Der Schweiz und Graubünden gehen die Pfarrer aus

Der Schweiz und Graubünden gehen die Pfarrer aus

GRHeute
21.11.2018

In 15 bis 20 Jahren werden in der Deutschschweiz rund zwei Drittel der amtierenden reformierten Pfarrerinnen und Pfarrer pensioniert sein. In Randregionen der Schweiz wie in Graubünden ist der Pfarrmangel bereits angekommen. Mit einer Kommunikationsoffensive macht die reformierte Kirche nun auf das Berufsbild aufmerksam.

Reformierter Pfarrer oder reformierte Pfarrerin zu sein sei nicht nur Kirche und Kanzel, heisst es in einer Medienmitteilung der reformierten Kirche. «Gestalterin in einer urbanen Kulturkirche, Seelsorger im Gefängnis oder Landpfarrer im Bündnerland: Überraschende Aufgaben und Wirkungsfelder eröffnen sich in diesem Beruf.» In verschiedenen Porträts wird die Breite des Pfarrberufs auf der Webseite der reformierten Kirche aufgezeigt. So auch am Beispiel von Christoph Reutlinger (37), Pfarrer in der Kirchgemeinde Valsot im Unterengadin. 

Mehr als ein Beruf – eine Lebensweise

Christoph Reutlinger (37) ist Pfarrer in der Kirchgemeinde Valsot (vormals Ramosch und Tschlin). Der Unterländer hat 2013 den Schritt in die Bündner Berggemeinde bewusst gewählt. Er wollte nach der urbanen Ausbildungszeit in einen anderen Kulturraum eintauchen. Jetzt tauft, traut und beerdigt er Menschen, leitet Jugendlager, besucht Seniorinnen und Senioren in zwölf Dörfern und hält Gottesdienste in sechs verschiedenen Kirchen. Für den 37-jährigen Pfarrer ist es ein Privileg, in solch einer schönen Gegend zu leben und zu arbeiten. Und: Er liebt Sprachen. Mit Rätoromanisch hat er sich nun auch die vierte Landessprache angeeignet.

Es sei ein klassisches Landpfarramt, sagt Christoph Reutlinger, aber keineswegs klischeebehaftet. Er erlebt die Arbeit herausfordernd, inspirierend und, ja, auch traditionell. Das sind auch die Ansprüche, aber auch im Unterengadin brechen die traditionellen Formen langsam auf, kirchliches Leben verändert sich. Noch immer gibt es beispielsweise Trauerzüge vom Haus der Verstorbenen zum Friedhof, eine Tradition, die im Unterland längst verschwunden ist. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Beerdigungen im kleinsten Familienrahmen.

Singen ohne Zweck

Zwar betreut er «nur» rund 670 reformierte Mitglieder, aber durch das weitläufige Einzugsgebiet hat er viel zu tun. Pro Sonntag hält er zwei oder drei Gottesdienste. Auch die Seelsorge hat in den Bergen einen grossen Stellenwert. Viele Seelsorgegespräche finden telefonisch statt. Zum einen, weil der Weg ins Pfarrhaus weit ist, und weil jeder jeden kennt, entfällt zum andern die soziale Kontrolle.

Traditionell wird auch Weihnachten gefeiert. Mit Schulweihnachten und acht Gottesdiensten steht ihm eine intensive Zeit bevor. Ein Lichtblick auch für ihn: Am 25. Dezember zieht er um sechs Uhr morgens in Tschlin mit dem Chor singend von Platz zu Platz – eine alte Tradition, um Weihnachten zu verkünden. Was ihn daran so fasziniert, ist das Singen ohne Zweck. «Es hat etwas Intimes und Heiliges», sagt er. Heilige Momente oder einfach Momente zum Geniessen erlebt er trotz Hochsaison auch während des Gottesdiensts. Den letzten Weihnachtsgottesdienst des Jahres hält er jeweils am 31. Dezember in Vnà. Ebenfalls eine Tradition, aber pragmatischen Ursprungs.

Berufung leben

Den gemeinsamen Nenner im Pfarrberuf sieht Christoph Reutlinger darin, dass Pfarrerinnen und Pfarrer in einer Berufung leben. «Wir haben Gott gerne und die Menschen. Diese beiden Ebenen versuchen wir zusammenzubringen. Das ist immer wieder eine Herausforderung. Und es ist auch ein Privileg des Berufs, an all diesen verschiedenen Orten arbeiten zu dürfen und die verschiedenen Ebenen zusammenzubringen», sagt der Landpfarrer.

Wege zum Pfarrberuf  

Der Pfarrberuf bietet Perspektiven und Freiraum für eigene Gestaltung. In 15 bis 20 Jahren werden in der Deutschschweiz rund zwei Drittel der amtierenden reformierten Pfarrerinnen und Pfarrer pensioniert sein, in Graubünden ist der Pfarrmangel bereits angekommen, was gleichzeitig eine attraktive Perspektive für junge Pfarrerinnen und Quereinsteiger darstellt: Die Jobaussichten sind gut und es eröffnen sich Chancen, Kirche zu erneuern. Wer sich für den Pfarrberuf entscheidet, absolviert neben der theologisch grundlegenden Ausbildung an der Universität Basel, Bern oder Zürich (Master of Theology) oder an einer privaten Universität auch die praktische Ausbildung, die bereits während des Studiums beginnt und mit dem Vikariat und der Ordination zur Pfarrerin oder zum Pfarrer schliesst. Seit 2014 können Interessierte, die bereits über einen anderen Masterabschluss verfügen, auch den verkürzten Studiengang «Quereinstieg in den reformierten Pfarrberuf» absolvieren. Dieser führt in vier bis fünf Jahren zum Pfarrberuf.

 

Informationen

Theologiestudium

Quereinstieg in den Pfarrberuf

Kirchliche Ausbildung in den Konkordatskirchen

www.bildungkirche.ch

 

 

(Bild: Yves Müller/Reformierte Kirche, Quelle: zVg.) 

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