«Weitere Millionen-Subventionen für die Medienmillionäre?»

«Weitere Millionen-Subventionen für die Medienmillionäre?»

Gastkommentar
02.01.2022

In der Volksabstimmung vom 13. Februar 2022 über das «Massnahmenpaket zugunsten der Medien» geht es nicht nur um viel Geld, sondern auch um die Glaubwürdigkeit der Medien. Das neue geplante Bundesgesetz droht, die Schweizer Medien mit dem süssen Gift von Milliardensubventionen vom Staat abhängig zu machen. Profitieren tun vor allem die grossen Medienverlage von Ringier über Tamedia bis zur Südostschweizer Somedia. 

Bundesrätin Simonetta Sommaruga möchte künftig private Medien mit mehr Staatsgeld füttern: Die bisherigen Medien-Subventionen von jährlich 53 Millionen Franken sollen neu auf 178 Millionen erhöht werden. Fixiert (vorerst) auf 7 Jahre, womit sich die Subventionen insgesamt auf gegen 1 Milliarde summieren. Über 70 Prozent davon gingen an die grossen Medienkonzerne, an reiche Verlegerdynastien und deren Aktionäre. Selbst private, börsenkotierte Verlage wie die TX Group («Tages-Anzeiger») würden jährlich Millionen einstreichen. 

Die Zeitungsverleger geben vor, sie bräuchten das Staatsgeld, weil sie «demokratie-relevante Informationen» zu verbreiten hätten. Das allerdings überzeugt nicht. Medien, die am Staatstropf hängen, verlieren ihre Glaubwürdigkeit und ihre Funktion als vierte Macht im Staat. 

Im weiteren behaupten sie, das neue Mediengesetz sei speziell für die Kleinverlage gemacht worden und fördere die Medienfreiheit. Gerade diese Argumentation ist falsche Augenwischerei. 

1. Es gibt in der Schweiz nur noch wenige kleine Zeitungsverlage. Die bekannten Medienverlage alle sind gut situiert, gehören wohlhabenden Aktionären und werden vom Bund schon heute jährlich mit 53 Millionen subventioniert. Das bleibt auch bei Ablehnung des neuen Gesetzes so. 

2. Dass das neue Mediengesetz auf die Grossverlage ausgerichtet ist, belegten folgende Fakten: Bisher wurden nur Zeitungen bis zu einer Auflage von 40’000 Exemplaren subventioniert. Nun fällt diese Grenze. Neu sollen auch die grossen Blätter wie Blick, Tages-Anzeiger, NZZ, 24 Heures usw. subventioniert werden. Zudem werden neu auch die Sonntagszeitungen subventioniert, welche nur Grossverleger herausgeben. 

3. Weiter wird behauptet, das Gesetz fördere die Regionalmedien. Auch das stimmt nicht: Praktisch alle Regionalzeitungen gehören heute den Grossverlagen aufgekauft, welche vielerorts die Lokalredaktionen schlossen oder redimensionierten, was das Gegenteil von regionaler Förderung ist. 

Gift für die Demokratie

Staatsgeld macht staatsabhängig. Im Falle der Medien ist das Gift für die Demokratie. Staatsfinanzierte private Medien können ihre Funktion als vierte Macht im Staat nicht mehr oder nur noch begrenzt erfüllen. Schon heute ist klar, dass die meisten Medien in der Schweiz staatliche Entscheidungen wenig bis kaum hinterfragen, ganz nach dem Motto: Wieso am Ast sägen, auf dem man sitzt? Die Frage ist, ob dies nicht eigentlich die Aufgabe der Medien wäre. Und warum Verleger, die bereits jährlich Millionengewinne einstreichen (nicht zuletzt durch Subventionen), noch mehr Mittel der öffentlichen Hand in die privaten Taschen einheimsen sollen?

