Krankenkasseninitiative – schon wieder!

Leserbrief
01.10.2015

Gut getimt für die laufenden Wahlen und für die Behandlung bei den nächsten Wahlen im Jahr 2019 hat die SP eine neue Krankenkasseninitiative angekündet. Die Prämien der Krankenkasse sollen dabei maximal 10% des Einkommens betragen. Innert 12 Jahren wäre dies bereits die dritte Krankenkasseninitiative der SP, die sich mit der Finanzierung, nicht aber mit den echten Problemen unseres Gesundheitswesens befasst.

Die Ursache hoher Prämien sind die hohen Kosten im Gesundheitswesen. Die Prämien sind Abbild dieser Kosten. Eine nachhaltige Lösung der Prämienfrage ist deshalb nur denkbar, wenn es gelingt, die hohen Kosten im Gesundheitswesen in den Griff zu bekommen.

Analysiert man die Kostenentwicklung, so stellt man sehr schnell fest, dass die hohen Kosten einerseits durch die hervorragende Qualität, anderseits durch gewaltige Strukturprobleme verursacht werden. Diese Strukturprobleme äussern sich insbesondere in der Spitalhoheit der Kantone. Jeder Kanton versucht, seine Angebote auszudehnen und zu erweitern, unabhängig von der Qualität. Entgegen der Absichten des Gesetzgebers hat beispielsweise der Kanton St. Gallen – mit einer SP-Gesundheitsdirektorin – beschlossen, fast 1 Milliarde Franken an Subventionen auszurichten, um die bestehende (ineffiziente) Spitalversorgung aufrecht zu erhalten und einen echten Wettbewerb mit andern Kantonen zu verhindern. Komplizierte Herzoperationen werden heute in 18 (!) Kantonen angeboten, wobei  – was sehr bedenklich ist – die notwendigen Fallzahlen das Minimum einer qualitativ guten Versorgung  unterschreiten.

Die Entwicklung weg von Einzelkämpfern bei den Hausärzten zu medizinischen Erstversorgungszentren verläuft äusserst schleppend. Von Anreizsystemen, die den Patienten in die Mitverantwortung für die Kostendämpfung   einbeziehen, lassen die Politiker die Hände weg. Weil man damit keine Wahlen gewinnt.

Finanzierungsfrage populärer

Weil eine Auseinandersetzung um die Gesundheitskosten politisch wenig attraktiv ist, stürzen sich die Parteien immer wieder auf die Frage, wie die (zu hohen) Kosten finanziert werden sollen. Einmal mit Lohnprozenten, einmal mit einer einheitlichen Prämie für das ganze Land und anderes mehr. Der neue Vorschlag der SP: Die Prämie soll 10% des Einkommens nicht übersteigen. Auch dies keine neue Idee. Vor Jahren wurde sogar eine Beschränkung auf 8% diskutiert und verworfen.

Was würde nun eine Beschränkung der Prämien auf 10% des Einkommens bedeuten? Sozial gar nichts, weil die unteren Einkommen heute dank der Prämienverbilligungen weit unter eine 10%-Belastung kommen. Oder meint die SP gar, dass 10% zumutbar sind? In diesem Fall würden alle Personen bis rund 80’000 Franken sogar mehr bezahlen!  Für Personen bei Einkommen von 80’000 bis 1200’00 würde eine Entlastung eintreten, der Ausfall müsste aber über Steuern kompensiert werden. Und diese Steuern würden die gleichen Personen zahlen müssen, die scheinbar entlastet werden. Also weitgehend ein Nullsummenspiel. Parteipropaganda ist offensichtlich wichtiger als Problemlösungen!

Probleme sachlich angehen

Das Schweizer Volk erwartet von der Politik, dass sie gemeinsam die anstehenden Probleme im Gesundheitswesen angeht. Es braucht dabei eine Zusammenarbeit über alle Parteigrenzen hinweg. Dabei ist in erster Linie die Kostenentwicklung im Auge zu behalten: Nur wenn es gelingt, die Kostenentwicklung im Rahmen der Teuerungsentwicklung zu halten, wird es auch möglich sein, die Prämien auf ein vernünftiges Niveau zu beschränken.  Die Prämien tief zu halten und dafür die Steuern zu erhöhen löst keine Probleme. Vor allem der Mittelstand würde damit einmal mehr zur Kasse gebeten.

Damit ist nicht gesagt, dass die Finanzierungsfrage überhaupt kein Problem ist. Im Gegenteil: Irgendwann muss sich die Politik darüber im Klaren werden, wieviel der Gesamtkosten im  Gesundheitskosten über Prämien und wieviel über Steuern zu finanzieren sind. Gleichzeitig ist festzulegen, wieviel der Bund und wieviel die Kantone zur Finanzierung beitragen sollen.

Bei gutem Willen lässt sich diese Frage einfach lösen – schwieriger wird es sein, die Kosten in den Griff zu bekommen. Vor allem deshalb, weil sich kein Politiker damit die Finger verbrennen will. Die Ankündigung der neuen Krankenkasseninitiative zeigt, dass man so weiter fahren will wie bisher. Alle drei bis vier Jahre eine unnütze Volksabstimmung über die Finanzierung – und die effektiven Probleme im Gesundheitswesen weiter vor sich herschieben. Da kann man nur den Kopf schütteln.

Christoffel Brändli, alt-Ständerat Graubünden

 

 

(Symbolbild: EQ Images/Yoshiko Kusano)