«Sport gehört einfach zu mir»

«Sport gehört einfach zu mir»

Zum Tag der Frauen portraitiert GRHeute dieser Tage Biografien von Frauen aus Graubünden. Den Anfang macht die Ausdauer-Spitzensportlerin Jasmin Nunige (48) aus Davos.

«Ich bin gerade aus Schweden zurück. Mein Mann Guy und ich haben zusammen den Vasaloppet, den Wasalauf, absolviert. Wir sind am Samstagabend um 20 Uhr gestartet, fünf Stunden, 13 Minuten und 3 Sekunden später sind wir zusammen ins Ziel gelaufen. Wir haben den 29. Rang erreicht. Jetzt regenerieren wir uns.

Meine Regeneration dauert nach Laufwettkämpfen jeweils etwa zwei Wochen, hier sicherlich weniger. Ich mache Ausdauersport wie zum Beispiel den früheren Swiss Alpine Marathon in Davos. Ich habe ein paar Mal gewonnen, aber wenn mich jemand fragt, muss ich immer nachsehen, wie oft. Ich mache das für mich. Ich will mir und anderen Frauen zeigen, dass man mit viel Ausdauer und Einsatz viel erreichen kann. Es gibt viele, die es könnten, aber sie müssten einmal den Mut aufbringen, den letzten Schritt zur Anmeldung zu machen. Der Sieg, der mir am meisten etwas bedeutet, ist derjenige von 2012. Das war ein Jahr, nachdem ich meine MS-Diagnose bekommen habe. Mein Mann hat mir vor dem Wettbewerb gesagt: Du hast schon gewonnen. Nach dieser Diagnose an den Start zu stehen und dir zutrauen, 78 Kilometer zu rennen, das ist schon gewonnen. Das war so eine Deckung für mich. Ich hatte einen super Lauf, es war das Tüpfelchen auf dem i.

Mein Mann war meist bei den Läufen dabei. Er ist mein Coach, meine Stütze. Er hat mich immer unterstützt. Es wäre nicht gegangen, wenn er und später meine Kinder nicht hinter mir gestanden wären. Er ist sieben Jahre älter als ich, und er hat mir als ehemaliger Spitzenläufer gezeigt, wie man richtig läuft. Seither macht es noch mehr Spass. Irgendwann haben wir gesehen, dass ich durch mein jüngeres Alter erfolgreicher sein kann als er. Das war nicht immer einfach. Ich habe immer nebenbei noch gearbeitet und mein Mann hat sich oft um die Kinder gekümmert. Manchmal war er der einzige Mann auf dem Spielplatz und wurde schon schräg angeschaut. Für mich war das ein Geschenk, dass er mir den Rücken freigehalten hat, als die Kinder klein waren. Jetzt sind sie erwachsen und brauchen mich nicht mehr so fest.

 

 

Ich frage mich schon manchmal, ob wir das richtig gemacht haben, ob ich hätte mehr zuhause sein sollen. Aber wenn ich meinen Sport gemacht habe, ging es mir auch gut. Ich glaube, ich würde fast alles nochmals so machen. Es gehört einfach zu mir. Bei uns war Bewegung immer wichtig, aber wir haben die Kinder nicht in dem Sinne gezwungen. Wir waren oft als Familie unterwegs, das war auch sehr schön. Mir geht es am Besten, wenn diese drei Säulen ausgeglichen sind: Sport, Familie und mein Beruf als Coach für Langlaufen, Running/Mentalcoaching und als medizinische Masseurin.

Angefangen habe ich eigentlich als Langläuferin, wenn man in Davos aufwächst gibt es neben dem HCD nur Nordisch oder Alpin. Skifahren sagte mir nichts. 1994 durfte ich an den Olympischen Spielen in Lillehammer teilnehmen, ich bin da mehr so reingerutscht. Das war damals ganz anders als heute, das ist heute viel professioneller. Mit Adidas Terrex habe ich einen Partner gefunden, der mich einkleidet und mich in Sportcamps auf die Laufsaison vorbereitet. So werde ich beispielsweise im Frühling zehn Tage auf Fuerteventura verbringen.

Mein Mann und ich suchen uns immer Anfang Jahr die Läufe aus, an denen ich teilnehme. Ein Lauf ist für mich auch Spass, der steht im Vordergrund. Ich mache das auf einem professionellen Niveau, aber wenn es mir keinen Spass machen würde, würde ich es nicht mehr machen. Ich habe mit dem Profi-Langlauf aufgehört, weil ich zwar gern und oft trainierte, aber diese Leistungen an den Wettkämpfen nicht umsetzen konnte. Profisport ist nichts für mich. Ich habe erst mit den Kindern gemerkt, was mir der Sport bedeutet. Er macht mir zwar Freude, aber es ist nur mein Hobby. Stillsitzen macht mir grundsätzlich Mühe, aber ich habe gelernt, den Abend ruhig anzugehen lassen. Ich gucke gern Sport und mache keine Unterschiede.

Der Swiss Alpine findet dieses Jahr erstmals als X-Trail statt. Ich bin jetzt im OK. Ob ich mitlaufe, weiss ich noch nicht. Ich bin zwei Wochen vorher am Ultratrail an der Zugspitze, ich weiss nicht, ob ich dann fit bin. Vielleicht laufe ich einfach im Feld mit, um die Ambiance aufzuschnappen, was da so abgeht. Wenn ich mir dieses Ziel setze, dann ist es kein Problem.»

Mehr über Jasmin Nunige: nunige.ch.

(Bilder: Adidas Terrex)

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Rachel Van der Elst

Redaktionsleiterin/Region
Rachel Van der Elst mag Buchstaben: analog, virtuell oder überall, wo Menschen sind. In einem früheren Leben arbeitete sie unter anderm bei der AP, beim Blick, bei 20Minuten, beim Tages-Anzeiger und bei der Südostschweiz. In ihrer Handtasche immer dabei: Jasskarten.