Keine Prognose für Evakuierung von Brienz/Brinzauls

Keine Prognose für Evakuierung von Brienz/Brinzauls

GRHeute
14.03.2025

Der Bergrutsch ob Brienz/Brinzauls kommt weiterhin nicht zur Ruhe. Zwar gingen die Geschwindigkeiten der Rutsche aufgrund des trockenen Wetters zurück; doch weil die Schutthalde sensibel auf Niederschläge reagiert, ist im Moment keine Prognose für die Dauer der Evakuierung möglich. 

Die aktuelle Lage präsentiert sich gemäss dem Bulletin des Gemeindeführungsstab Albula/Alvra vom Freitag folgendermassen: 

  • In sämtlichen Bereichen am Berg gehen die Geschwindigkeiten im Trend der letzten Tage und Wochen zurück. Besonders in der Schutthalde oben haben die Geschwindigkeiten stark abgenommen. Sie befinden sich fast wieder auf der Höhe der Messwerte vor den ausgiebigen Niederschlägen im Herbst 2024
  • Beim Plateau und im Westen sind die gemessenen Geschwindigkeiten nach wie vor auf hohem Niveau.
  • Die Geschwindigkeiten der Rutschung Dorf waren in den letzten Wochen rückläufig, begannen jedoch in der letzten Woche wieder leicht zu steigen. Beim Messhäuschen im Dorf beträgt die aktuelle Geschwindigkeit etwa 1.85 m/Jahr.
  • Die Schutthalde oben reagiert nach wie vor sensibel auf Niederschläge und Steinschläge. Eine Prognose hinsichtlich der weiteren Dauer der Evakuierung ist leider noch immer nicht möglich. 

 Geschwindigkeiten

  • Plateau: ca. 6.4 m/Jahr | abnehmend
  • Front: ca. 5.5 m/Jahr | stagnierend
  • West: ca. 7.3 m/Jahr | abnehmend
  • Insel Ost: ca. 3.5 m/Jahr | abnehmend
  • Rücken Caltgeras: ca. 2.6 m/Jahr | leicht abnehmend
  • Rutschung Dorf: ca. 1.9 m/Jahr | stagnierend
  • Schutthalde oben: bis ca. 9 cm/Tag | stagnierend

 

 

 

Umfrage zu einer möglichen Umsiedlung

Die Kommission Siedlung hat über den Jahreswechsel eine zweite Umfrage zu einer möglichen Umsiedlung von Brienz/Brinzauls gemacht. Befragt wurden Einheimische mit Wohnsitz in Brienz/Brinzauls wie auch Besitzer:innen von Ferienwohnungen.

80 Prozent der Befragten geben an, bei einer allfälligen Umsiedlung nach Vazerol ziehen zu wollen. Nur einzelne Betroffene können sich auch eine Umsiedlung nach Tiefencastel-Cumpogna oder Alvaneu Dorf-Faderna vorstellen.

Die Betroffenen wurden auch danach gefragt, ob sie Interesse an einer freiwilligen Umsiedlung (ohne Totalbeschädigung ihres Hauses) hätten. 15 Haushalte mit rund 30 Personen gaben in der Umfrage an, sich für eine freiwillige Umsiedlung zu interessieren.

Bauland in Vazerol West

Um Betroffene in Vazerol West ansiedeln zu können, müssen dort Landparzellen zur Verfügung stehen, die zur Umsiedlung eingezont werden können. Die Gemeinde besitzt oberhalb und unterhalb der Kantonsstrasse zwar solche Parzellen, darauf haben Private aber Baulandansprüche aus früheren vertraglichen Regelungen. Fast 70 Prozent dieser Anspruchsberechtigten haben sich nun bereiterklärt, gegen eine Entschädigung auf ihre Ansprüche zu verzichten. 