Subventionen sind selbst Verlegern peinlich

Ihre Subventionsforderungen scheinen selbst den Verlegern peinlich zu sein. In einem Interview in den hauseigenen Zeitungen vom 10. Oktober 2020 sagte NZZ-Präsident Etienne Jornod auf die Frage, ob der NZZ-Verlag «Staatsgelder ablehnen» würde: «Das wäre dumm, wenn die anderen das Geld nehmen. Aber Subventionen sind immer ungesund. Unsere Branche muss fähig sein, ihre Produkte zu verkaufen.»

Die Subventionen in der Übersicht

Die Verlage kassieren für ihre Radio- und TV-Angebote schon heute jährlich 81 Millionen Franken aus dem Gebührensplitting. Künftig wird dieser Betrag auf 109 Millionen erhöht. Weitere rund 130 Millionen schenkt der Bund den Verlagshäusern durch den reduzierten Mehrwertsteuersatz. Zudem werden aktuell 53 Mio. Franken an Mediensubventionen ausgeschüttet, die auch nach einem Nein zum Mediensubventionsgesetz an die Medien fliessen. Und jetzt sollen den Verlagen nochmals 125 Millionen zufliessen. 

Mit dem neuen Gesetz würden die privaten Medienhäuser die Schweizer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler somit Jahr für Jahr über 400 Millionen Franken kosten. In den nächsten sieben Jahren sind das rund 3 Milliarden! Zudem unterstützen die Schweizerinnen und Schweizer die mediale Landesversorgung auch noch via Radio- und TV-Gebühren an die SRG mit jährlich fast 1.4 Milliarden Franken. 

Entlarvende Intransparenz

Ins schädliche Subventionsbegehren passt die Intransparenz des Vorhabens: Welche Verlage wie stark von den Subventionen profitieren, will niemand sagen. Das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) schreibt: «Hierzu können wir keine Angaben machen». Dasselbe teilt auch der Verlegerverband mit.

«Ineffizient» und «wettbewerbsverzerrend»

Um den Kniefall der Politik vor den Medien umsetzen zu können, schlägt der Bundesrat in einem Massnahmenpaket Änderungen im Postgesetz und im Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) vor. Zudem wurde ein neues «Bundesgesetz über die Förderung von Online-Medien» ohne korrekte Vernehmlassung ins Paket geschmuggelt. Die darin definierten direkten Subventionen taxiert die Eidgenössische Wettbewerbskommission als «verfassungswidrig», «wettbewerbsverzerrend» und «ineffizient». Sie beantragte dem Bundesrat, deren Ausbau «vollumfänglich zu streichen». Ohne Erfolg. 

Subventionen sind unbegründet  

Die Mediensubventionen sollen ausgebaut werden, obwohl mit den bisherigen Millionenzahlungen absolut nichts erreicht wurde. Sie haben den massiven Verlust an Meinungsvielfalt nirgendwo aufgehalten. Selbst der Bundesrat weiss das: 2017 hielt er fest, die bisherigen Subventionen hätten auf die Medienvielfalt «keine Wirkung» gezeigt. 

Die Millionen-Subventionen sind auch wirtschaftlich unbegründet. In den Vor-Corona-Jahren verdienten die fünf marktbeherrschenden Verlage des Landes jährlich gegen eine halbe Milliarde Franken und zahlten dreistellige Millionenbeträge an Dividenden aus. Und selbst im Corona-Jahr 2020 machten sie noch fast 300 Millionen Franken Gewinn. Das zeigt: Die Verleger können ihre betrieblichen Aufgaben selbst finanzieren. Diese auf das Volk abzuwälzen, ist unanständig.

Angriff auf Gratis-News und freies Internet 

Neu sollen auch Online-Medien subventioniert werden. Aber nur jene, die abonniert sind. Kostenlose Medienangebote – ob online oder print – sind von der Staatsförderung ausgeschlossen. Auch GRHeute, das sich über Werbung finanziert, würde nicht gefördert, ganz gleich, ob man schon gegen sieben Jahre täglich News produziert. Andere hingegen dürfen sich auf einen Geldregen freuen – dank des wenig nachvollziehbaren Arguments, ein abonniertes Medium zu sein. Der Verdacht, dass gezielt einzelne Medien gefördert werden sollen, liegt auf der Hand. In Zahlen: Der Bund möchte den Verlegern künftig für jedes Online-Abonnement 60 (!) Prozent der Abo-Einnahmen zustecken. Profitieren von diesem Staatsgeld würden damit nicht die Konsumenten, sondern die Verleger. 

