Offener Brief an Tarzisius Caviezel

Offener Brief an Tarzisius Caviezel

GRHeute
02.04.2023

Herr Tarzisius Caviezel

Sie sind ein FDP-Politiker und der aktuelle Standespräsident Graubündens. Sie waren viele Jahre Landammann also Gemeindepräsident von Davos, schüttelten am WEF Donald Trump die Hand und schwärmten über seine «unglaubliche Ausstrahlung». Auch waren Sie viele Jahre Präsident des Eishockeyclubs HC Davos, Nationalrat in Bern und haben sonst noch so einige Ämter und Funktionen.

In diesem Jahr werden Sie 69 Jahre alt. Aber trotz eloquentem Verhalten auf unterschiedlichsten Parketten und Bühnen haben Sie weder Anstand noch Respekt vor einer Ihnen unbekannten Frau. Oder wie soll ich es deuten, dass Sie mich an einem Apéro einfach mit beiden Händen von hinten um die Taille gefasst haben und zur Seite schoben, ohne je zuvor ein Wort mit mir gewechselt zu haben. Das vieldeutige Grinsen obendrauf war mir definitiv zu viel.

In einem Bus oder auf der Strasse hätte ich Ihnen einen Ellenbogen in die Seite gerammt. Doch in dieser Situation, umgeben von vielen anderen, war ich schlicht überfordert, adäquat zu reagieren. Aber eines will ich klarstellen: Ihre Berührung und Nähe waren mir äusserst unangenehm. Ob Sie betrunken waren?

Ich habe mich etwas umgehört. Schockierenderweise teilte mir eine Frau, eine Politikerin, am ersten Telefon bereits mit, dass das bei Ihnen zum Alltag gehöre. Auch sie habe Ihre Hände schon um ihre Taille gehabt, was auch ihr furchtbar unangenehm war. Eine andere Frau schrieb mir, dass Sie «verschont geblieben sei». Herr Caviezel, haben Sie schon mal etwas von der Bewegung #MeToo gehört? Es kann doch nicht sein, dass Männer Frauen als Selbstbedienungsladen sehen.

Sie mögen sich jetzt fragen, weshalb ich Ihnen das öffentlich schreibe? Nun ja, Männer wie Sie sind, wenn es unangenehm wird, schnell bereit, sich für ihre Fehltritte zu entschuldigen. Eine Entschuldigung ist es aber nicht, worauf ich aus bin. Ich hoffe sehr, dieses Schreiben regt Sie zum Nachdenken an und noch mehr hoffe ich, dass ich von keiner Frau mehr erfahren muss, dass sie sich von Ihnen bedrängt fühlt – als Objekt und schmutzig.

Ich danke für die Kenntnisnahme.
Natalia Godglück

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