Anders sieht es bei Parzellen aus, die privaten Eigentümmer:innen gehören: Keiner dieser Eigentümer:innen ist bereit, sein Land für die Umsiedlung zu verkaufen oder Hand für die Erstellung der nötigen Erschliessungsstrassen und -leitungen zu bieten. 

Für die 15 Haushalte, die sich für eine freiwillige Umsiedlung interessieren, steht dank der Zusagen von Anspruchsberechtigten aktuell genügend Land zur Verfügung, um sie in Vazerol anzusiedeln. Die Gemeinde bereitet für Vazerol West nun eine weitere Teilrevision des Zonenplans vor. Sie wird voraussichtlich im April 2025 öffentlich aufgelegt und es wird ein Mitwirkungsverfahren durchgeführt. 

Zum ersten Mitwirkungsverfahren für die Standorte Cumpogna und Faderna gab es sieben Eingaben. Die Gemeinde wird sie einzeln beantworten. Aufgrund der Eingaben wird sie die vorgesehenen Änderungen des Baugesetzes noch einmal überarbeiten. Deshalb wird für die Standorte Faderna und Cumpogna zusammen mit dem Mitwirkungsverfahren Vazerol West ein zweites Mitwirkungsverfahren durchgeführt. Bis dann wird auch der Entwurf der Umsiedlungsverordnung vorliegen

Verbindliche Anmeldung zur freiwilligen Umsiedlung nötig

Im Rahmen der neuen Mitwirkungsverfahren haben Betroffene nun die Möglichkeit, ihr Interesse an einer freiwilligen Umsiedlung verbindlich anzumelden. Unterlassen sie das, werden sie für eine freiwilligen Umsiedlung vorerst nicht berücksichtigt. Eine erneute Möglichkeit zur freiwillige Umsiedlung wird sich voraussichtlich frühestens in etwa zwei Jahren wieder ergeben.

Da das Angebot an Bauparzellen in Vazerol West begrenzt sein wird, plant die Gemeinde weiter auch mit den Umsiedlungsstandorten in Alvaneu Dorf und Tiefencastel. Für die Umsiedlung geeignet sind auch bereits eingezonte Bauparzellen im gesamten Gemeindegebiet.

Kommission Siedlung bereitet Übergabe vor

Die Kommission Siedlung unter Präsident Benno Burtscher und Projektleiter Silvio Sauter bereitet die Übergabe ihrer Aufgaben an eine neue Arbeitsgruppe der Gemeinde vor. Die Aufgaben der Kommission sind mit den nun gemachten Abklärungen und den Unterlagen zur Einzonung von Bauland für die Umsiedlung abgeschlossen. Die bisherige Kommission wird dann aufgelöst.

Der Gemeindevorstand wird eine neue Arbeitsgruppe einsetzen, die sich mit der freiwilligen Umsiedlung von Betroffenen aus Brienz/Brinzauls befassen wird. Sie wird im Frühjahr vorgestellt.

Stollenbau: Schwierigkeiten überwunden

Nach dem Jahreswechsel erreichte der Vortrieb des Entwässerungsstollens eine Zone mit schwierigen geologischen Verhältnissen. Aufgrund geologischer Inhomogenitäten musste die Abschlagslänge aus Sicherheitsgründen von drei auf eineinhalb Meter reduziert und der frisch ausgebrochene Stollen mit massiven Stahlträgern verstärkt werden. Dieses Vorgehen beeinträchtigte die Vortriebsgeschwindigkeit.

Nun sind die geologischen Bedingungen wieder günstiger und der Vortrieb geht wieder in der gewohnten Geschwindigkeit weiter. Auch die Arbeiten für die mehr als 100 Bohrungen zur Entwässerung und Erkundung des festen Gebirges unter der Rutschung und der Rutschmasse konnten wieder aufgenommen werden. Der Ausbruch des Stollens wird mit dem Ost-Arm Richtung Alvaneu fortgesetzt. 