Kostenlose lokale und regionale Online-Dienste werden durch die neuerliche Wettbewerbsverzerrung gezielt vom Markt gedrängt. Mit dem Resultat, dass die frei verfügbare Information im Internet zu politischen Prozessen im Nahbereich der Bürgerinnen und Bürger verschwindet. Die Konsumenten würden im Gegenzug gezwungen, teure Online-Abos der Monopolverlage zu kaufen, die wiederum von den Staatsgeldern abhängig würden. Dass es sich dabei auch um einen unsozialen indirekten Abonnementszwang für Normalverdienende, Senioren und Jugendliche handelt, die darauf angewiesen sind, ihre Informationen kostenlos beziehen zu können, liegt ebenfalls auf der Hand.

Einheitsbrei statt Wächterfunktion

Was ist die Aufgabe der Medien? Staatlich finanzierte Medien verlieren ihre Wächterfunktion gegenüber Politik und Verwaltung. Ihre Staatsabhängigkeit macht sie unglaubwürdig, was schon heute in verschiedenen Fällen auch in der Südostschweiz zu beobachten ist. 

Die Subventionen fördern die inhaltliche Schwächung der Medien. Der Konzernjournalismus, bei dem vom Bodensee bis zum Genfersee überall dasselbe geschrieben wird, führt zu einem staatspolitisch gefährlichen Einheitsbrei. Laut einer Studie der Universität Zürich verdoppelte sich der Anteil an Medienbeiträgen, die in mehreren Zeitungen erschienen sind, von 2018 bis 2020 innert bloss drei Jahren von 10 auf 21 Prozent – Tendenz steigend. 

Steuergeld falsch eingesetzt 

Ebenfalls ist es stumpfsinnig, die Änderung des Nutzungsverhalten der Medienkonsumenten einfach zu negieren. Gemäss der Universität Zürich setzten 2019 bereits 61 Prozent der Konsumenten auf Online-News. Das ist der bei weitem höchste Anteil unter allen Mediengattungen. Alle anderen Medien verloren in den letzten zehn Jahren drastisch an Marktanteilen: die Abo-Zeitungen minus 25 Prozent, TV minus 24 Prozent. 

Fast 100 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer zwischen 14 und 39 Jahren nutzen das Internet regelmässig. Damit wird klar: Es ist falsch und alles andere als zukunftsgerichtet, hunderte von Steuergeld-Millionen für Print-Zeitungen zu verfeuern. 

Nein zum «Massnahmenpaket zugunsten der Medien» 

Im Sinne der Meinungsfreiheit und Medienvielfalt muss das neue Mediengesetz gestoppt werden. Auf dem Spiel steht die freie öffentliche Debatte – und damit nicht weniger als die Grundlage der Demokratie. Von Staatsmillionen abhängige Medienmonopole sind Gift für das Funktionieren unseres politischen Systems. Darum braucht es am 13. Februar 2022 ein «Nein» zum unnötigen und schädlichen «Massnahmenpaket zugunsten der Medien». 

Wenn die Befürworter der nochmals verstärkten Mediensubventionen mit Schlagworten wie «Man muss die Medienvielfalt schützen» oder «Man muss die Unabhängigkeit der Medien schützen» mit dem Untergang der hiesigen Medien drohen, dann ist dies nicht als spöttischer Hohn. Genau das Gegenteil ist der Fall! Wenn stark subventionierte Medienmillionäre für ihre privaten Portemonnaies weitere Steuermillionen abgarnieren wollen, dann ist ein deutliches «Nein» zur Vorlage am 13. Februar die einzig richtige Antwort. Auch wenn uns Politikerinnen und Politiker, die von entsprechend wohlwollender Berichterstattung profitieren, uns das Gegenteil weismachen wollen. 

 

(Text/Quelle: Bruno Hug/linth24.ch)