Die «Schatztruhe» ist jetzt auf ihrer Reise

Die «Schatztruhe» ist jetzt auf ihrer Reise

Die Schatztruhe, der Container mit Bündner Schätzen, hat seine Reise durch den Kanton angetreten und einen ersten Zwischenhalt in Disentis eingelegt. Mit dabei waren Mattiu Defuns und Jachen Wehrli. 

Es gibt zwei Hauptdarsteller an diesem Auffahrts-Nachmittag auf dem Pausenplatz der Primarschule Disentis. Oder sogar drei. Der dritte ist die Sonne. 17 Grad hatte Meteoschweiz angekündigt – die fühlten sich an wie 35 Grad an einem Sommertag in der Toscana. Die anderen zwei Hauptdarsteller sind: der rote Container und sein Projektleiter Christoph Luzi. 

Christoh Luzi weiss, was er macht. Er hat Klosters erfolgreich durch sein 800-Jahre-Jubliläumsjahr geführt und dabei jeden Fitzelchen Geschichte mitgenommen, den er finden konnte. Klosters800 war eine grosse Kiste. Dagegen ist der rote Container zur Ehren des 500-Jahre-Jubiläums von Graubünden auf dem Pausenplatz ein Klacks. Ein Unterschied gibt es noch: Die Menschen kamen nach Klosters. Jetzt geht der Container zu den Menschen. Und Christoph Luzi mit ihm. 

Wanderschuhe und Geschichte

Die erste Station auf dieser Reise ist Disentis. Slampoet Jachen Wehrli ist da und Liedermacher Mattiu Defuns. Sie spielen den Soundtrack für die Vernissage des roten Containers, den Bündner Schätzen auf Reisen. (GRHeute berichtete.) Jachen Wehrli spricht romanisch, allerdings gibt er zu: «Wer romanisch versteht, hat auch verstanden, dass ich das falsche romanisch spreche.» Was er sagt, verstehen nur die romanisch sprechenden. Auf deutsch sagt er: «Ich bin im Moment gar nicht wichtig.» 

«Wichtiger» ist im Moment René Epp, der Gemeindepräsident von Disentis. Er spricht das romanisch, das man in Disentis spricht. Jachen Wehrli übersetzt später: «Er hat etwas über 500 Jahre Graubünden und Wanderschuhe gesagt.» Auch Standespräsident Franz «Seppo» Caluori beginnt seine Rede auf romanisch, wechselt aber schnell auf deutsch. Eigentlich ist er mit seinem Standespräsidenten-Auto mit Chauffeur und der Autonummer «GR 1» gekommen, aber für die Wanderausstellung hat er sein Pünteli am Stock über die Schulter gelegt und läuft um die Ecke auf den Pausenplatz. (Das Pünteli war das Geschenk der GKB an der PS Versammlung.) 

«Seppo» Caluori gibt dem Container einen Steinbock auf einem Foto  mit auf die Reise. Das Foto hatte er zwei Tage zuvor in Pontresina bei den Steinböcken gemacht; er war mit einer Wildhüterin unterwegs gewesen. «Der Steinbock gehört zu Graubünden», sagt er. Auch er hat in seinem Präsidialjahr einen Bock auf Reisen geschickt – durch die Gaststätten Graubündens. Im Moment ist das Steinbockgehörn, das er zu seinem Amtsantritt geschenkt bekam, im Nachbardorf: Im Hotel Greina in Rabius. 

Linard Bardills Geiss

Auch Slampoet Jachen Wehrli reist durch Graubünden. Mit Worten, für die man ihn sofort beneidet, weil sie einem nicht selbst in den Sinn gekommen sind: Staubünden, Wowbünden und weitere Schmankerl. Er nennt es ein Liebesgedicht an die Heimat, und er sagt: «Du bisch d Antwort uf alls und wenni aswas nit waiss frogi am Linard Bardill sini Gaiss.»  Jachen Wehrli spricht später nochmals, diesmal übers Wandern. «Gschicht isch Gschicht» nennt er es, und er spricht über das späte Mittelalter als den «Wechseljahren» Graubündens. «Damals haben sie kassiert, wenn jemand durch ging, das wäre heute am San Bernadino auch sehr lukrativ gewesen.»

Christoph Luzi sagt, was er am Dienstag schon vor den Medien sagte. Aber diesmal ist es ernst: Er muss die Leute überzeugen, dass sie ihm ihre Schätze in den Container bringen. Ein Schatz ist alles, was in den überdimensionierten Container passt, der vom Studio Capisci gestaltet und Holzbau Gasser umgesetzt wurde. «Wir sammeln Objekte und dazu eine kleine persönliche Geschichte», sagt er. So wie der Steinbock von Franz «Seppo» Caluori, der Föhrenzweig von Regierungsrat Jon Domenic Parolini, eine Goldmedaille von Gewehrschiesserin Ilaria Barandun und anderen Dingen von anderen Menschen. Am Samstag ist Sammeltag, da nehmen Christoph Luzi und sein Team die Schätze entgegen. Diese Schätze reisen eine Weile mit, werden ausgetauscht und im Rätischen Museum gelagert, wo sie ab Oktober ausgestellt und später wieder zurück gegeben werden. 

Pippi zum Schluss

Unter den Gewändern der zahlreichen Besucherinnen und Besucher wird es langsam heiss, eine Gelato erscheint wie eine Fata Morgana, als Christoph Luzi, der Vater des Containers, die magischen Worte spricht: «Die Ausstellung ist eröffnet.» Es gibt Wein, Wasser und Sirup, Brot, Käse und Fleisch – und Fruchtspiesse, die schneller weg sind, als man die Früchte essen kann. Mattiu Defuns unterlegt den Pausenplatz mit einem Soundtrack aus feiner, leiser, romanischer Musik. Er gibt dem Container ein Gamshorn auf die Reise, weil ihn das an die Stunden an der Jagd mit seinem Papa und Bruder erinnert. 

Mattiu Defuns spielt die letzten Töne seiner Zugabe, als visavis das Glockenspiel der Carillon das Lied von Pippi Langstrumpf anstimmt. Besser hätte es kein Drehbuch schreiben können. 

Mehr zum Thema: 

(Bild: GRHeute)

 

 

author

Rachel Van der Elst

Redaktionsleiterin/Region
Rachel Van der Elst mag Buchstaben: analog, virtuell oder überall, wo Menschen sind. In einem früheren Leben arbeitete sie unter anderm bei der AP, beim Blick, bei 20Minuten, beim Tages-Anzeiger und bei der Südostschweiz. In ihrer Handtasche immer dabei: Jasskarten.