Der Bau des Entwässerungsstollens kommt weiter voran. Der Nord-Arm ist nun ausgebrochen (rot) und mehrere Bohrungen (rot/weiss) sind ausgeführt. Als nächstes wird der Ost-Arm ausgebrochen. Er wird teilweise unter dem Wasservorkommen Armauns (hellblau) verlaufen.
Nach wie vor zeigen die Arbeiten am Entwässerungsstollen positive Effekte: So konnte der Wasserspiegel in der Rutschmasse unter der Wiese an der Strasse nach Vazerol in der Umgebung des Stollens und der Bohrungen um mehr als 65 Meter abgesenkt werden.

Bewirtschaftungskonzepte für die Landwirtschaft

Von der Evakuierung von Brienz/Brinzauls mit dem Betretungsverbot sind auch 105 Hektar Landwirtschaftsland betroffen. Vertreter:innen der Gemeinde und des Gemeindeführungsstabs sowie Fachleute des LBBZ Plantahof und des Amts für Landwirtschaft und Geoinformation haben im Februar die 14 betroffenen Bewirtschafter zu einem Austausch getroffen. Dabei äusserten die Landwirtinnen und Landwirte ihre Bedürfnisse im Hinblick auf den kommenden Frühling und Sommer und stellten zahlreiche Fragen.

Der Gemeindeführungsstab und der landwirtschaftliche Beratungsdienst Plantahof sind nun daran, ein Bewirtschaftungskonzept für die betroffenen Flächen zu entwickeln. Ähnlich wie bei der ersten Evakuierung 2023 sollen die landwirtschaftlichen Betriebe das Land phasenweise betreten und bewirtschaften können, soweit die Gefährdungslage dies zulässt.

Der Gemeindeführungsstab und der landwirtschaftliche Beratungsdienst Plantahof stehen mit den betroffenen Betrieben im Kontakt und werden die Lösungen in enger Zusammenarbeit mit ihnen umsetzen.

Vergabe der Aufträge für den Frühwarndienst 2025-2028

Im vergangenen Herbst wurden die Aufträge zur nächsten Arbeitsperiode des Frühwarndienstes für den Brienzer Rutsch neu ausgeschrieben. Eine solche Neuausschreibung schreibt die Gesetzgebung über das Beschaffungswesen vor. 

Nach der Projektgenehmigung durch die Gemeindeversammlung und die Bündner Regierung prüfte der Gemeindevorstand die eingegangenen Offerten und bestätigte die Arbeitsvergaben. Damit kann die Überwachung der Grossrutschung ab März 2025 bis Ende 2028 ohne Unterbrüche und in der gewohnten Qualität weitergeführt und die Bevölkerung und die Öffentlichkeit umfassend informiert werden.

Noch offen ist einzig die Vergabe der künftigen Projektleitung des Frühwarndienstes: Die zweite Evakuierung von Brienz/Brinzauls bringt für die Betroffenen viel Unsicherheit. Würde die Leitung des Frühwarndienstes nach der Ausschreibung an einen anderen Anbieter vergeben, müssten sich die Betroffenen während der laufenden Evakuierung an neue Ansprechpartner gewöhnen. Das will die Gemeinde vermeiden. Sie hat deshalb entschieden, mit der Neuvergabe bis zum Ende der derzeitigen Evakuierung – vermutlich bis zum Frühsommer 2025 – zuzuwarten.
 
Die Gemeinde Albula/Alvra bietet den Betroffenen des Brienzer Rutsches nach wie vor ihre kostenlose Hotline zur Beantwortung von Sachfragen und für die Besprechung der persönlichen Situation an. Die Inhalte der persönlichen Gespräche sind selbstverständlich vertraulich.

Nächste Bevölkerungsinformation am 24. April

Die Gemeinde und der Gemeindeführungsstab laden am Donnerstag, 24. April zur 23. Bevölkerungsinformation über den Brienzer Rutsch ein. Die Veranstaltung ist öffentlich und wird in einem Livestream über Youtube übertragen.

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