Ein Bär für 180 Franken

Ein Bär für 180 Franken

Einkaufen ohne Kleber ist ein Ding der Unmöglichkeit. Der neueste Streich der Migros: Ein Bär, der einen im Prinzip 180 Franken kosten sollte – wenn da die Kinder nicht wären.

Cumuluspunkte, Superpunkte – an das und die damit einhergehende «Überwachung» der Kunden haben wir uns gewöhnt. Die Datensammlung der Grossverteiler hat den Nachteil, dass man auch mal Rabattpunkte für Fünfjährige bekommt, die schon längst keine Windeln mehr tragen, aber das kann man unter «Made my Day» verbuchen, weil es fernab jeglicher Realität ist.

Zum fragenden «Supercard» oder «Cumuluskarte» kam in den letzten Jahren inflationär das fragende «Kleberli» der Kassierin hinzu. Kleberli für die «Farmmania», Kleberli für die Osterhasen, Kleberli für «Welt des Wissens», Kleberli für Vitaminis», Kleberli für Messer, Koffer, was weiss ich alles. Dass das Zeug auch wiederverwertet ist, zeigte die Migros mit ihrer «Farmmania» exemplarisch auf: Nachdem der Coop im Frühling die Samentöpfli unter die Leute brachte, wurden im Herbst (der klassischen Anpflanzzeit für Samen!) Säckli gleichen Inhalts verteilt. Ob Zufall oder gewollt weiss ich nicht und ist mir egal – dass die Samen jetzt bis im Frühling rumliegen eher weniger.

Was alle diese Kundenfänger-Kampagnen gemeinsam haben: Für einen Kleber/ein Töpfli/ein Säckli muss man Waren im Gegenwert von 20 Franken kaufen. Bei einem Bärli, einem Vitamini oder einem Häschen muss man die für 20 Franken erstandenen Kleber – oder 2 bei 40 oder 3 bei 60, undsoweiterundsofort – auf eine Karte kleben. Einen Bär, ein Häschen oder ein Vitamini bekommt man erst, wenn man 18 Kleber auf einer Karte hat. Im Klartext: Für einen Bär/einen Osterhasen/ein Vitamini Made in xy mit einem Warenwert von höchstens 5 Franken zahlt man also umgerechnet 180 Franken.

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.

Aber zum Glück sind da die Kinder, und die haben schon lange herausgefunden, wie sie kriegen was sie wollen. Der Trick geht so: An der Kasse die Leute suchen, die eher keine Kuscheltierkleber sammeln, auch nicht für ihre Enkel. Man kann da einen Blick dafür entwickeln, ich schwörs. Wenn nicht, können nur wenige Menschen den dunklen Kulleraugen eines Fünfjährigen widerstehen, der fragt, ob er die Kleber haben darf. Manchmal, wenn er noch im Laden beginnt, die Kleber aufzukleben, kommen die Leute auch ungefragt zu ihm und geben ihm ihre Kleber.

Der Rekord von leerer Karte bis zum Hasen in der Hand liegt bei unter zehn Minuten. Die Taktik dürfte auch bei den Bären funktionieren. Die Frage, ob wir überhaupt noch Plüschbären brauchen, stellt sich nicht.

 

(Bild: GRHeute)

 

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Rachel Van der Elst

Redaktionsleiterin/Region
Rachel Van der Elst mag Buchstaben: analog, virtuell oder überall, wo Menschen sind. In einem früheren Leben arbeitete sie unter anderm bei der AP, beim Blick, bei 20Minuten, beim Tages-Anzeiger und bei der Südostschweiz. In ihrer Handtasche immer dabei: Jasskarten.