Ein Leserbrief der Geschäftsleitung der Mitte Graubünden (Aita Zanetti, Co-Präsidentin, Kevin Brunold, Co-Präsident, Martin Bettinaglio, Co-Fraktionspräsident, Reto Crameri, Co-Fraktionspräsident)
Im September 2020, als die Jagdgesetzrevision abgelehnt wurde, wurden in Graubünden sechs Wolfsrudel gezählt. Aktuell leben schon elf Rudel in und um Graubünden. Auffällig die Massierung im Raum Surselva/Mittelbünden/Misox, wo acht Rudel gesichtet wurden. 506 Wolfsrisse an Nutztieren wurden 2022 in Graubünden schon entschädigt. 2020 waren es erst 257 – mit weniger Herdenschutz-Massnahmen als heute.
Die Belastung des Zusammenlebens zwischen Wolf und Mensch ist stark gestiegen. Von weiteren fünf Wolfspaaren in und um Graubünden wird demnächst Nachwuchs erwartet. Der Wolf hat keine natürlichen Feinde, ein Wolfspaar wirft jährlich 5 – 6 Junge. Rechnen Sie, wie viel Wölfe in zwei Jahren in den Bündner Tälern nach Nahrung suchen müssen.
Die Landwirte machen schon das Menschenmöglichste, um die Herden zu schützen. Aber auch die Nahbegegnungen zwischen Wölfen und Menschen häufen sich seit zwei Jahren exponentiell. Es zeigt sich, dass die Scheu der Wölfe mit zunehmender Futterkonkurrenz abnimmt, das Risiko eines Angriffs wächst. Wenig erstaunlich, dass Landwirte und Behörden in Graubünden an ihre Grenzen gelangt sind.
Wir wollen den Wolf nicht ausrotten, er ist Teil der Bündner Biodiversität. Die Erfahrungen des letzten Sommers lassen aber keine Zweifel offen: Wir müssen die Wolfsbestände wie jene des Steinbocks auf ein erträgliches Mass regulieren. Zur Erinnerung: Der ebenfalls geschützte Steinbock wird konsequent reguliert, obwohl er keinen negativen Einfluss auf die Natur hat. Obwohl er keine Nutztiere tötet. Obwohl sein Fleisch nicht als Delikatesse gilt.
Der Wolf ist in der Schweiz nicht mehr vom Aussterben bedroht. Ein aktiveres und jederzeit aktuelles Wolfs-Management ist jetzt unumgänglich, trotz Berner Konvention. Es braucht die Möglichkeit, bei massiven Überbeständen auf kleinem Raum ein ganzes Rudel entnehmen zu können. Auch die EU hat inzwischen die Zeichen der Zeit erkannt. Eine Mehrheit des EU-Parlaments forderte in diesen Wochen eine stärkere Regulierung des Wolfs.
Ein radikal-dogmatisches Verschliessen der Augen hilft also niemandem, da helfen nur gesundes Augenmass und Vernunft. Sonst bleibt schon mittelfristig jemand auf der Strecke: Zuerst die Berglandwirtschaft und die Pflege des Kulturlandes in den Bergen. In der Folge der Bündner Tourismus. Spätestens dann würde der Ruf nach einer erneuten Ausrottung des Wolfs unüberhörbar laut. Genau das wollen wir aber nicht!
(Bild: Archiv)