, das neue Rollmaterial so auszugestalten, dass auch Lastwagen für die regionale Versorgung den Vereina besser nutzen können? Gibt es allenfalls dazu neue Verkehrskonzepte, damit auch periphere Regionen zu günstigen Bedingungen versorgt werden können?
Viele weitere Fragen wären hier zu stellen. Dabei ist klar: es geht nicht nur um den Vereina, es geht um die Erschlissung der periphren Regionen der Schweiz schlechthin: Wie kann man das Bündner Oberland an die Gotthardachse (Strasse und Bahn) besser anbinden? Wie kann man die Verbindung Oberengadin-Italien wintersicher gestalten? Wie soll die zukünftige Ostanschliessung der Schweiz im Engadin aussehen? Wann wird die Julierstrasse endlich vom Bund übernommen und wann werden die noch bestehenden Engpässe beseitigt?
Man wird mir sagen, dass die Jubiläumsfeier für den Vereina nicht der Anlass ist, um solche Fragen aufzuwerfen. Ich meine, das Gegenteil ist der Fall: der Vereina war und ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Er ist aber noch nicht der Schritt zur gleichberechtigten Verkehrserschliessung aller Regionen der Schweiz. Graubünden ist diesbezüglich nach wie vor zu stark benachteiligt. Deshalb ist zu hoffen, dass die Bündner Parlamentarier in Bern das trotz Abstrichen gute Beispiel Vereina-Tunnel zum Anlass nehmen, anstehende Verkehrsanliegen auf den Tisch zu bringen und diese zum Durchbruch zu verhelfen. Wenn das Vereina-Jubiläum Impuls zu solchen Schritten bietet, ist der Anlass mehr als gerechtgfertigt.
(Bild: swiss-image.ch)