Kolumne-2-0
«Ich dachte, vor 40 muss ich noch ein Buch schreiben»
Jeden zweiten Freitag schreibt Christian Stalder auf GRHeute eine Kolumne – seine Staldereien. Jetzt hat er im Eigenverlag ein Buch mit 19 Kolumnen unter «Tanzt mit dem Drachen, Füdlibürger» herausgegeben. GRHeute hat den Jungautor interviewt – nach allen Vorschriften der Corona-Regeln. Das Buch kann hier bestellt werden: BoD.ch. Der Link führt direkt zum Buch. (Filme: GRHeute)
Staldereien: Ins Pfefferland mit der Daheimschule!
Der Wecker klingelt. 06:30 Uhr. Ich hieve meinen seit Ostern velosattelgeplagten Popo aus dem Bettchen. Wie konnte ich nur auf die Idee kommen, so ne Fahrradtour durch den Lenz wirke erquickend, ja unterbreche gar meinen seit Wochen andauernden Quarantänevöllereizustand angemessen? Die letzte Fahrradtour ist zwanzig Jahre her. Unerschrocken kurvte ich damals durch das Bergell via Comersee nach Lugano, Marocaine rauchend über die Pässe. Zu Ostern dann unheilig Party im Tessin, halbleer die Diskotheken, teuer das Bier. Meine Zip-Hosen und der […]
Tourismus.total: «Projektarbeit – To-do-Liste ohne Enddatum»
Sie kennen sie bestimmt auch, die gute alte To-do-Liste. Wo früher das Versenden einer Medieninformation, die Beantwortung einer speziellen Buchungsanfrage oder die Verteilung eines Veranstaltungsflyers stand, reihen sich heute Projektnamen aneinander. Projekte sind – und das ist wohl unterdessen bei vielen so – die Arbeitsform unserer aktuellen Arbeitskultur. Da man natürlich nicht sofort von allem Bewährten absehen möchte, versucht sich unsereiner mit einer altbewährten To-do-Liste Übersicht zu verschaffen. Bei mir stehen auf einer solchen Liste momentan «Erlebnis Baudenkmal», «Erlebnis Rhein», […]
Staldereien: Abo der Unfreien
Sonnige Wochenenden locken eine Spezies auf den Berg, die kaum angekommen in bilderstürmischer Manier blaue Himmel, neonleuchtende Skier und braunbestäubte Milchschäume als Lichtbilder einem nicht genau bekannten Kollektiv entgegenschmettert. Nicht selten dürfen wir, als wäre das nicht schon genug, den Fotografen selbst noch in die weissen Zähne schauen. Da oben tummelt sich das einheimisch Volk, das noch am späten Ende des Sommers vorfreudig in eines der begehrten Jahresabonnemente investiert hat. Die Karte sichert den Zugang ins weisse Paradies. Und das […]
Staldereien: Barfüssige Grüsse aus Teheran
Es ist schon verrückt: Während meine Naherholungsgebiete zu einer stacheldrahtbehüteten Kriegsfestung umgebaut werden, hampelt der Nasengeist über den heimischen Bildschirm. Während selbstgefällige Experten ebendort die barbarischen Interventionen des Westens im Nahen Osten verteidigen, erfreue ich mich an den WhatsApp-Nachrichten eines sympathischen Teppichhändlers in Teheran. Im Hintergrund plappern Kliby und Caroline, hoch oben dröhnt eine rostende Hornet. Fünfzehn Seiten stutdentische Seminararbeit vor mir versuchen engagiert, Machtstrukturen dialektisch aufzulösen. Der Espresso steht nur da. Die Gleichzeitigkeit der Dinge ist Fluch und Segen […]
Staldereien: «Kir Viral, bitte!»
Aus dem Radio scheppert mir Huber einen seiner Songs ins linke Ohr. Einen Neuen. Klingt aber wie einer seiner Alten. Das radiotauglich Ding vermag meine Stimmung nicht zu heben. In den letzten Stunden haben die Viren in mir zur Rundumschlag-Schaumparty ausgeholt, lassen den Gaumen in blaterigen Wölbungen feuerlich erröten, pumpen gefühlte drei bar unter die Schädeldecke und halten meine Nasenhöhlen im Würgegriff; mein Wahlsonntag, ein leidvolles Desaster. Ich bin ein Aussätziger inmitten der Massen. Die einzigen Fenster zur Welt sind […]
Roll over Helvetia
Auf den Tag vor 93 Jahren erblickte Charles «Chuck» Edward Anderson Berry das Licht der Welt. Und mit ihm dieser unbeschreibliche Beat. Dieses freche, leichte, perfekt gesetzte Spiel. Neue, fast eigenhändig gezeichnete Musik eines Rock’n’Roll-Architekten. Lennons oder Dylans späteres Schaffen wäre ohne den Mann aus St. Louis undenkbar, zumal dessen sprachverliebte Lyrik den Songs reichlich Tiefe und zeitlose Aktualität verlieh. Die Charts von heute kennen sowas nicht mehr: Berry scheute sich nicht, der Elite gerne mal charmant-demonstrativ eins auszuwischen und […]
Liebe Unbekannte
Wir haben uns am Samstag, dreizehn Uhr zehn Ortszeit in einem Smart-Discounter in Wädenswil getroffen. Kasse eins. Sie im türkisenen Shirt, mit ungepflegten Füssen. Ich Kohlrabiblätter tragend, mit leichten Schweissflecken unterm Arm und Rachmaninoff pfeiffend. Ach, das Piano Concerto #2 (nicht Hashtag, Nummer!) in C Minor, Opus 18: eine sinnliche Freude, nicht? Es war stickig. Das raffgierige Gehabe all der Menschen zwischen Kühlregalen und Wühlkisten nervte gehörig und gab Anlass zur Sorge, dass der (aller-) letzte Sommersamstag grillapokalyptisch zu Ende […]
Seit wann redest du plötzlich so um den Brei herum?
Ja, das fragte mich kürzlich mein Freund. Ich wusste zuerst nicht was er meint. Um den Brei? Doch ich begriff schnell, mir ist die Schweizer Höflichkeit rausgerutscht. Er korrigierte sofort mein „Hättest du am Wochenende vielleicht Zeit, um zu telefonieren?“ in ein „Wann hast Zeit?“. Und lachte mich aus. Kann passieren. Und ich wusste auch gleich woran das wohl liegen könnte. Seit ich hier in Madrid studiere, muss ich mich schon wieder in einer ganz neuen Kultur integrieren. Aber hier […]