«Peanut Butter Cookies with jam on top»

Der Lange Samstag – er ist schon wieder Geschichte. Er hätte noch Stunden weiter gehen oder gar bis in den ganzen Sonntag ausgedehnt werden können. Eine Idee fürs nächste Mal? Eine total subjektive Bilanz von GRHeute-Redaktionsleiterin Rachel Van der Elst.

Hier (Langer Samstag: Meine liebsten Königinnen) habe ich geschrieben, was ich unbedingt sehen will. Allgemein ist mir schon bei der Ansicht des Programms aufgefallen, dass ich vor auf diese 30-Minuten-Päckli mit Musik und Worten Lust habe. Und dass ich immer schaue, was Kunstmuseum und Rätisches Museum zu bieten haben. Der Rest kommt, wie es kommt.

Meine Entdeckung des Abends: Die Sonderausstellung des Kunstmuseums zeigte «Sockelgeschichten», und ich habe mich schon lange nicht mehr so verliebt in ein Objekt wie in diese Scheune. Sie ist von Gabriela Gerber und Lukas Bardill, die beide aus Schiers stammen, was uns so fest gefallen hat, dass diese Scheune in unseren Gedanken jetzt auf dieser Ebene zwischen der Eishalle Grüsch und dem Ascherapark steht statt wie von den Kunstschaffenden gewollt auf irgendeiner «Alb I». «Es ist dem Chöttihammertaler seine Behausung; neu gibt es sie auch als Bastelbogen», haben wir gesagt. Die Schuderscher Hexe lässt grüssen!

Meine liebsten Königinnen: Les Reines Prochaines waren wie erwartet der Hammer. Es war wie eine Audienz bei der Queen mit ihrem Hofstaat auf Augenhöhe. Sie brachten Samt und Glitzer und Pelz und Schlangenprints (oder: eine Klarinette, ein Saxophon und eine E-Gitarre) ins Cuadro22 und performten eine Teezeremonie ohne zerbrochenes Glas. In ihren Liedern kamen Sätze vor wie «Peanut Butter Cookies with jam on top», «Es gibt ganz viele Sprachen und die meisten davon können wir nicht» und «Schlafen ist individuelle Anarchie». Nächste Aktion: Tourplan studieren und Tix buchen!

Ebenfalls im Cuadro22 zu sehen: die Gruppenausstellung «Sex, Death & Robots». Viel SM, viel Verstörung. Aber irgendwie auch sehr ästhetisch dargestellt. Da die Ausstellung erst ab 16 ist, verzichten wir hier auf detaillierte Beschreibungen.

Grösster Nerv-Moment: Leider haben wir es nicht in die Postremise zu den Gemeindeversammlungen geschafft. Die Schlange war schon um 21.40 Uhr so lang bis auf die Strasse hinauf. Beim Einlass ging zehn! Reihen vor uns die Türe zu wegen voll. Hinter uns war die Schlange wiederum bis fast zur Engadinstrasse hoch. Pech. (Wer die Protokolle der Gemeindeversammlung im Dorf quasi bei der Entstehung erleben will, gehe einfach an eine Gemeindeversammlung im Dorf!)

Premiere: Mit dem Langen-Samstag-Bus gefahren. Hat tadellos geklappt. Bahnhof -> Cuadro22 -> Postplatz. (Fürs nächste Mal merken!)

Statt Gemeindeversammlung: Habe ich im Atelier des Kunstmuseums eine Postkarte gestickt. Eine sehr meditative Angelegenheit. Am Tisch nebenan sass eine Gruppe junger Leute mit Herren in Überzahl. Da scheint der Handarbeitsunterricht seine Spuren hinterlassen zu haben – schön!

Poetischer Moment: Im Kunstmuseum die Ausstellung mit Kirchner, Müller, Camenisch anzuschauen und den Soundtrack dazu vom Jazz-Konzert aus der Eingangshalle serviert zu bekommen. Apropos serviert: Es gibt ein Bild von Daniel Spoerri: «Tableau Piége, Restaurant Spoerri», auf dem Weingläser und anderes auf einem Foto mit einem vollen Aschenbecher kleben. Mir kam als erstes Peter Bichsel und sein von Mike Müller performter legendärer Satz «I sitze albe ir Beiz. D Beiz isch de Mikrokosmos vo de Wält» (oder so ähnlich) in den Sinn. Beim zweiten Hinsehen gefiel mir aber die Vorstellung von Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch in einer Zürcher Niederdorfbeiz besser. Auf jeden Fall zeigt die Installation Zustände praktisch wie im Alten Rom.

Persönliche Zahlen vs Zahlen der Veranstalter: 6 Stunden, 15 Kilometer (teilweise per Bus), 6000 Schritte. 200 Einzelaufführungen mit 18’600 Eintritten.

Fazit von «Madame Langer Samstag», Anita Willi: «Wir sind richtig glücklich mit dem Langen Samstag 2022. Die Kulturbranche kämpft immer noch mit den Folgen der Pandemie, der Erfolg ist also überhaupt nicht selbstverständlich. Dass die Häuser dieses Jahr enorm viel in die Qualität des Programms investiert haben, ist belohnt worden.»

 

(Bilder: GRHeute, zVg.)

 

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Rachel Van der Elst

Redaktionsleiterin/Region
Rachel Van der Elst mag Buchstaben: analog, virtuell oder überall, wo Menschen sind. In einem früheren Leben arbeitete sie unter anderm bei der AP, beim Blick, bei 20Minuten, beim Tages-Anzeiger und bei der Südostschweiz. In ihrer Handtasche immer dabei: Jasskarten.